Gefühls-chaos

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Schwere Regentropfen prasselten auf sie nieder, sammelten sich auf ihrem Scheitel, ihrer Nasenspitze. Von dort und von den Haarspitzen tropften diese dann herunter. Ihre Haare, die Kagami-chan ein wenig länger trug, klebten ihr regennass im Gesicht. Ihre Kleidung war schon komplett durchnässt und hing schwer an ihr. Wortlos sahen die beiden sich an. Auch an ihm zerrte der Regen.
Wie von weit her drangen die Worte nur langsam zu ihm durch. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Er versuchte etwas aus ihrer Körpersprache oder Mimik zu lesen, doch es wirkte nicht, als ob sie gerade einen Spaß gemacht hätte. Wie sollte er reagieren, was erwartete sie jetzt? Er wollte zwar eine ehrliche Antwort, aber warum musste sie es ihm ausgerechnet jetzt sagen? Konnte sie es nicht dieses eine Mal dabei belassen? Er könnte sich dafür schlagen, dass er ihr diese dumme Frage gestellt hatte.
Es vergingen noch einige Sekunden, bis er etwas erwiderte.
Ich mag dich irgendwie.
»Da hast du wohl was falsch verstanden«, entgegnete er nüchtern und beobachtete sie weiter. Wieso reagierte sie nicht? »Egal was du in meine Handlungen reininterpretiert hast, dem ist nicht so.«
Doch auch jetzt, keine nennenswerte Reaktion. Langsam zog sie die Luft ein und sah betreten zur Seite.
»Ich wollte es dir nur gesagt haben« Soviel zu diesem Thema, dachte sie und irgendwie machte sich ein eigenartig bedrückendes Gefühl in ihrem Magen und ihrer Brust breit.
»Na, wenn es dir damit jetzt besser geht.«
Gespielt gleichgültig zuckte sie mit den Schultern.
»Ich weiß nicht, ... irgendwie schon«, log sie erneut. Diese "Lüge" schien er ihr durchgehen zu lassen und blickte sie nur einen weiteren, unerträglich langen, Moment an, ehe er langsam an der Rothaarigen vorbeiging und sich wieder auf den Weg machte.
Gefrustet ballte sie ihre Hände zu Fäusten und schluckte den Kloß herunter, der ihr im Halse steckte und das Atmen erschwerte. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Wieso musste sie ausgerechnet jetzt damit rausrücken? Die Situation war ohnehin angespannt, weil sie sich mit Momoi gestritten hatte und er vermutlich auch davon wusste. Ohne Zweifel hatte sie ein Talent dazu gewisse Situation einfach nur zu verschlimmern und sich die ungünstigsten Momente aus zu suchen, um immer noch einen drauf zu setzten. Aber er hatte immerhin gefragt.
Was sollte sie nun tun? Gleichgültig und nüchtern hatte Aomine es einfach zu Kenntnis genommen und ging weg. Ließ sie hier stehen. Im Regen, ... im Dunkel.

Ihm selbst ging es nicht besser. Eigentlich wollte er sie nicht so im Regen stehen lassen, aber er musste unbedingt Abstand gewinnen. Es wurde immer schlimmer. Jetzt wo die Rothaarige es laut aussprach, versetzte es dem Power Forward einen ungeahnt heftigen Stich in die Brust. Verdammt, wieso hatte er so viel für dieses Weibsbild übrig?! Sonst stellte er sich auch nicht so unbeholfen an, im Gegenteil. "Veni vidi vici"- Kam, sah und siegte! So einfach war das. Aber sie machte es ihm wahrlich nicht leicht und dass ihm Shirahama so im Nacken saß, frustete ihn noch mehr. Dass er sich zwangsweise das ein oder andere Mal mit Tomoe Namie traf, machte auch schnell die Runde, aber darauf hatte Kagami-chan ihn nicht angesprochen. Entweder weil sie es nicht wusste, oder es ihr egal war. Aber so egal konnte es ihr wohl nicht sein, wenn sie ihm im strömenden Regen sagte, mehr für ihn übrig zu haben. Schließlich verlangsamte Aomine seinen Schritt, bis er gänzlich inne hielt. Der Regen fiel brutal auf ihn nieder, er war ohnehin völlig durchnässt, seine Kleidung war nicht mehr fähig nur einen Tropfen aufzunehmen. Plötzlich fröstelte es ihn unangenehm und ein Schauer schlich sich über seinen Nacken. Er hasste sich gerade dafür, dass er nicht ehrlich genug war, ... weder zu ihr, ... noch zu sich selbst. Aber was den Blauhaarigen am meisten frustrierte und in ihm die Wut hochkochen ließ war, dass er es nicht wagte sich offen gegen Shirahama zu stellen. Was konnte sie schon groß tun? Vielleicht pokerte sie auch einfach nur hoch genug und ging davon aus, dass er sich wirklich so einschüchtern ließ, nur um nicht noch mehr Ärger zu verursachen. Das traurige daran war, dass es dem Senpai gelang. Vor wenigen Monaten noch wäre es ihm scheißegal gewesen, egal mit was sie ihm gedroht hätte, oder sich den Rücken stärkte. Er hätte es einfach ignoriert und hätte die anderen ins offene Messer laufen lassen. Warum es ihn so beschäftigte konnte er nur erahnen, aber umso mehr Aomine darüber nachdachte, umso mehr staute sich die Wut auf. Die Wut auf sich selbst und das Wetter ..., denn das schien ihn auch zu verspotten.

Genervt und auch etwas wütend fauchte die Azurblauhaarige auf und knirschte mit den Zähnen. Nun hatte sie endlich den Bericht geschrieben und das Layout erstellt und hatte noch immer keine Fotos. Was trieb Kagami-chan nur in letzter Zeit, dass sie es nicht fertig brachte ein paar Bilder zu machen? Dabei war es dem Theater-club wichtig, dass dieser Artikel erschien und das möglichst diese Woche noch. Angesäuert griff Kaiou nach ihrem Handy, welches auf ihrem auffällig aufgeräumten und sortierten Schreibtisch lag, und wählte die Nummer ihrer Fotografin. Ungeduldig trommelte sie, während es klingelte, mit ihren Fingerspitzen auf der Tischplatte herum, bis schließlich das Freizeichen erklang.
»Ja?«, drang es dunkel von der anderen Seite. Kaiou hätte es fast die Sprache verschlagen und stutzig runzelte diese die Stirn ehe sie antwortete. Wieso klang ihre Freundin so eigenartig bedrückt und ernst?
»Ha-chan, störe ich gerade?«
»Nein, was willst du?«
Angestrengt lauschte die Journalistin in den Apparat hinein, was war das nur für ein penetrantes Rauschen, als wäre sie an einem Fluß, oder ..., doch da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen und ihr Blick wanderte sofort zu ihrem Fenster. Es war der Regen.
»Ha-chan, mach doch mal dein Fenster zu, der Regen ist so laut«, motzte die Azurblauhaarige und wandte sich wieder ihrem PC zu.
»Ich bin nicht zu Hause, also was willst du nun?«
Fragend runzelte Kaiou erneut die Stirn, wieso klang Kagami-chan so angespannt? Da war doch was im Busche. Und meinte sie gerade sie wäre nicht zu Hause? Das hieße ja ... .
»Sag mir nicht, dass du unterwegs bist.«
»Ich bin gerade auf den Weg nach Hause.«
Kopfschüttelnd fuhr Kaiou nun fort.
»Ich habe gerade das Layout für den Artikel der Theatergruppe fertiggestellt und rate mal was fehlt.«
Nach einem kurzen Augenblick schlug die Erkenntnis ein wie ein Komet.
»Verdammt, die Bilder! Ich hab dir die Bilder noch nicht gegeben!«, entfuhr es der Rothaarigen, die Journalistin hörte ganz deutlich, dass es nicht aufgesetzt war, Kagami-chan hatte es wirklich vergessen. »Mist, der Artikel soll nach dem Wochenende raus, oder?«
»Ja, ganz genau.«
»Pass auf, bist du zu Hause? Ich habe die Karte einstecken, soll ich sie dir schnell vorbeibringen?«
»Das würdest du tun?«
»Es ist immerhin mein Versäumnis, also "ja".«
Dieses Angebot ließ kein Zögern zu und Kaiou willigte ein. Wenn sie heute noch die Fotos bekäme, hätte sie morgen einen freien Tag und das hieße, mal nichts für den Club tun und das Wochenende genießen.
»Ich bin in ein paar Minuten da. Bis gleich.«
Als die Fotografin aufgelegt hatte, starrte Kaiou ihr Handy an. Sie konnte es sich natürlich auch einbilden, aber das Verhalten ihrer Freundin und ihr Ton gefielen ihr ganz und gar nicht. Das schrie ja gerade zu nach einem klärenden Gespräch und da die Rothaarige ohnehin auf dem Weg zu ihr war, konnte sie bei Gelegenheit mal nachhacken, was das mit ihr und Momoi war.
Dass die beiden Mädchen sich lautstark gestritten hatten, war auch an der Journalistin nicht vorüber gegangen, Momoi war in der Hinsicht sehr sensible und zart besaitet. Sie war daraufhin sofort zu der Blauhaarigen geeilt und hatte bei dieser ihr Herz ausgeschüttet, bis diese fast beiläufig erwähnte, dass sie auch bei den Spielern der Seirin-High war. Ein langer gedehnter Seufzer entwich Kaiou und sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Manchmal war das Highschoolleben echt anstrengend. Plötzlich riss es sie fast von ihrem Schreibtischstuhl. Erschrocken saß sie kerzengerade da. Hatte es gerade geklingelt? Ohne Zweifel, aber das konnte auf keinem Fall Kagami-chan sein. Nicht so schnell. Schnell sprang die Blauhaarige auf und rannte die Treppen hinunter zur Tür, öffnete diese gehetzt und blickte den unangekündigten Besuch fragend und ungläubig an.
»Ach du Scheiße!? Was machst du denn hier?!«, entfuhr es der Journalistin und ihr schoss sogleich ein gefährlicher Rotton in die Wangen, weil sie ihn so überfiel.
»Hallo Kaiou-san. Ich will nicht lange stören, aber ...«, begann der Junge, doch er wurde je von ihr unterbrochen.
»Du bist ja total durchnässt, willst du nicht reinkommen?«, selbstsicherer, als sie es selbst erwartet hätte fuhr sie ihm ins Wort. Überrascht blickte Kuroko sie an.
»Nun, um es kurz zu erklären, mein Hund ist durch den Zaun in euren Garten geschlüpft«, erklärte er sachlich. »Ich wollte lediglich fragen, ob ich kurz auf euer Grundstück darf um ihn zu holen.«
Verlegen über ihr überschäumendes Temperament nickte sie schnell.
»Natürlich, warte kurz«, zackig griff sie nach einem Regenschirm und zog sich ihre Schuhe an, um mit dem Basketballspieler im Garten nach seinem Hund zu suchen.
»Es tut mir Leid, dir solche Umstände zu machen. Aber als es Geblitzt hat, hat er irgendwie einen Schrecken bekommen.«
»Macht nichts. Nur blöd, dass du bei dem Wetter mit ihm raus musst«, sagte sie und suchte weiter.
»Ich war gerade auf den Weg nach Hause, da hat mich der Regen überrascht«, erklärte der Hellblauhaarige und schob einen der Sträucher bei Seite. »Nigou, komm raus.«
Ein flüchtiges Lächeln stahl sich über Kaious Gesicht, Kuroko war ihr persönlich ziemlich sympathisch, manchmal hatte sie den Eindruck, dass er der Einzige war, der eine gewisse Vernunft an den Tag legte. Und außerdem schien er sich gut mit Kagami-chans Bruder zu verstehen, ... das schrie je gerade zu nach einer Chance. Plötzlich wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, Kuroko hatte seinen Husky bereits auf den Armen. Völlig durchnässt stand er vor ihr und lächelte leicht.
»Danke«, sagte er kurz.
»Nichts zu danken, aber komm erstmal rein und trockne dich etwas, bis der Regen nachlässt«, schlug sie vor und dieses Angebot nahm der Spieler dankend an.
Als die beiden mit dem Hund im Haus waren, ging Kaiou sofort ins Bad um ihm ein Handtuch zu bringen, welches er dankbar entgegen nahm.
»Und das ist für dich, kleiner Wuschel«, sagte Kaiou spaßend und trocknete den kleinen Hund ab, der nun vor ihr stand wie ein mit dem Föhn getrockneter Hamster. Danach führte sie die beiden hinauf in ihr Zimmer, wo sie sich weiter mit Nummer 2 beschäftigte.
»Schreibst du gerade an einem Artikel?«, fragte Kuroko neugierig und warf einen Blick auf das Layout, welches noch auf ihrem Monitor abgebildet war.
»Ja. Über unsere Theatergruppe«, bestätigte sie. »Wie läuft eigentlich euer Training?«
»Ganz gut, wir gewinnen sogar das ein oder andere Spiel. Das Freundschafsspiel gegen Kaijo war eine gute Gelegenheit uns zu verbessern.«
»Hört sich gut an, da kann ja das nächste Spiel gegen unsere Schule kommen, oder?«
»Ja.«
Eine unangenehme Stille breitete sich aus, geistesgegenwärtig kraulte die Journalistin den Husky hinter den Ohren, bis Kuroko erneut das Wort ergriff.
»Könnte ich kurz ins Bad gehen?«, fragte er in gewohnt höfflichem Ton.
»Natürlich, es ist unten, zweite Tür linkerseits«, beschrieb sie kurz, als es ein weiteres Mal an der Tür klingelte. »Ich muss ohnehin auch mit runter, komm mit.«
Mit schnellen Schritten war sie unten angekommen und zeigte am vorbeigehen auf die beschriebene Tür, hinter der Kuroko schließlich verschwand. Schnell öffnete sie die Haustür. Wie erwartet stand die großgewachsene Schülerin vor ihr.
»Hi«, sagte die Rothaarige kurz und griff in ihre Hosentasche.
»Mensch, komm rein. Du siehst ja aus, wie ein begossener Pudel«, scherzte die Azurblauhaarige und trat zur Seite.
»Ich wollte dir nur die Karte geben.«
»Unsinn, komm rein, es regnet doch wie aus Eimern«, sagte Kaiou und zog sie herein.
»Suki, wirklich. Ich will einfach nur Heim, ok?«, drängte Kagami-chan.
»Ist irgendwas?«, hackte ihre Freundin nach.
»Nein, ich bin nur nass und genervt ..., nichts weiter.«
Doch der prüfende und eindringliche Blick Kaious machte sie nervös und verunsicherte sie sichtlich. Das Kagami-chan ihr etwas verschwieg war ihr mehr als anzusehen. Und da Kaiou von Natur aus eine sehr neugierige Person war, brannte es ihr natürlich auf den Nägeln. Zwar hatte sie sich vorgenommen in Zukunft diskreter zu sein, aber sie konnte einfach nicht an sich halten.
»Wo kommst du eigentlich gerade her?«
Genervt und resignierend seufzte die Größere.
»Ich war unterwegs und hab ... Aomine zufällig getroffen«, gestand sie schließlich und steckte die Hände in die Hosentaschen.
»Aomine-kun? Und? Habt ihr euch gestritten?«
»Nein.«
»Warum bist du dann so schlecht gelaunt? Versteh ich nicht.«
Aber die Rothaarige druckste um eine Antwort herum.
»Naja, es lief irgendwie komisch.«
»Hand aufs Herz, was zum Teufel hast du mit Aomine-kun zu schaffen? Ist was ernsthaftes an den Gerüchten dran?«
»Fang du nicht auch noch mit diesen "Gerüchten" an. Ich bin froh, dass es ruhig ist«, schoss es aus der Fotografin und ihre Miene verfinsterte sich.
»Dann sag endlich was ist«, drängte Kaiou gefrustet. »Was soll das Ganze denn, diese Heimlichtuerei? Entweder du magst ihn, oder du magst ihn nicht. Es gibt nur die zwei Optionen und ich bin nicht blind, Haruka«, sagte sie nun ungewohnt streng.
Kuroko, der wieder aus dem Bad treten wollte, hielt inne und öffnete die Tür nur einen Spalt breit, um besser hören zu können. Die angesprochenen Gerüchte interessieren ihn, vor allem wunderte es ihn, dass sein einstiges „Licht" wohl darin verwickelt zu sein schien. Interessiert hörte er weiter zu. War das vielleicht der eigentliche Grund, weshalb Momoi da war?
»Ich weiß nicht, was du hören willst«, entgegnete die Rothaarige.
»Die Wahrheit, ... wie wäre es damit?«
»Warum willst du das unbedingt wissen?«
»Weil du meine Freundin bist und ich mir Sorgen mache. Ich will jetzt wissen was da ist, dass du zur Zeit so dauerschlechtgelaunt und gereizt bist«, behaarte die Blauhaarige.
»Du willst es wirklich wissen? Schön!«, entfuhr es plötzlich der Rothaarigen. »Ja, ich gebe es ja zu. Vielleicht hab ich etwas mehr für ihn übrig als mir lieb ist! Vielleicht mag ich seine fünf Minuten, in denen er wie ein anderer Mensch ist, einfühlsam, motivierend, ehrlich. Vielleicht mag ich es auch einfach, dass er mich mehr oder minder akzeptiert wie ich bin. Vielleicht ... «, aufgebracht breitete sie kurz die Arme aus. »Vielleicht ... ach Herr Gott noch mal!! Vielleicht mag ich sogar die Streitereien, die verbale Herausforderung. OK?! Vielleicht auch seine Augen, die ab und zu die Wahrheit sagen.«
Das was Kagami-chan an Aomine beschrieb, weckte in Kuroko Erinnerungen, an die Zeit auf Teiko, ... bevor sich das Ass so veränderte. Es war, als hätte die Fotografin den jüngeren Aomine beschrieben, seine heiteren und ehrlichen Charakterzüge, diese die auch Kuroko so an ihm geschätzt hatte. Aber wenn der Power Forward auch ihr ab und an diese Seite zeigte, war vielleicht noch nicht alles so verloren wie er zunächst dachte.
Als Kagami-chan fertig war, atmete sie kurz durch und fuhr sich mit einer Hand durch die regenschweren nassen Haare, während sie die andere in die Hüfte stemmte. »Vielleicht bin ich auch einfach zu naiv und interpretiere viel zu viel in etwas, was gar nicht stimmt, ... oder da ist. Vielleicht hab ich zu sehr auf das gehört, was du und Momoi mir eingeredet habt.«
Leicht lächelnd ging Kaiou auf die Größere zu.
»Hör mal, Ha-chan. Weißt du, was mich am meisten daran stört was du gesagt hast?«
»Meine eigene Fehleinschätzung?«, riet sie.
»Nein, ... diese vielen "vielleicht"«, sagte sie einfühlsam. »Warst du denn schon mal verliebt?«
»Verliebt? ... Was, nein. Moment mal ich bin nicht in ihn verliebt«, versuchte sie klarzustellen und hob abwehrend die Hände.
»Also, unter uns gesprochen, klingt es sehr danach.«
»Das ... das ..., ach ich weiß es doch selbst nicht. Ich denke nicht und außerdem fang nicht wieder davon an.«
»Ich denke schon. Satsuki-chan hat mir von eurer ... Diskussion erzählt.«
»Welche Diskussion?«
»Die in der du ihr gesagt hast, das Gefühle nichtig sind und eh nur Produkte chemischer Substanzen, die sich in unserem Organismus einnisten und uns irrational handeln und denken lassen. Diese Diskussion.«
Als hätte sie eine schallende Ohrfeige bekommen, schoss der Fotografin die Röte in die Wangen.
»Das ist vielleicht deine Meinung, aber sie hast du damit wirklich hart getroffen und verletzt.«
»Das ... das war ... also eigentlich ...«, doch sie beschloss lieber die Klappe zu halten bevor sie sich um Kopf und Kragen redete.
»Hör mal, Haruka. Es ist nichts schlimmes daran, wenn du Interesse an ihm hast.«
»Ich hab kein ...«
»Wem versuchst du bitte noch etwas vor zu machen!?«, schoss es aus Kaiou. »Sei wenigstens dieses eine Mal ehrlich zu dir selbst! Und schieb es nicht auf den verdammten Biologieunterricht!!«
Frustriert ballte die Rothaarige die Hände zu Fäusten, biss sich auf die Unterlippe und senkte den Blick. In diesem Moment schoss Kaiou ein weiterer Gedanke durch den Kopf.
Leicht fassungslos hauchte sie die Worte fast: »Du hast es ihn gesagt.«, es war keine Frage, ... es war eine Feststellung.
»Und wenn schon«, knurrte die Rothaarige und wollte gehen.
»Warte doch. Wie hat er reagiert?«
Da schnippte Kagami-chan wie ein Gummiband wieder herum, einen ungewohnt bösen und frustrierten Ausdruck in den Augen.
»Wie schon?! Zur Kenntnis genommen und mich im Regen stehen lassen. Ende des Gesprächs.«
»Oh ...«
»Nicht "Oh". Genau deshalb behält man gewisse Dinge für sich.«
»Du bist enttäuscht worden, dass passiert.«
»Nein, er hat mich nicht enttäuscht, sondern verwirrt. Ich hab mich von seinem Verhalten mir gegenüber verunsichern lassen und als ich den Mut gefasst habe, ... tja, da war es auch wieder verkehrt. Pech gehabt.«
Irgendwie tat die Fotografin ihr leid. Sie hatte ohnehin schon Schwierigkeiten mit gewissen Gefühlen umzugehen. Und auf einer gewissen Ebene hatte sie auch ein gestörtes Verhältnis zu Jungs, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass Aomine plötzlich wirklich so ein Bilderbuch Arschloch war. Es musste einen anderen Grund haben, dass er sie so fallen ließ. Und ihr kam eigentlich nur einer in den Sinn. Shirahama und Konsorten. Sie schossen so scharf gegen Kagami-chan, dass er sie vermutlich nicht noch mehr zur Zielscheibe machen wollte. Aber dass er ihr damit mehr weh tat, als Gerüchte es je könnten, konnte er nicht einmal erahnen.
»Ha-chan, ... .«, begann die Azurblauhaarige vorsichtig, doch die Fotografin hatte sich bereits umgedreht und war die Tür hinausgeeilt.
Auch Kuroko war sprachlos, nie hätte er auch nur einen Gedanken daran verschwendet, dass der Zwilling von seinem Teamkameraden allem Anscheinen nach, wirklich so viel für Aomine übrig haben könnte. Aber er verstand nicht wieso es für die beiden so schwierig war, auch Kuroko war nicht blind und Momoi schon gar nicht, denn auch die Managerin sprach mit ihm darüber, dass Aomine in letzter Zeit eigenartig wäre. Verunsicherten diese Gerüchte beide so sehr, dass sie es sich nicht eingestand und er sie ablehnte? Das konnte sich der Hellblauhaarige kaum vorstellen, denn so wie er den Power Forward kannte, stand er über jeglichen Gerücht und gab ohnehin nichts auf dummes Geschwätz. Sollte es wirklich einfaches Desinteresse an der Fotografin sein? Oder hatte er einfach keine Lust auf das dumme Gerede der anderen? Was also war der Grund dafür?


Die Woche darauf war der Gang zur Schule, für Kagami-chan, schwerer als sonst und wesentlich unangenehmer. Das ganze Wochenende zermalmte sie ihr Hirn, wie sie wohl Momoi am besten ansprechen sollte, ... oder wie nicht. Eigentlich traf sie sich morgens mit Momoi um gemeinsam mit ihr zur Schule zu gehen, doch sie hielt es für besser, der Managerin vorerst aus dem Weg zu gehen. Und auch dem Basketball-Ass, zwar vermutete sie, dass Aomine sie mit der gleichen Ignoranz wie immer strafen würde, nur hatte sie das Gefühl, dass es sich dieses Mal irgendwie anders anfühlen würde. Als sie den Schulhof betrat, war es wie immer. Einige warfen ihr böse und finstere Blicke zu, andere ignorierten sie einfach, was ihr persönlich lieber war. Genervt seufzend und kurz die Augen verdrehend, ging sie einfach an einer Mädchenansammlung vorüber, die wild tuschelten und sich nicht einmal die Mühe machten, leise über die Rothaarige herzuziehen. Sollten sie doch tratschen, mittlerweile war es ihr egal. So oder so redeten die Leute und das nur, weil Shirahama es nicht sein lassen konnte. Das sie so auf die Ältere herein gefallen war und sich so hatte ausspielen lassen, dafür schämte Kagami-chan sich. Die Fotografin wusste, dass sie Momoi zu unrecht von der Seite angemacht hatte und dass ihre Anschuldigungen total haltlos, schwachsinnig und unverschämt waren. Sie war wirklich eine Ignorantin aller höchster Güte. Aber Einsicht war bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. Mit wachsender Unmut in der Magengegend betrat sie den Klassenraum und ging ohne Umwege auf ihren Platz zu. Außer ein paar Klassenkameraden, mit denen sie nicht allzu viel zu tun hatte, war keiner da, so blieb ihr Zeit zum durchatmen. Aber das unausweichliche geschah, im Augenwinkel sah sie, wie sich die Rosahaarige näherte. Sich innerlich wappnend atmete Kagami-chan noch einmal tief durch, doch es kam ganz anders.
»Guten Morgen, Ha-chan«, begrüßte die Managerin des Basketball-clubs die Rothaarige. Völlig perplex, aber auch erleichtert erwiderte die Fotografin das gewünschte "Guten Morgen".
Nachdem sich die Managerin gesetzt hatte, packte sie ihre Schulutensilien aus und bereitete sich auf den Unterricht vor. Wenige Augenblicke später lehnte sich die Rosahaarige zurück und sah ihre Banknachbarin eindringlich an, bevor sie sich zu ihr herüber beugte.
»Ich hab heute früh gewartet. Was war los?«, fragte Momoi die Rothaarige. Kagami-chan war sichtlich überrascht, war das gerade Momois ernst? Wie konnte sie es einfach so dabei belassen? Die Fotografin war wirklich eklig zu ihr und im Nachhinein schämte sie sich noch mehr dafür, weil ihre Freundin so tat, als wäre nichts gewesen.
»Satsuki-chan i-ich ..., es tut mir leid«, brachte die Rothaarige schließlich über ihre Lippen. »Es war dumm und unüberlegt von mir, so etwas zu sagen und ..., naja, du weißt schon.«
Jedoch lächelte Momoi sie nur verstehend an und nickte.
»Schwamm drüber. Hacken wir es einfach ab und behaupten du hättest die letzten Tage echt mies geschlafen.«
»Oder gar nicht geschlafen«, korrigierte die Fotografin und seufzte schwer.
»Aber wir sollten uns nachher darüber unterhalten. Ich hab da ein paar unschöne Dinge von Suki-chan erfahren«, flüsterte die Rosahaarige und sah sie mitleidig an.
»Wenn es um deinen Jugendfreund, Herrn Unnahbar geht, dann ...«
»Ja, genau«, schoss sie dazwischen.
»... dann, will ich nicht drüber reden«, schloss die Rothaarige ab und spielte verärgert mit einer Haarsträhne. Kaiou war eine verdammte Tratschtante. Wieso musste sie es ausgerechnet Momoi erzählen? Jetzt packte das schlechte Gewissen Kagami-chan noch mehr, weil es sich anfühlte, als würde Momoi das Thema "Streit" nur fallen lassen, weil sie sich mit Aomine nicht so recht verstand. War sie so Mitleiderregend?

Währenddessen hatte Kuroko Tetsuya ganz andere Probleme. Das was er am Wochenende bei Kaiou Suki erfahren hatte, oder eher belauscht, beschäftigte ihn und er war sich nicht sicher, ob er es seinem Klassenkammeraden sagen sollte. Seine Absicht bestand nämlich nicht darin, die Situation unnötig zu verschärfen. Er musste dem ganzen geschickt einen Stoß geben, ohne dass sich jemand überfahren fühlte, oder gar hintergangen. Aber offensichtlich brauchte jemand mal einen kleinen Schubs, damit sich die Lage wieder beruhigte. Überlegend sah er auf den Rücken des Power Forwards, der eher desinteressiert dem Unterricht folgte. Plötzlich fiel ihm etwas ein, was er bei Kaiou im Zimmer gesehen hatte, zunächst hatte er dem keine weitere Beachtung geschenkt, doch ihm zog ein Geistesblitz durch den Kopf. Wenn er es nicht total fehlinterpretierte, könnte es sogar funktionieren. Seine Idee etwas ausschmückend wartete er bis es zur Pause läutete und schrieb jemanden einfach mal eine kurze SMS und hoffte, dass es nicht ganz so plump formuliert war, wie er es dachte.

Nach der Schule gingen die drei Mädchen, nach Hause. Dass sich die Fotografin so daneben benommen hatte, wurde zum Glück nur kurz ausgewertet, manchmal hatte sie wirklich Glück, dass ihre Freundinnen nicht nachtragend waren. So langsam hatte sich auch ihr Gemüt verändert. Kagami-chan war zwar noch reichlich enttäuscht gewesen, aber das würde sich vermutlich auch bald wieder legen. Schließlich legte sie vorher auch nicht so viel Wert auf ... Gefühle. Ein schwerer Seufzer entwich ihr, im Moment war sie ziemlich dankbar dafür, dass ihre, zugegebenermaßen beiden einzigen, Freunde nicht weiter darauf herumritten. Plötzlich durchbrach ein schrilles kurzes Piepen die Stille und Kaiou schreckte kurz auf. Griff hektisch in ihre Tasche und kramte ihr Mobiltelefon hervor. Überrascht zog Kaiou die Augenbrauen nach oben und starrte weiter auf ihr Handy. Bis Kagami-chan sich räusperte. Das Räuspern verfehlte seine Wirkung nicht und die Journalistin wandte sich ihrer Freundin zu.
»Ist irgendetwas?«, fragte nun Momoi.
»Ich ... ähm ...«, verwirrt schüttelte die Blauhaarige den Kopf und warf Momoi einen skeptischen Blick zu. »Dein Freund hat mir geschrieben.«
Nun war es an der Rosahaarigen verwirrt drein zu schauen.
»Freund?«, fragte die Rothaarige und sah abwechselnd Kaiou und wieder Momoi an.
»Tetsu-kun? Was wollte er denn?«
»Keine Ahnung, diese Nachricht ist irgendwie ... ... nicht sehr aussagekräftig.«
»Mich würde mehr interessieren, woher er deine Nummer hat«, warf Kagami-chan ein und trat einen kleinen Stein bei Seite.
»Vom Camp, ich hab auch zur Sicherheit die Nummer von Riko-chan und dei--... «, doch ehe sie sich gänzlich verriet, änderte sie schnell den letzten Teil ihres Satzes. »... dem Rest der Mannschaft, ... zumindest von ein paar.«
»Ich wusste gar nicht, dass du dich so gut mit denen verstehst.«
»Ja ..., doch, doch. Ab und an schnappt man auch mal ein paar ... Kleinigkeiten auf.«
»Das mal bei Seite, was will Kuroko von dir?«, fuhr ihr nun die Rothaarige unwirsch ins Wort.
Doch da legte sich ein schwacher Rotton auf das sonst so bleiche Gesicht der Journalistin.
»Naja, ich soll mal bei jemandem vorbei schauen.«
»Eine Art Krankenbesuch?«, riet Momoi drauf los.
»... hmm, ... so ähnlich. Naja, ... mal schauen.«
Das Kaiou so ein Geheimnis daraus machte, gefiel ihren Freundinnen nicht, aber eigentlich war es der Fotografin ziemlich egal. Sie wollte auch nicht das Jedermann ihr nachschnüffelte und dumme Fragen stellte, also beließ sie es einfach dabei, aber Momoi war da irgendwie anderer Auffassung.
»Was kam eigentlich bei deiner Verabredung raus?«
»Ich hab mich noch nicht mit ihm getroffen und jetz nerv nicht«, brummte Kaiou und wank ab. Das weckte dann doch die Neugier bei der Rothaarigen und sie hörte aufmerksam zu. Und Momoi enttäuschte sie nicht, denn wie erwartet, stellte sie weiter unliebsame Fragen.
»Du lässt dir ganz schön Zeit.«
»Gut Ding will Weile haben.«
»Das dachte ich auch«, knurrte da plötzlich Kagami-chan. Erst als ihre Freundinnen ihr einen mitleidigen Blick zu warfen, realisierte sie, was sie soeben unbedacht geäußert hatte. Abfällig mit der Hand herumfuchtelnd, seufzte sie kurz.
»Ich will damit nur sagen, versau es nicht und reit dich nicht so in den Mist wie ich.«
»Oha, da hat wohl jemand gelernt?«, feixte Momoi, doch daraufhin zuckte die Größere nur mit den Schultern.
»Und die Lektion hat richtig weh getan. Aber hey, was soll's? Nun bin ich zumindest nicht mehr im Unklaren.«
Auch wenn die Fotografin das so leichthin sagte und schön weiter die Gleichgültige mimte, irgendwie glaubten Momoi und Kaiou ihr nicht.

Am Abend lag Kaiou, unschlüssig das Handy in der Hand haltend, auf ihrem Bett und wog ab, ob sie auf die SMS reagieren sollte. Dass Kuroko sie so aus heiterem Himmel anschrieb, kam wirklich überraschend. Aber das um was er sie bat, war noch viel überraschender. Wie stellte er sich das vor und vor allem, woher wusste er das? Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die Fotos, sie lagen auf ihrem Schreibtisch und er war in ihrem Zimmer. Oh nein, wie peinlich, sie hatte total vergessen die Bilder weg zu räumen. Aber nun half es alles nichts, bisher wusste es nur der Spieler und er wirkte auf sie nicht, als ob er es breitreden würde. Dennoch wüsste sie gerne, was er sich dabei gedacht hatte. Mit einem Ruck hatte sie sich auf den Bauch gedreht und stützte sich auf ihren Ellen ab. Ach was soll's, sie selbst gab den anderen immer wieder den Tipp: „Versuch macht klug!", warum also nicht einmal selbst an diese „Lebensweisheit" halten? Schnell suchte sie die passende Nummer und verfasste einen kurzen Text. Mit dem Finger über der Sendetaste schwebend, plagten sie noch immer die Hemmungen, aber wenn nicht jetzt, wann dann, sie konnte nicht darauf hoffen, ihm durch einen Zufall zu begegnen. Also ab die Post. Als die SMS auf den Weg zu ihrem Empfänger war, ging es Kaiou im ersten Moment nicht all zu gut. Nervös wartete sie auf eine Antwort, ... doch es kam einfach keine. Selbst als sie die Geduld aufbrachte nach dem Abendessen noch einmal auf das Handy zu schauen.
Nichts.
Nun gut, da ging das wohl gepflegt nach hinten los, oder aber, sie würde morgen ein paar sehr peinliche Fragen gestellt bekommen.

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