Falsche Kälte

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Der Weg von der Schule nach Hause und umgekehrt, wurde immer anstrengender. Nicht nur, weil das Laub auf der Treppe ihr immer zu einen Riegel vorschob und sie zu sabotieren versuchte, sondern weil ihr Knie in letzter Zeit, unangenehm Wetterfühlig war und sich ab und an meldete. Vorsichtig stieg Kagami-chan die Treppe hinab. Vor etlichen Monaten war sie hier herunter gestürzt und fiel prompt Aomine in die Arme. Wieso sie ausgerechnet jetzt darüber nachdachte, konnte sie sich selbst nicht erklären. Es beschlich sie plötzlich so ein undefinierbares Gefühl, welches sie zwang sich daran zu erinnern. Hier und jetzt. Über diese Erinnerung musste sie lachen. Damals hätte sie nicht einen Gedanken an einen Jungen verschwendet, egal wie er war, oder WER. Aber in letzter Zeit, drifteten ihre Gedanken auffällig oft zu ihm ab.
Umso mehr beschäftigte es sie, dass er sie auffällig anflirtete, oder war das nun einmal seine Art auszudrücken, wie sehr er eine Abneigung bestimmten Personen gegenüber hegte? Schließlich konnte sie auch gute Miene zum bösen Spiel machen, wenn es darauf ankam. Klar, sie waren nicht unbedingt die besten Freunde, aber sie kamen immerhin, mehr schlecht als recht, miteinander aus. Das er so oft unter die Gürtellinie austeilte, nervte sie nicht zwingend, es schien sie in letzter Zeit, eher zu verletzten ..., ja, verletzten war das richtige Wort. Ab und zu, zermürbte sein Verhalten sie. Die Rothaarige fand es dann schlicht gemein. Aber was interessierte es sie? Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie drauf gepfiffen, wer was von ihr hielt, oder wer wie mit ihr umsprang. Las sie nicht genau zwischen den Zeilen? Oder lasen die anderen zu VIEL dazwischen? Egal wie Kagami-chan es drehte und wendete, diese Verbalen- Catfights hatten etwas, das ihr wirklich Spaß machte, auch wenn es sie manchmal verletzte, es war ein gewisser Reitz sich mit ihm anzulegen. Was waren das denn plötzlich für Gedanken?! Erschrocken über sich selbst, fuhr sie sich durch die Haare und atmete hörbar aus. Gestand sie sich jetzt allen Ernstes ein, dass ihr etwas an den Zankereien lag? Nein, das konnte doch nicht sein? Was war denn nur los mit ihr?! Bestand ihr Hirn wirklich nur noch aus unbrauchbarem, grauem Matsch? Schnell schüttelte sie diesen wirren Gedanken ab, aber es ließ sie nicht los.
Plötzlich beschlich sie ein böser Gedanke. Sollte Kaiou recht haben und sie hatte wirklich mehr für den protzigen Power Forward übrig, als sie sich eingestand?
Kurz hielt sie auf der Treppe inne, drehte sich kurz um und blickte die restlichen Stufen hinauf. Es war ein ähnlicher Tag wie dieser, nur bei weitem nicht so kalt und ungemütlich. Gerade bei diesem Wetter konnte sie sich nicht damit anfreunden, dass die Mädchen nur so kurze Röcke tragen durften, aber sie hatte ohnehin ihren kleinen Wärmekiller namens "Leggins", da war es noch ein wenig zu ertragen. Endlich Ablenkung, Schuluniform. Die Blätter schwebten wie schwerelos über die Stufen, aufgewirbelt von dem leichten Wind. Ja, sie fühlte sich wirklich ein wenig an diesen Tag erinnert. Sich wieder dabei erwischend, wie sie daran dachte, schoss ihr die Röte in die Wangen und sie machte sich weiter auf den Weg nach unten. Das war es auch schon mit der Ablenkung.
Jetzt ist aber gut!, mahnte Kagami-chan sich selbst. Wieso konnte sie sich einfach nicht ablenken? Vielleicht sollte sie wirklich nach der Arbeit zu Kaiou gehen, die hatte eigentlich immer irgendeinen dummen Ratschlag. Seltsamerweise nahm sich die Rothaarige den einen oder anderen Ratschlag zu Herzen. Behände machte sie einen weiteren Schritt und wie sollte es auch anders sein, rutschte sie auf dem Laub aus und verlor das Gleichgewicht. Wild mit den Armen rudernd versuchte sie ihr Gleichgewicht zu wahren, doch die letzten vier Stufen nahm sie nicht zu Fuß. Ein kurzer Aufschrei entfuhr ihr, ehe sie spürte, wie sie vornüber fiel. Doch wie aus dem Nichts packten zwei kräftige Arme sie und sie riss ihren Fänger mit zu Boden. Ein von Schmerz gezeichnetes Stöhnen entwich beiden, ehe sie auf dem kalten, nassen Boden aufprallten und sie der Länge nach auf dem Jungen lag. Dieser rieb sich die schmerzende stelle am Hinterkopf und in dem Augenblick, als sie erkannte, wer sie dieses Mal fing, entglitten ihr alle Gesichtszüge.

»Jetzt sag schon. Lass dir nicht alles einzeln aus der Nase ziehen«, drängte Momoi ihre Freundin ungeduldig. Doch Kaiou lächelte sie nur geheimnisvoll an und sah in den Wolkenverhangenen Himmel.
»Ja, ok. Es ist jemand den du kennst«, gestand die Azurblauhaarige schließlich.
Ein begeistertes Glitzern breitete sich in den rosa Augen der Managerin aus.
»Wer ist es, jetzt sag schon.«
»Das kann ich nicht. Wirklich«, beschwor Kaiou. »Es ist noch zu früh um etwas zu sagen. Aber ich halte dich auf den Laufenden, ok?«
»Ok, ...«, sagte Momoi kapitulierend, doch so schnell ließ sie dann doch nicht ab. »Habt ihr den bald eine Verabredung?«
Erschrocken blickte Kaiou ihre Freundin an und nickte schließlich vorsichtig.
»Ja, irgendwie schon ... also ...«
»Ist es jemand von den Senpais?«
»Nein.«
»Aus unserer Klassenstufe?«, fragte Momoi weiter.
»Nein.«
»Geht er auf eine andere Schule?«
»Satsuki, jetz lass das!!«, fuhr Kaiou ihre Freundin nun ungehalten und mit hochrotem Kopf an.
»HA!!! Erwischt!!«, lachte die Managerin und klatschte triumphierend in die Hände. »Und wenn du es mir nicht sagst, find ich es ohnehin heraus.«
»Versuch es doch«, brummte die Journalistin und ging unbekümmert weiter ihres Weges.

»Kagami«, kam es erschrocken von dem Jungen, auf dem sie lag. Schnell stemmte sie sich hoch und versuchte sich aufzusetzen. Verlegen kratzte sie sich am Hinterkopf.
»Entschuldige, die Schwerkraft ... du verstehst?«, sagte sie grinsend und reichte ihn eine Hand, dass er sich zumindest auch wieder aufrecht hinsetzten konnte.
»Passiert dir das öfter?«, fragte er und deutete auf die Treppe, an dessen Fußende sie saßen.
»Hm? ... Ja, irgendwie schon«, gestand sie und musterte den blonden Center, der sie gefangen hatte. »Wenn du nicht zufällig hier lang gegangen wärst, wäre ich vermutlich ziemlich unsanft gelandet, Wakamatsu.«
»Wohl wahr«, sagte der blonde Hüne, erhob sich schließlich und nahm sie an der Hand um ihr auf zu helfen.
»Danke«, entfuhr es ihr lachend. »Schon komisch, diese Treppe ist echt heimtückisch.«
»Du bist hier schon öfter runtergestürzt?«, fragte er und runzelte skeptisch die Stirn. »Da hattest du aber bisher echt Glück, dass dir nichts weiter passiert ist. Schon mal überlegt einen anderen Weg zu nehmen?«
»Naja, ... Faulheit treibt mich dazu hier lang zu gehen, es ist einfach der kürzeste Weg nach Hause«, sagte die Rothaarige ehrlich. »Und bisher hatte ich immer jemanden, der mich irgendwie gefangen hat.«
»Aha, ...«, kam es von Wakamatsu. »Du meinst jetzt aber nicht diesen Blödmann Aomine, oder?«
Überrascht blickte sie den Hünen an und nickte dann vorsichtig.
»Woher weißt ...«
»Dein erster Schultag. Als Momoi dich vorgestellt hat. Er hat sich drüber lustig gemacht, dass er dich gefangen hat«, sagte er knurrend und schob die Hände in die Hosentaschen. Beeindruckt darüber, dass der Center sich daran noch erinnerte, legte sich ein leichtes Lächeln auf ihr Gesicht. Plötzlich schoss ihr eine Idee durch den Kopf und sie zupfte kurz an Wakamatsus Ärmel um auf sich aufmerksam zu machen, weil er noch immer zur Treppe hinauf sah. Überrascht blickte er zu ihr herunter.
»Kann ich mich irgendwie bei dir bedanken?«, fragte sie ernst.
Verwirrung legte sich auf sein Gesicht, wieso fragte sie denn so etwas?
»Ähm ... also ...«
»Zum Beispiel mit einem Milchshake? Immerhin hast du dafür gesorgt, dass ich mir nicht irgendetwas breche ... «, beschämt sah sie nun zur Seite. » ... und außerdem hast du dir den Kopf gestoßen.«
Aha, schlechtes Gewissen, schoss es ihm durch den Kopf, doch er schenkte ihr eines seiner seltenen Lächeln.
»Ich hab es ja überlebt.«
»Das war jetzt keine Antwort.«
»Ok, wie du willst, wenn du dich danach besser fühlst.«
»Ja, mein Gewissen wäre auf jeden Fall ruhig gestellt«, gestand sie und somit machten die beiden sich auf den Weg.
Als sie sich schließlich in Majin einen Platz gesucht hatten, nachdem Kagami-chan Wort gehalten hatte und ihn einlud, sah sie ihm an, dass ihn irgendetwas wurmte. Vorsichtig und mit entsprechendem Bedacht fragte sie.
»Was ist denn los? Du wirkst irgendwie ... unzufrieden.«
»Unzufrieden?«, fragte er. »Hm, ... nicht ganz.«
»Willst du drüber reden?«
»Ich weiß nicht, ob du neutral genug dafür bist«, sagte er und nahm einen langen Zug von dem Milchshake.
»Ich bin für die anderen Schüler wie Schall und Rauch, mehr Ignoranz, als mir zu Teil wird, gibt es nicht auf der Tōō-High. Also denke ich schon, dass ich neutral genug für gewisse Dinge bin«, sagte sie nüchtern und hob eine Braue. »Und wenn du sagst es ist vertraulich, erfährt es ohnehin niemand.«
»Du arbeitest für die Schülerzeitung«, sagte er skeptisch.
»Als Fotografin.«
»Gutes Argument«, sagte der Blonde schließlich und öffnete die Pommespackung. »Ok, das mit Shirahama beschäftigt mich etwas.«
Verwirrt und sichtlich überrascht legte die Rothaarige die Stirn in Falten und schob ihren Becher von der einen in die andere Hand.
»Shirahama? Was ist mit ihr?«
»Sagen wir, ich bin etwas ... enttäuscht von ihr.«
»In wie fern?«, doch sie konnte es sich schon fast denken. Mit "enttäuscht", meinte er sicherlich die Zigarettenaktion.
»Offen gesagt, fand ich sie ziemlich interessant, du weißt schon, wie man halt jemanden interessant findet.«
»Ja«, log die Fotografin. Verdammt, und wie sie es NICHT wusste, sie war so ziemlich die einzige Person, die überhaupt nicht wusste, was das mit diesen ganzen Gefühlen sollte und wieso das alle immer so überbewerteten.
»Du magst sie, oder?«
»Ehrlich gesagt ja, ... früher, bevor sie so ... unausstehlich wurde«, sagte er.
»Und jetzt?«
»Du machst Witze, oder? Ausgerechnet SIE hat mir die Zigaretten unterschieben wollen«, entfuhr es ihm gereizt.
»Das heißt nicht zwingend, das du das Interesse an ihr verloren hast« Wie komme ausgerechnet ich dazu Beziehungsratgeberin zu spielen?, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf und ihre kleine Miniausgabe, die sich in ihren Gedanken breit machte, schwang mahnend den Zeigefinger hin und her, während sie den Kopf schüttelte.
»Zugegeben, sie hat ihren Reiz. Aber das hat sich ohnehin alles erledigt«, langsam lehnte er sich zurück in den Stuhl. »Sowas Hinterhältiges, das ist mir zu gefährlich.«
»Zumal sie das alles wegen einem anderen gemacht hat«, sagte sie und nahm einen Schluck, den sie jedoch schnell erschrocken runter schluckte. Scheiße!! Voll in den Fettnapf gelatscht! »Ich meine, also ...«
»Keine Panik, ich weiß, wie du das meinst«, sagte er beschwichtigend. Es überraschte sie, dass sie so normal mit ihm reden konnte. Sonst war er eher sehr aufbrausend, geradezu cholerisch. Vermutlich tat es ihm ganz gut darüber zu reden.
»Hast du schon mal mit jemand anderem darüber geredet? Zum Beispiel mit Imayoshi-senpai?«, fragte sie ernst. Doch den Blick, den er ihr nun schenkte, ließ sie kurz erschaudern.
Ihr inneres Ich, schien sich gerade irgendwie für sich selbst zu schämen, sie sah es förmlich vor sich, wie sie vor einem Napf stand, bis zum Rand gefüllt mit Fett und ihr kleines Ich unschlüssig davor stand. Oh, sieh einer an, noch ein Fettnapf, da kann ich auch gleich nochmal rein treten, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
»Ich kann doch nicht mit Imayoshi darüber reden, immerhin war die Aktion nur wegen ihm. Und außerdem wie sehe das aus, zumal sie auch noch älter ist als ich. Das ist albern.«
Scheiße was soll der Geitz?, sagte ihr kleines Ich, zuckte mit den Schultern und nahm behände Anlauf. BAUCHPLATSCHER!!!
»Das ist ein Grund, kein Hindernis«, grummelte sie. Kurve nochmal gekriegt, nun streif dir das Fett ab und halte nach dem Nächsten Fass Ausschau.
»Ja, ... da hast du Recht. Aber wie gesagt, das hat sich nach der Aktion vor ein paar Monaten erledigt.«, sagte er einlenkend.
»Ach, mach dir nichts draus. Irgendwo wird schon eine rumrennen, die nicht so ... kreativ ist«, sagte sie nüchtern. »Mach einfach die Augen auf, wer weiß, vielleicht ist sie hier irgendwo.«
Das ihm leicht die Röte in die Wangen stieg, bemerkte die Rothaarige viel zu spät, fragend blickte sie ihn an, als er sich nervös eine Pommes nahm.
»Versteh das nicht falsch, Kagami. Aber naja, ... also, ... du ähm ...«, stammelte er ungewohnt unruhig.
Nichtverstehend blickte sie ihn an und blinzelte verwirrt.
»Was?«, fragte sie trocken.
»Nun, ähm ... du bist nicht mein Typ.«
Über diese Äußerung klappte ihr der Mund auf und sie sah ihn sprachlos an, bis sie los kicherte und aus dem Kichern ein Lachen wurde. Nun war es an ihm verwirrt drein zu schauen, bis sie sich schließlich wieder beruhigt hatte und tief durchatmete.
»Ach Wakamatsu. Da hast du jetzt aber etwas ganz falsch verstanden«, sagte sie langgezogen und rieb sich eine imaginäre Träne aus den Augen. »Ich meine doch nicht mich.«
»Oh ... dann, ähm ... tun wir so als hätte ich das nie gesagt«, schlug er vor.
Dieser Fettnapf gebührte nun ihm und er hatte ein ausgiebiges Bad darin genommen.
»Ich weiß gar nicht, was du meinst«, sagte sie gespielt und trank erneut etwas von ihrem Milchshake, dankbar nickte er und lächelte leicht. Das war einer dieser typischen Momente, in denen man gut und gerne an einander vorbei redete.
»Tja, es gibt eben nicht nur fair spielende Leute«, sagte er abschließend und verputzte eine weitere Pommes.
»Dein Wort in Gottes Ohr«, raunte Kagami-chan frustriert und nippte genervt an ihrem Milchshake. »Es gibt Leute, von denen lässt man lieber die Finger.«
»Darf ich dir mal eine ehrliche Frage stellen?«, fragte Wakamatsu daraufhin ernst. Gespannt darauf, was das wohl sein könnte, nickte sie.
»Klar, immer raus damit.«
»Was ist das wirklich zwischen dir und Aomine?«
Hätte sie nicht vor lauter Überraschung vergessen weiter zu atmen, hätte sie sich vermutlich wieder verschluckt. Aber stattdessen, schob sie ihren Shake bei Seite und legte ihr Kinn in die hohle Hand, welche sie auf der Tischplatte abstützte.
»Antipathie, das ist zwischen uns«, antwortete die Fotografin gelangweilt. »Und viel Frustpotenzial. Wieso fragst du?«
»Naja, ich weiß natürlich, dass diese Gerüchte nur Gerüchte sind, aber manchmal ... naja, da könnte man schon denken, dass zwischen euch beiden mehr ist.«
Fing er auch schon damit an? Unfassbar! Doch Kagami-chan versuchte weiter die Gleichgültige zu mimen und spielte nun gelangweilt mit ihrem Pappbecher.
»Ehrlich gesagt, keine Ahnung. Eigentlich nicht. Er kann mich nicht sonderlich gut leiden und das lässt er mich bei jeder Gelegenheit spüren.«
»Er ist ein Arsch«, kommentierte Wakamatsu knurrend.
»Du sprichst das offensichtliche aus«, sagte sie grinsend.
Schulterzuckend nahm er dies hin und aß seine Portion Pommes.
Nach dem die beiden sich schließlich noch über Gott und die Welt unterhielten, machten sie sich gemeinsam auf den Weg zum Ausgang.
»So, mein Gewissen ist bereinigt«, sagte sie und streckte sich ausgiebig.
»Früher nannte man das Ablasshandel. Freikaufen von Sünden.«
»Da hat aber jemand gut in Geschichte aufgepasst«, feixte sie. »So, ich sollte dann mal Heim gehen.«
»Pass auf der Treppe auf, dieses Mal bin ich nicht da, um dich zu fangen.«
»Ja, wird schon gut gehen, also dann, mach's gut«, verabschiedete sie sich und ging davon.
»Hey, Kagami.«, sagte er noch einmal schnell und sie wandte sich daraufhin wieder zu ihm um.
»Ja?«
»Danke, für's Zuhören.«
Ein verstehendes Lächeln glitt über ihr Gesicht.
»Wenn du mich öfter fängst, hör ich dir öfter zu«, entgegnete sie.
»Klingt nach 'nem Deal.«


Laut ertönte die Schulglocke und läutete den Beginn der Stunde ein. Ohne lange und unnötige Worte zu verlieren, erklärte der Lehrer die nächste Aufgabe. Ein Wochenprojekt, dass in Zweiergruppen erarbeitet werden sollte. Sofort wechselten Momoi und Kagami-chan einen Blick. Das war die Gelegenheit sich ganz einfach eine gute Note zu holen. Doch der Lehrer hatte andere Pläne.
»Ich werde die Zweiergruppen selbst zusammenstellen, wie ich es für das Beste halte, damit ihr euch ergänzt«, sagte der Lehrer und kramte ein paar Papiere heraus. Daraufhin begann er sofort die Gruppen aufzurufen und einzuteilen. Als nur noch wenige Schüler übrig waren drückten Momoi und die Fotografin gleichzeitig die Daumen, doch der Lehrer riss beide in ein tiefes Loch.
»Kagami-san, Aomine-san«, sagte er nüchtern.
Perplex riss Aomine den Kopf hoch, den er bis eben noch auf der Tischplatte liegen hatte und sah den Lehrer missmutig an.
Sein Gesichtsausdruck sprach Bände.
Willst du mich irgendwie verarschen?!, durchfuhr es ihn und er hätte es dem Lehrer am liebsten laut entgegen gerufen. Leises Kichern drang durch die Reihen der Schüler. Auch Kagami-chan sah reichlich überrumpelt aus. Ein gefrustetes Stöhnen entwich ihr, ehe sie einen kurzen Blick mit Momoi wechselte, die sie nur Schulterzuckend anlächelte.
GOTT! FÜR WAS STRAFST DU MICH SO!?, schrie ihr inneres Ich und sie ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Das war doch nicht sein Ernst, der Lehrer konnte doch nicht wirklich Aomine als ihren Partner eingeteilt haben.
Aber immerhin schien er genauso "begeistert" zu sein, wie sie. Dass die Klassenkammeraden so wissend und heimtückisch kicherten, passte ihr so gar nicht, aber was verlangte sie auch von denen? Es waren 16 bis 17 Jährige, die sich köstlich darüber amüsierten, eine Neuigkeit rum zu erzählen und die Situation mit der altersgerechten Naivität und Blauäugigkeit zu analysieren. Sie ahnte schon was auf sie zu käme, bestimmt würde er jetzt diese eine Woche "Hausaufgaben" einlösen und sie stand mit dem blöden Aufsatz alleine da. Schwer seufzend schaute sie wieder auf.
ATTACKE HÜÜ!!

Obwohl ihr das viel zu anstrengend war, nahm sie sich zusammen und ging nach der Schule auf den Power Forward zu. Versuchte eine professionelle Miene aufzusetzen und hielt ihm den Stoß Blätter hin, die der Lehrer ausgeteilt hatte. Eine Augenbraue hebend beäugte er diese kritisch.
»Hast du dir schon ein Thema ausgesucht?«, fragte er nüchtern.
»Nein, immerhin sind drei vorgegeben und ich werde das nicht alleine entscheiden.«
»Such dir eins aus, ich mach dann einfach mit.«
Sichtlich überrascht hob sie eine Braue, damit hatte sie nun gar nicht gerechnet.
»Was schaust du so überrascht?«
»Naja, ...«, begann sie. »Willst du wirklich mitmachen?«
Nun war es an ihm skeptisch zu schauen.
»Wieso nicht?«
Schnell wog sie ab, ob sie ihn an die Wette und deren Einsatz erinnern sollte, doch als sie weiter schwieg, nahm er ihr die Worte aus dem Mund.
»Wenn du auf die Wette anspielst, das heb ich mir noch ein wenig auf«, sagte er trocken.
Noch länger?!
Nun war es ganz vorbei und ihr entglitt vollends die Mimik. Im Vorbeigehen nahm Aomine ihr die Blätter ab und schlug ihr damit leicht auf den Scheitel.
»Schau nicht so, komm lieber, es wartet Arbeit.«

Wieso muss ich dieses Referat ausgerechnet mit ihm machen? Momoi sitzt doch neben mir?, missmutig warf Kagami-chan Aomine einen beleidigten Seitenblick zu. Dass der Lehrer Aomine zu ihrem Arbeitspartner gemach hatte, war ihr nicht geheuer. Er machte nämlich nicht den Eindruck, dass es ihn besonders interessierte. Genervt stöhnte sie auf und sah zu, wie ihr Atem in der kühlen Abendluft kondensierte. Man spürte langsam mit aller Gewalt, dass es mit großen Schritten auf den Herbst zu ging. Schweigend gingen die beiden nebeneinander her. Kurz hatten sie darüber gesprochen, welches der drei vorgegebenen Themen sie wohl am besten nehmen sollten. Aber das war ziemlich schnell geklärt und seit dem gingen die beiden eigentlich nur stumm nebeneinander her. Ein kühler Wind zog auf und kitzelte die Rothaarige in der Nase. Schnell drehte sie sich weg und ließ ein leises Niesen hören. Fragend warf Aomine ihr einen Blick zu.
»Was war das denn?«, fragte er.
»Was? Ach, ich hab nur kurz geniest. Es wird langsam kälter«, sagte sie feststellend. »Und dunkel ist es auch schon«, prüfend sah sie auf die Uhr. Es war kurz nach 19 Uhr, aber schon stockdunkel.
»Es geht ja auch auf den Herbst zu«, stellte er nüchtern klar. Genervt warf sie ihm einen Blick von der Sorte "Ich-weiß" zu und beließ es dabei, doch ein weiteres Niesen ließ sie erschaudern.
»Das klingt, als hättest du dich erkältet.«
»Unsinn, ich werde nie krank«, sagte sie und putzte sich die Nase.
Dies nahm er mit einem Brummen zur Kenntnis, doch als sie ein weiteres mal geniest hatte, stöhnte er genervt auf und wandte sich zu ihr um.
»Du hast einfach zu wenig an. Ich hätte dich für klüger gehalten«, sagte Aomine mit ungewohnter Strenge und hielt inne. Überrascht zuckte sie kurz zusammen, denn er hatte seinen Schal abgenommen und ihr diesen umgelegt.
Zum Glück war es schon dunkel und die Laternen verfälschten das Licht so, dass er nicht sehen konnte, dass sie rot wurde.
»Aber frierst du dann nicht?«, fragte sie verlegen und zupfte am Ende des Schals herum.
»Im Gegensatz zu dir, bin ich nicht erkältet«
»Das war keine wirkliche Antwort auf meine Frage«, sagte sie und rieb ihre Hände aneinander. Da schnappte er sich schneller eine ihrer Hände als sie "Cheese!" hätte sagen können.
»Von Handschuhen hast du auch noch nie etwas gehört, oder?«, meinte er tonlos.
Die Wärme, die von den Händen des Power Forwards kam, war angenehmer, als sie zugeben wollte. Langsam bekam Kagami-chan wieder etwas Gefühl in ihre klammen Finger. Ein ähnlich warmes Gefühl breitete sich auch in ihrem Bauch aus. Sie mochte die Berührung irgendwie. Wie seine großen, kräftigen Hände sich um ihre Finger schlossen und ihr etwas von seiner Wärme gaben.
»Ähm, also ... «, stammelte die Fotografin. Was war denn plötzlich los? Das letzte Mal, als ihr Hirn so aus Watte bestand, war im Sommercamp, als er ihr das Basketball spielen bei bringen wollte und beim Joggen und beim ..., ach wem machte sie eigentlich noch etwas vor?! Wenn sie ehrlich war, machten ihr Magen und ihre Knie ohnehin was sie wollten wenn er so ... zuvorkommend war.
»Komm schon, ich hab nicht den ganzen Abend Zeit.«, sagte der Blauhaarige schließlich und nahm ihre linke Hand fester in seine Rechte. Erneut schoss ihr die Röte in die Wangen, als er eine ihrer Hände gemeinsam in seine Jackentasche steckte. Wieso ließ er sie nicht endlich los? Und was war das plötzlich für ein gemeines Kribbeln in ihren Fingerspitzen?
Wieder schwiegen sie sich an, doch nach einer Weile sah Kagami-chan sich prüfend um. Zaghaft sah sie ihn von der Seite an. Sollte sie ihn vielleicht darauf ansprechen? Doch er schien es irgendwie zu ahnen.
»Was ist?«, fragte Aomine schließlich.
»Du wohnst in der anderen Richtung«, sagte sie feststellend.
»Ja und? Was willst du mir damit sagen?«
»Naja, ... wieso gehst du ... hier lang?«
Ein genervtes Seufzen entwich ihm.
»Es ist dunkel.«
Nun hob sie eine Augenbraue. DAS meinte er doch jetzt nicht ernst?
»Ich weiß, dass es dunk ...«, doch er unterbrach sie.
»Du bist nichtsdestotrotz, auch wenn du nicht immer so aussiehst, ein Mädchen«, sagte der Blauhaarige ungewohnt ernst.
Nun wurde sie auch noch verlegen. Schnell zog sie mit ihrer freien Hand den Schal von Aomine, über ihre Nase und versuchte ihre Röte dahinter zu verstecken. Dass er Kagami-chan wieder subtil beleidigte, ignorierte die Rothaarige einfach. Denn sie fühlte sich plötzlich wieder an das Camp und das Gespräch am See erinnert. Diese kurzen Momente, in denen er ihr eine ganz andere Seite von sich zeigte. Eine Seite, die sie irgendwie mochte. Nur war sie in der Hinsicht total unbeholfen, was sollte sie jetzt tun, wie sich verhalten, damit es nicht peinlich wurde? Sie mochte gar nicht daran denken, was wohl passierte, wenn sie plötzlich jemand so sah.
Oh Nein, raus aus meinem Kopf ihr fürchterlichen Gedanken!, mahnte sie sich selbst und hätte sich am liebsten irgendwo verkrochen.
»Kagami?«
Erschrocken fuhr sie leicht zusammen und zog die Schultern hoch zu ihren Ohren.
Mit überraschter Miene musterte das Basketball-Ass sie und das machte Kagami-chan noch unsicherer.
»Du brauchst dich gar nicht zu verstecken«, sagte er hämisch grinsend und zog ihr den Schal wieder etwas runter um sie genauer anzusehen.
War es Einbildung, oder begannen ihre Ohren zu verglühen? Dankbar schickte sie ein Stoßgebet gen Himmel, das es dunkel genug war und Aomine es vermutlich nicht sah. Doch er war ihr viel zu nah, sie konnte es nicht abstreiten, aber er machte sie nervös.
»Ich ... ähm ... sollte jetzt ...«, stammelte die Rothaarige und deutete auf ihre Haustür. Dabei griff sie nach dem Schal und wollte ihn wieder ablegen, doch Aomine legte ihr erneut eine seiner Hände auf ihre.
»Lass, gib ihn mir einfach bei Gelegenheit zurück«, mit diesen Worten zog er ihr den Schal wieder zurecht und hielte einen Moment inne. Die Rothaarige sah ihm deutlich an, dass er noch etwas sagen wollte und blickte ihn erwartungsvoll an. Doch es kam nichts. Schließlich räusperte er sich nur und ließ sie wieder los um sich auf den Weg zu machen. Aomine hatte noch keine drei Schritte in die andere Richtung gemacht, da griff ihn die Fotografin am Arm. Überrascht wandte er sich wieder zu ihr um und plötzlich war ihr, als hätte sie der Blitz getroffen. Erschrocken ließ sie ihn wieder los und versuchte sich zu sammeln, überlegte gehetzt, was sie gerade sagen wollte, bevor es ihr so die Sprache verschlug. Nach wenigen Sekunden, brachte Kagami-chan es schließlich über ihre Lippen.
»... Danke«, ebenso schnell wie sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen, versuchte sie auch Aomines anhand seiner Mimik zu lesen. Doch es war alles andere als leicht. Die Überraschung war aus seinem Gesicht verschwunden und er sah wieder so gelangweilt aus wie zuvor, nickte nur kurz und ging endgültig seines Weges. Eine Weile sah die Rothaarige ihrem Klassenkameraden nachdenklich nach, ehe sie hinein ging. Als der Blauhaarige hörte, wie die Tür sich schloss, wagte er noch einmal einen Blick zurück und ein leichtes Lächeln glitt über sein Gesicht und er musste erneut den Kopf schütteln. Manchmal wusste er wirklich nicht, was er von ihr halten sollte. Doch das beruhte vermutlich auf Gegenseitigkeit.

Als die Rothaarige die Haustür hinter sich geschlossen hatte, stand bereits ihre Tante breit grinsend vor ihr und sah sie erwartungsvoll an. Mit fragender Miene, legte Kagami-chan ihre Kleidung ab und zog sich die Schuhe aus.
»Darf ich fragen, auf was du wartest?«, fragte die Rothaarige und ging an ihrer Tante vorbei in richtung Küche. Flink wie ein Wiesel folgte ihr die Schwarzhaarige und stellte sich immer noch feixend neben ihre Nichte.
»Darf ich denn fragen, wer der junge Mann war?«, fragte Kagami-chans Tante neugierig.
Perplex starrte die Schülerin ihren Vormund an und ließ fast das Glas fallen, welches sie aus dem Schrank geholt hatte.
»Wie ... was ... welcher Junge?«, fragte die Jüngere scheinheilig und öffnete schnell eine Flasche Wasser. Ihre Tante stand doch nicht wirklich am Fenster und hatte sie beobachtet, ... oder doch?!
»Na der große Typ, der dich nach Hause gebracht hat. Wer ist das? Ich konnte es nicht genau sehen. Ist er sympathisch?«
»Nun, also ...«, begann Kagami-chan und räusperte sich, wobei sie bei dem Wort "sympathisch" am liebsten laut losgelacht hätte. »Er ist ein Klassenkamerad.«
»Aha ...«, ein schmieriges Grinsen zog sich über das hübsche Gesicht der Schwarzhaarigen. Eigentlich waren das reine Fangfragen, da sie Aomine ja schon ein paar mal gesehen hatte, was ihre Nichte in dem Augenblick wohl irgendwie zu verdrängen schien.
»Was?«, fragte die Fotografin, hob gespielt gleichgütlich die Braue und nahm einen Schluck Wasser.
»War das ein Date?«
Und prompt verschluckte sie sich. Die Frage kam wahrlich überraschend und traf Kagami-chan unvorbereitet. Hastig klopfte sich diese gegen den Brustkorb und stellte das Glas Wasser wieder ab, danach sah sie ihre Tante strafend an.
»Wo denkst du hin? Wir haben von der Lehrerin ein Referat aufgebrummt bekommen.«, erklärte ihre Nichte die eigentliche Situation.
»Also nennst du es lernen?«
Wieso verschwand dieses "möchte gern wissende Grinsen" nicht aus ihrem Gesicht?
»Ja.«
»Deshalb bringt er dich auch nach Hause?«
»Das ... das hat sich irgendwie so ergeben«, nun wurde es aber unangenehm und die Schülerin spürte, wie ihr die Röte in die Ohren stieg.
»Und der Schal? Du bist ohne raus gegangen.«
Noch eine Feststellung, diese Frau hatte Adleraugen und ein verflucht gutes Gedächtnis, verdammt!
»Der wurde mir geliehen«, sagte die Schülerin sichtlich nervös.
»Geliehen? Von ihm?«
»Jetzt ist aber gut. Frag doch nicht solche offensichtlichen Sachen«, entfuhr es ihrer Nichte peinlich berührt.
»Na komm schon, sag deinem Tantchen wer das war«, bettelte diese und sah sie mitleidig an. Ihre Tante war für sie weniger ein Vormund, viel mehr eine Freundin und so seufzte Kagami-chan resignierend.
»Das war Aomine«, sagte sie schließlich.
»Ha! Ich fass es nicht!«, rief sie lachend aus und verließ die Küche. »Was sich neckt, das liebt sich!«, trällerte ihre Tante heiter.
»Womit hab ich DICH verdient?!«, rief die Fotografin ihrer Tante nach und warf einen Blick aus dem Fenster. Sie wollte gar nicht wissen, was diese gesehen hatte und da hinein interpretierte. Doch die Schülerin wusste es besser, ... da war rein gar ... ... nichts.


Am nächsten Tag in der Schule wirkte die Rosahaarige irgendwie leicht genervt. Schwer seufzend lehnet sie sich in ihrem Stuhl zurück und wank Kagami-chan zu sich, die gerade die Tür herein kam.
»Guten Morgen«, sagte sie.
»Guten Morgen«, entgegnete Momoi und kam dann sofort zur Sache. »Entschuldige, aber ich konnte heute früh nicht auf dich warten.«
»Kein Problem, du hast doch eine Nachricht geschickt«, sagte die Fotografin leichthin.
»Ja, ... es ist nur so dass, Kaiou hat mir da was zugesteckt und das musste ich erst nachprüfen.«
»Aha .... Willst du mir sagen um was es ging?«
Erneut atmete die Managerin geräuschvoll aus.
»Rate doch mal wild darauf los.«
»Shirahama?«
»100 Punkte.«
»Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Nicht direkt mit ihr, aber es hat mit ihr zu tun. Eine ihrer "Freundinnen" hat sich wohl lautstark darüber ausgelassen, dass du mit Aomine dieses Referat machst. Sie hält es für ein abgekartetes Spiel, ihr Aomine-kun streitig zu machen.«
»Streitig machen?«
»Ja, schon vergessen? Die Pärchensache?«, half die Rosahaarige nach.
»Na wenn es weiter nichts ist, die kann ihn gerne haben«, sagte Kagami-chan grinsend. »Da ist er abgelenkt und lässt mich in ruhe.«
»Ist dir das denn wirklich so recht?«, fragte Momoi ernst.
»Wieso nicht?«
Nach einer Weile des Schweigens, zuckte die Rosahaarige lediglich mit den Schultern.
Natürlich war es Kagami-chan nicht einerlei. Irgendetwas in ihrem Magen fing an, dagegen zu rebellieren, was sie soeben erfahren hatte und wehrte sich gegen das was sie selbst sagte. Was war denn nur los? Irgendwie wurde sie mit einem Schlag eigenartig unruhig.

Gelangweilt ging er den Schulflur entlang. Er war erstaunlich früh in der Schule, für seine Verhältnisse. Den Abend darauf hatte er sich das Hirn zermartert, warum er schon wieder so irrational gehandelt hatte. Kein Wunder, dass die anderen laut tratschten, er gab ihnen ja immer wieder Futter. Genervt vor sich hin brummend, stieg er die Treppe hinauf, doch plötzlich griff ihn jemand bestimmend am Arm und zog ihn um die Ecke. Leichte Überraschung spiegelte sich für einen kurzen Moment in seinem Gesicht, ehe er finster zu ihr herab stierte.
»Was willst du denn?«, entfuhr es ihm unfreundlich und er riss sich von ihrem Griff los.
Hämisch grinsend machte sie einen Schritt zurück.
»Weißt du, Aomine-kun, ich hab da eine sehr gute Freundin, die sich gerne mal mit dir treffen würde«, säuselte die Brünette.
»Schön für sie und warum schickt sie dich?«, giftete er den Senpai an.
»Du würdest mir einen wirklich großen Gefallen tun, wenn du deine "Freundin" mal für ein paar Wochen, ... oder sagen wir Monate, ignorieren würdest.«
Skeptisch zog er die Stirn kraus.
»"Freundin"?«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass du weißt, wen ich meine. Also wie schaut es aus?«
»Schlecht, weil ich nicht wüste wieso«, entgegnete er grantig und wollte schon wieder gehen.
»Ich sehe du brauchst einen Anreiz«, sagte Shirahama ernst. Daraufhin wandte er sich wieder zu ihr um. »Ich hab da den ein oder anderen Freund der mir einen Gefallen schuldig ist, unteranderem jemand der im Schülerrat sitzt.«
»Soll das eine Drohung sein, Shirahama?«, fragte er bedrohlich und ging wieder auf sie zu.
»Was? Nein, niemals!«, sagte sie gespielt entrüstend. »Eher ein kleiner ... gut gemeinter Hinweis. Du weißt schon.«
»Sag endlich was dein Problem ist.«
»Dieser Rotschopf, der ist mein Problem und ich will, dass du ihr verdammt noch mal nicht so viel Aufmerksamkeit schenkst. Damit würdest du meiner Freundin wirklich einen großen Gefallen tun. Du weißt doch genauso gut wie ich, dass Kagami nur ein kleiner Fisch ist. Was du suchst sind die Haie, nicht die Guppys.«
»Dir kann egal sein, was ich suche.«
»Ach komm schon«, quengelte sie. »Du willst doch nicht, dass raus kommt, dass jemand einen Betrugsversuch bei der Zwischenprüfung startet, oder?«
Nun verfinsterte sich seine Miene und er packte sie am Arm.
»Hör mir mal genau zu, du hinterhältiges Miststück ...«, fuhr er sie knurrend an, doch sie riss sich los und unterbrach ihn.
»Vorsicht Großer«, giftete sie zurück und machte nun einen selbstsicheren Schritt auf ihn zu. »Ich kann eure gesamte Mannschaft und den Journalistenclub in Verrufung bringen, wenn du es drauf anlegst, ... Aomine-kun.«, säuselte Shirahama bedrohlich und fuhr ihm mit den Fingern sanft übers Kinn. »Stell dir nur mal das Theater vor, wenn jemand plötzlich die Testergebnisse in der Tasche von Sakurai findet, oder von Imayoshi-kun, für ihn ist diese Prüfung wirklich wichtig. Und plötzlich hängt der ganze Journalistenclub mit drin, weil sie die Papiere besorgt haben, bei "Recherchen".«
»Du glaubst doch nicht allem Ernstes, das die Lehrer so engstirnig sind und das einfach so glauben würden?«
»Nein, natürlich nicht. Aber Beweise sprechen bekanntlich eine andere Sprache und da ist es völlig egal, wer was zum Sachverhalt sagt.«
»Du bist total verrückt und dumm. Da erzählst du mir in aller Seelenruhe, was du vorhast«, entgegnete er kopfschüttelnd.
»Ja, das ist ja auch so geplant. Du kannst es gerne melden, aber ich hab mehr Rückhalt, als du dir bewusst bist.«
»Soviel kann es nicht sein.«
»Meinst du? Willst du es darauf ankommen lassen?«
Schnell ließ er sich die Drohung durch den Kopf gehen, sie konnte doch unmöglich unantastbar sein? Es musste einen Grund geben, weshalb sie es ihm einfach sagte, schließlich musste sie damit rechnen, dass er es einfach der Schulleitung melden würde. Demnach hatte sie noch ganz andere Trümpfe in der Hand.
»Also, was ist nun?«, fragte sie erwartungsvoll. »Es ist doch nur eine Kleinigkeit und wenn dir Kagami wirklich am Arsch vorbei geht und an den Gerüchten nichts dran ist, dürfte es doch wohl nicht zu viel verlangt sein, sie einfach links liegen zu lassen und sich mal anderweitig um zu schauen.«
Jetzt befand er sich in einer Zwickmühle, nie hätte er es für möglich gehalten, dass dieses Weibsbild ihn so mit dem Rücken zur Wand drängen würde. Aber was war in dieser Situation das Richtige? Sollte er wirklich Kagami- chan meiden, nur weil die Brünette es für nötig hielt, ein Gerücht im Umlauf zu bringen, was vermutlich sogar zur Suspendierung führen könnte? Wie sehr ihn das doch frustrierte, konnte sich dieses Miststück nicht ein paar andere Schüler suchen, um ihnen den letzten Nerv zu rauben? Aber was ihn viel mehr wurmte, war die Frage, weshalb sie sich so auf den Journalistenclub eingeschossen hatte? Shirahama konnte unmöglich so nachtragend und noch immer wütend sein, als sie Wakamatsu die Zigaretten unterjubeln wollte. Immerhin war sie selbst daran schuld. Und nun wollte sie das Ganze wiederholen in dem sie den Leuten vom Journalistenclub und seiner Mannschaft, die Testergebnisse unterschob.
»Für was entscheidest du dich jetzt?«, riss ihn die Stimme des Senpais aus seinen Gedanken.
Doch er wollte sich nicht so offensichtlich von ihr erpressen oder gar einschüchtern lassen, also beugte er sich bedrohlich zu ihr herunter.
»Find es doch heraus«, raunte er finster, hielt einen Moment inne um ihr einen letzten kühlen Blick zu schenken und ließ sie dann stehen.
Langsam blickte sie dem Power Forward nach und grinste heimtückisch.
»Und ob ich das herausfinde«, flüsterte sie und ging ihrer Wege.

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