Heimlich schlich die Rothaarige geradezu über den Schulhof und bahnte sich ihren Weg durch die Schulfluhre, die Treppen hinauf, direkt auf das Dach. Verstohlen sah sich Kagami-chan etliche Male um, ehe sie weiter ging. Sie wollte kein großes Aufsehen erregen und daher schlich sie sich lieber heimlich hinauf. Als sie die Tür zum Dach öffnete, spähte sie zunächst nur durch einen schmalen Spalt und vergewisserte sich, dass niemand weiter hier oben war.
Als sie sah, dass die Luft rein war, trat sie hinaus und schloss die Tür wieder hinter sich. Wenn sie sich recht erinnerte, sagte Momoi, dass er sich auf dem Dach des Treppenhauses des Öfteren aufhielt, wenn sie also nicht ganz falsch lag, würde er sich dort oben irgendwo verstecken. Vorsichtig verstaute sie die Packung in der sich das Essen befand in ihrer Tasche und kletterte die Leiter zum höchsten Punkt der Schule hinauf.
Und Momoi sollte Recht behalten, wenn er nicht zu finden war, versteckte er sich wirklich hier. Langsam stieg sie die letzte Sprosse hinauf und ging langsam auf ihn zu.
Der Power Forward lag auf den Rücken, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen. Er hatte im wahrsten Sinne, die Ruhe weg und sein Gesichtsausdruck wirkte auch bemerkenswert entspannt.
Bei genauerer Betrachtung sah sie wie sich sein Brustkorb gleichmäßig und leicht, hob und wieder senkte.
Der wird doch nicht wirklich schlafen? Dieser dreiste Kerl, dachte der Rotschopf. Drückt sich vor dem Fest.
Vorsichtig ging Kagami-chan neben ihm in die Hocke, holte die warme Packung aus ihrer Tasche und stellte sie neben sich ab. Kurz wagte sie noch einen Blick auf Aomine, der noch immer Seelenruhig schlief.
Das ist die Chance!, rief ihr kleines Ich aufgeregt und feuerte sie an. Wild mit den kleinen Ärmchen fuchtelnd. Das Foto, jetzt ist die Gelegenheit.
Schnell wog die Rothaarige ab, ob sie das wirklich tun sollte. Die Kamera war griffbereit, daran sollte es nicht scheitern. Aber war das wirklich so in Ordnung?
Jetzt mach schon! Wer weiß wann sich dir wieder so eine Gelegenheit bietet, fauchte ihr kleines Ich und wedelte wild mit den Pompons.
Gedacht, getan!
Vorsichtig schob sie die Packung mit der Mahlzeit bei Seite, griff sich ihre Spiegelreflex-Kamera und drehte sich wieder leicht zu ihm um, so leise und vorsichtig wie es ihr möglich war wollte sie die Verschlusskappe ihrer Linse lösen, doch soweit kam sie gar nicht.
Ruckzuck hatte der Power Forward eine seiner Hände ausgestreckt und sich die Kamera geschnappt, doch der Rotschopf hielt sie eisern fest, als würde ihr Leben davon abhängen. Dadurch, dass sie die Kamera fest umklammerte, riss Aomine die Fotografin mit zu sich hinunter und sie lag bäuchlings auf ihm. Erschrocken blickte sie ihn an, ihr Hirn arbeitete auf Hochtouren um sich eine passende Ausrede zu Recht zu legen.
»Was sollte das denn werden, Hexe?«, fragte er hämisch grinsend und blinzelte sie kurz leicht verschlafen an.
»Ich wollte nur, ... also das verstehst du völlig falsch«, versuchte sie sich zu retten.
»Was versteh ich falsch?«
»Ähm ..., das.«
»Du willst mich jetzt aber nicht wirklich verärgern, oder?«, fragte Aomine und richtete sich auf, wobei er Kagami-chan wieder von sich schob, doch ihre Kamera noch immer fest umgriffen hielt.
»Nein! ... Ich doch nicht!«, entgegnete sie.
»Das kam vermutlich jetzt sarkastischer, als es gemeint war. Zumindest will ich dir das geraten haben.«
Eingeschnappt fuhr ihr eine leichte Röte auf die Wangen und sie schnaufte frustriert auf.
»Ist ja gut, ich hab es vergeigt. Jetzt lass Letti los.«
»Ja, das hast du«, doch plötzlich sah er sie verblüfft an und zog skeptisch die Stirn kraus. »Wer ist „Letti"?«
Just in dem Moment schnippte eine ihrer Brauen in die Höhe und sie deutete auf seine Hand, die sich noch immer an der Kamera befand. Da leuchtete es ihm ein. Ihre Teufelsmaschine!
»Ist das dein Ernst?«, fragte er noch immer ungläubig, doch sie nickte mit ernster Miene. »Unglaublich.«
»Lass los, ich pack sie auch weg«, versprach die Rothaarige.
»Du bist unbelehrbar, oder?«
»Gewisse Erziehungsmaßnahmen schlagen durchaus an, ...«
»Ich höre ein „aber" raus«, sagte Aomine.
»Die halten für gewöhnlich nicht lange und die Wirkung ist arg umstritten.«
»Dann werde ich wohl zu meinen eigenen Erziehungsmaßnahmen greifen müssen«, sagte er bedrohlich und griff sich die Rothaarige mit einer schnellen Bewegung. Kurzum hatte er sie an der Hüfte gepackt und sie auf den Rücken befördert, indem er sich auf die Seite rollte und sich nun über ihr befand.
Perplex sah sie ihn an, als ob sie nur nach und nach realisierte, was gerade passiert war.
Dieser schnelle „Stellungswechsel" kam viel zu überraschend und traf sie gänzlich unvorbereitet.
Herausfordernd legte er nun auch ihre Kamera bei Seite, die sie vor Schreck losgelassen hatte und grinste sie finster an.
»Allerdings ist meine Erziehung auch ein wenig umstritten, aber sie erfüllt ihren Zweck.«
Das glaub ich sofort, dachte sie aufgeregt.
Gerade als sich eine seiner Hände auf Wanderschaft machen wollte und sich bedrohlich einen Weg unter ihren Schulunifromsrock machte, hielt sie ihn an den Handgelenken fest.
»Halt! Waffenstillstand!«, rief sie aus. »Ich habe dir was mitgebracht, das wird dich hoffentlich milde stimmen.«
Kritisch beäugte er die Verpackung auf die Kagami-chan deutete und wandte sich dann wieder ihr entgegen.
»Ich hab schon Hunger, aber nicht unbedingt darauf«, raunte er bedrohlich. Da stellten sich ihr sofort die Nackenhaare auf und sie sah ihn an, wie ein scheues Reh, welches in den Lauf eines Jagdgewehres blickte.
»I-ich ... ähm ..., d- ...«, ihr Hirn versagte ihr nun vollends den Dienst und schaltete auf Notversorgung. Atmen ging gerade noch so, aber es verschlug ihr die Sprache und sie hatte das Gefühl ihr Herz hätte kurz ausgesetzt. Ihrem kleinen Ich erging es ganz ähnlich, es hatte sich die Safari-Klamotten übergezogen und machte sich mit einer Machete bewaffnet durch den imaginären Dschungel, nur um sich einem schwarzen Panther gegen über zu wissen, welcher sie hungrig anstierte. Liebe Mietze, ganz brave Mietze, bleib schön sitzen.
Schließlich grinste Aomine sie nur hämisch an und setzte sich aufrecht neben sie, nachdem er Kagami-chan half sich ebenfalls wieder aufrecht hin zu setzten.
»Ich heb mir den Nachtisch für später auf«, sagte er nüchtern und tippte ihr frech auf die Nase, ehe er sich die Styroporpackung nahm. Nun versagte ihrem kleinen Ich vollends der Kreislauf und es lag mit Kreuzen in den Augen auf dem Boden vor der Raubkatze.
Diagnose: Herzversagen. Nicht mehr zu retten, Klinisch tot.
Tja, was sollte sie daraufhin sagen? Schwer schluckte sie um wieder einigermaßen atmen zu können, während der Blauhaarige die Packung öffnete und den Inhalt kritisch musterte.
»Wer hat das gekocht?«, fragte er skeptisch und stocherte mit den Essstäbchen vorsichtig darin herum.
»Das ist von unserem Stand«, sagte sie und verstaute ihre Kamera wieder.
»Das war nicht meine Frage.«
»Du wirst es überleben«, murrte sie und verdrehte die Augen.
Ohne weiter auf ihre Kommentare einzugehen genehmigte er sich den ersten Bissen und sah mit ernster Miene auf den Rest.
Als sie seinen Gesichtsausdruck sah wurde sie stutzig.
»Stimmt irgendetwas nicht? Ist es schon kalt?«, fragte der Rotschopf.
»Nein, das ist es nicht.«
»Sondern?«, fragte sie genervt und strich sich den Rock glatt, damit er nicht auf dumme Gedanken kam, da sie heute keine Leggins tragen durfte.
»Das ist, ... erstaunlich gut. Hat dir das jemand vorgekocht und du hast es aufgewärmt?«
»Das hinterlässt nun einen riesen Kratzer auf meinem Ego«, knurrte sie.
»Ernsthaft? Das hast du gekocht?«
»Und Momo und Suki«, ergänzte die Fotografin nickend.
»Satsuki? Die kann nicht kochen.«
»Aber Gemüse schneiden.«
Das nahm Aomine schulterzuckend hin und aß weiter. Die Erleichterung darüber, dass es ihm schmeckte war ihr deutlich anzusehen und ein leichtes Lächeln glitt ihr übers Gesicht.
Ihre Gedanken schweiften nun leicht ab und sie sah in die Ferne, von hier oben hatte man wirklich einen schönen Blick auf die Umgebung. Die Dächer der kleinen Häuser, die sich um die Schule sammelten lagen wie ein Mosaik vor ihr. Ab und zu flog ein Vogel todesmutig über die Baumwipfel und Dächer, nur um trällernd in einem rasanten Tempo wieder zu verschwinden.
Nach einer Weile wandte sich der Rotschopf dem Power Forward wieder entgegen und strich sich eine widerspenstige rote Haarsträhne hinters Ohr.
Eigentlich wollte sie Kaious und Momois Rat befolgen und mit ihm darüber reden, wie es nun weiter ging, aber sie wusste nicht, wie sie anfangen sollte und so wandte sie sich wieder ab. Sie konnte nicht aus heiterem Himmel so ein Thema anschneiden, aber irgendwann musste es ja mal geklärt werden.
Schwer seufzte sie auf und legte ihr Kinn auf die angezogenen Knie.
Man konnte es sich natürlich auch unnötig schwer machen.
Ihr unschlüssiges Verhalten entging auch Aomine nicht und er legte die Styroporpackung bei Seite und lehnte sich etwas zurück, indem er sich mit den Händen abstützte.
Kritisch beäugte er den Rotschopf, doch sie machte auch weiterhin keine Anstalten, ihm zu sagen was sie so beschäftigte. Nun war es an ihm schwer zu seufzen, doch ergriff er im Gegensatz zu Kagami-chan, anschließend das Wort.
»Sag mal, wie soll es jetzt eigentlich weiter gehen?«
Sichtlich perplex über diese Frage blinzelte sie ihn geradezu erschrocken an. Unbehagen schlich sich in ihren Blick, doch sie entspannte ihre Körperhaltung wieder und setzte sich bequemer hin.
Schulterzuckend stieß sie gefrustet die Luft aus und sah wieder in die Ferne.
»Ich weiß nicht genau«, antwortete sie wahrheitsgemäß, es konnte ihr nur Recht sein, dass er das Thema als Erstes ansprach, doch, obwohl sie sich darüber bereits Gedanken gemacht hatte, fiel ihr keine vernünftige Antwort ein. Sie hatte wirklich keine Idee oder Vorstellung, wo das hinführen sollte.
»Also hast du dir darüber noch keine Gedanken gemacht?«, fragte er weiter, ein leicht erwartungsvoller Unterton bekleidete seine Worte und dieser Ton entging der Fotografin nicht.
»Doch schon, ... aber ...«
»Schon gut«, sagte er schließlich und beugte sich wieder vor. Nun bereute er es gefragt zu haben, doch sie fuhr unbeirrt fort.
»Es ist nur so, ich habe schon darüber nachgedacht, aber ich bin mir etwas unschlüssig. Ich weiß nicht, wie ich es richtig mache, ohne noch mehr Ärger zu verursachen.«
»Wie du es richtig machst?«, fragte er fast spottend. »Schon vergessen? Wir haben beide das Fadenkreuz auf dem Rücken und sind zum Abschuss freigegeben«, erinnerte er sie. »Also werden wir das auch irgendwie hinbekommen.«
Überrascht blickte sie ihn an.
Was er soeben sagte war wie Balsam für ihre geschundene Seele, unbewusst stieg ihr nun eine leichte Röte in die Wangen. Unsicher wie sie das nun verarbeiten sollte, nickte sie zögerlich und pflichtete ihm stumm bei.
Irgendwie spürte er wohl, dass es sie noch immer verunsicherte. Diese unheimliche Anspannung, sie wollte einfach nicht verschwinden, wie ein bleierner Nebel umwaberte es die beiden Schüler und drohte sie zu ersticken, schier zu zerquetschen.
Erneut seufzte Aomine gedehnt und richtete, nach einem Augenblick der Stille, erneut das Wort an sie.
»Wenn es für dich einfacher ist, sollten wir es vorerst geheim halten.«
Überrascht über seinen Vorschlag blieb Kagami-chan der Mund offen stehen und sie sah ihn mit einem undefinierbaren Blick an, der Erleichterung, aber auch leichte Fassungslosigkeit widerspiegelte. Gleichsam schien förmlich eine riesen Last von ihren Schultern zu fallen und sie veränderte ihre Körpersprache. Sie war sichtlich hin und her gerissen, von diesem Vorschlag.
»Wieso?«, diese Frage ihrerseits stand in einem viel zu deutlichen Wiederspruch zu dem, was ihre Augen sagten. Doch der Blauhaarige zuckte lediglich kurz mit den Schultern.
»Solange Shirahama so eine Unruhe verbreitet und die beiden Clubs auf dem Schirm hat, sollten wir die Sache nicht unnötig kompliziert machen, oder gar verschlimmern. Der Ansicht bist du doch auch, oder?«
Das entlockte ihr doch glatt ein zaghaftes Lächeln und sie bestätigte seine Vermutung mit einem Nicken.
Nun war es an ihm, dass seine Gesichtsfarbe sich leicht veränderte und einen zarten Rotton annahm, es war ziemlich ungewohnt sie so lächeln zu sehen, sie sah nicht so ernst und angestrengt aus, auch ihre Rüstung aus Provokation schien in dem Moment von ihr abgefallen zu sein. Sie wirkte eigenartig entspannt und das schien irgendwie auf ihn umzuschlagen. Es kribbelte ihn plötzlich in den Fingerspitzen.
Was war nur plötzlich los mit ihm? Ihn ergriff mit einem Male das unbändige Verlangen sie zu Boden zu drücken und ...
»Was ist los?«, holte ihn plötzlich der besorgte Tonfall des Rotschopfes aus seinen Gedanken, ehe sein Kopfkino vollends aus den Fugen lief und sich selbstständig machte. Stirnrunzelnd blickte sie ihn aus ihren dunkelroten Augen an. Schnell schüttelte er diese wirren Gedanken ab, doch irgendwie gehorchte sein Hirn ihm nicht und gab das Kommando seinen Gedanken laut aus zu sprechen. Völlig aus den Kontext gerissen warf er ihr unverblümt die Worte an den Kopf.
»Ich würd gern mit dir schlafen.«
Perplex und fassungslos stierte sie ihn aus weit geöffneten Augen an, unfähig auch nur einen Mucks zu machen, für gefühlte, endloserscheinende Sekunden starrte sie ihn nur an, doch Kagami-chan fasste sich recht schnell wieder und erwiderte nüchtern.
»Und ich würde gerne mal im Lotto gewinnen.«
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Camera Obscura
FanfictionAlles läuft so schön mit Anlauf gegen den Baum, erst macht Haruka einen Abflug von der Treppe und landet prompt in den Armen eines fremden Jungen, dann verschlägt es sie auf eine Schule und in eine Klasse in der man sie ansieht als wünsche man ihr d...