Die Woche zog sich wie Kaugummi, das Referat neigte sich dem Ende entgegen und eine eigenartige und unausgesprochene Spannung lag zwischen dem Power Forward und der Fotografin. Sie konnte es sich nicht erklären, aber es kam ihr vor, als würde er viel reservierter und nüchterner an die Arbeit herangehen, als sie annahm. Während sie sich ein paar Mal trafen um den Aufsatz zu schreiben, versuchte er nicht einmal feindselig zu sein. Doch sie hinterfragte sein Verhalten nicht weiter, vielleicht interpretierte sie zu viel hinein und er hatte einfach ein paar schlechte Tage. Am letzten Tag für den angesetzten Aufsatz hatten sie sich bei ihr getroffen um ihm den letzten Schliff zu geben. Als sie schließlich fertig waren, war auch er fertig mit ihr. Kurz streckte der Blauhaarige sich und erhob sich.
Verdutzt sah sie ihn an, wollte aber nichts sagen.
»Damit wären wir fertig, oder?«, sagte er genervt und nahm seine Tasche auf.
»... ähm, ... ja«, entgegnete sie zaghaft. Hatte sie irgendetwas falsch gemacht? Er war schon die ganze Woche so ... genervt, geradezu abweisend.
»Dann ist ja gut, du kannst ihn dann Montag beim Lehrer abgeben«, sagte er und ging zur Tür.
»Ok«, stirnrunzelnd sah sie ihm nach. Sie hatte wahrscheinlich wirklich irgendetwas Falsches gemacht oder gesagt. Aber das würde sie wohl nie erfahren, weil er schneller die Tür raus war, als er diese herein gekommen war.
Nachdenklich stützte sie das Kinn in die hohle Hand und sah grübelnd aus dem Küchenfenster. Der Herbst war echt ungemütlich. Es regnete nur noch und es schien so eigenartig trübe zu sein. Und dieses Wetter schien sich wohl irgendwie auf sein Gemüt zu legen. Schwer seufzend schob sie die Schulsachen bei Seite und legte den Kopf auf die Tischplatte. Wieso machte sie sich eigentlich so viele Gedanken darüber? Es begann sie langsam aber sicher selbst zu nerven. Kagami-chan war nun gar nicht der Typ, der sich so das Hirn zermarterte nur wegen ... ... eines Jungen. Erschrocken fuhr sie hoch.
Oh Nein, ich werd doch nicht ...?!, drang der fiese Gedanke durch ihren Kopf, schnell schüttelte sie diesen ab. Unsinn! Es ist halt nur ... ungewohnt. Genau, ungewohnt ist das richtige Wort.
»Ha-chan? Bist du zu Hause?«, hörte sie die Stimme ihrer Tante rufen.
»Ja, in der Küche«, gab sie zur Antwort, wenig später stand ihre Tante in der Tür, mit einem Brief in der Hand. Sie sah eigenartig ernst aus und reichte der Rothaarigen diesen schließlich.
»Der ist für dich. Es geht wohl um den Diebstahl.«
Brummend ließ die Rothaarige erneut den Kopf auf die Tischplatte sinken.
»Mir bleibt aber auch gar nichts erspart.«
Langsam schritt die Schwarzhaarige auf ihre Nichte zu und setzte sich schließlich auf einen gegenüber befindlichen Stuhl.
»Was ist los?«
»Nichts.«
»Das sieht aber nicht nach „nichts" aus. Mach den Brief doch erstmal auf.«
Daraufhin hob Kagami-chan den Kopf wieder an und nahm den Brief an sich, knurrend öffnete sie diesen, las ihn sich durch und atmete hörbar aus.
»Sie haben ihn«, sagte sie kurz und legte den Brief beiseite. »Für den weiteren Verlauf brauchen sie mich nicht. Ihm wird der Prozess gemacht und gut ist.«
»Klingt doch gut.«
»Ja, ich habe nämlich keine Lust, dem Typen nochmal zu begegnen«, gestand die Schülerin, erhob sich und sammelte ihre Hefter zusammen.
»Musst du auch nicht, wenn du nicht willst. Also, ... Themawechsel«, lenkte ihre Tante schließlich ein. »Wie kommt ihr mit dem Aufsatz voran?«
»Wir sind vorhin fertig geworden.«
Skeptisch blickte ihre Tante sie an.
»Wieso klingst du dann so ... miesgelaunt?«
»Ach, nichts weiter«, wank die Fotografin ab, streckte sich und schenkte ihrer Tante ein aufgesetztes Lächeln. »Aufgabe erledigt, jetzt hab ich endlich mal wieder ein Wochenende für mich.«
»Schon Pläne?«
»Ja, ich geh mir morgen meine neue Kamera besorgen«, sagte sie und zwinkerte der Schwarzhaarigen kurz zu, ehe sie die Küche verließ.
Nervös ging Kaiou Suki in ihrem Zimmer auf und ab, das Foto, welches ihre Freundin geschossen hatte, unschlüssig in den Händen haltend. Sollte sie es einfach so, alles oder nichts, darauf ankommen lassen? Es einfach mal probieren? Schwer seufzend fuhr sie sich durch die Haare und betrachtete ein weiteres Mal das Bild. Scheiße, wie sie sich hasste! Sie konnte doch unmöglich, ... nein. Panisch schüttelte sie den Kopf. Jetzt fing sie schon genauso an wie Kagami-chan zu denken. Was war denn plötzlich in sie gefahren? Sie war sonst eigentlich nicht so unsicher, aber dieses Mal war es etwas anderes. Gefrustet ließ sie sich auf ihren Stuhl plumpsen und legte das Foto beiseite. Sie konnte unmöglich jemandem etwas davon erzählen, das wäre ihr Untergang. Aber sie war nicht der Typ, der sich ewig mit so etwas quälte. Schnell sprang sie auf, von Tatandrang gepackt schnappte Kaiou sich ihre Tasche und zog sich die Schuhe an. Was raus muss, muss raus!! Auf dem Weg zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.
Nach etlichen Malen, die es klingelte kam schließlich das Freizeichen.
»Ja?«, drang es von anderen Ende zu ihr.
»Ich bin's ... wir müssen reden.«
Hektisch zog sie sich ihre Jacke über und steckte ihre Schlüssel ein.
»Ha-chan? Wo willst du denn so schnell hin?«, fraget ihre Tante überrascht.
»Mayu-san, also ähm ...«, stammelte die Rothaarige.
Verschmitzt grinsend und mit, vor der Brust verschränkten Armen, hob die Angesprochene eine Braue.
»Mayu-san?«, fragte sie. »So nennst du mich nur, wenn du ...«
»Ja, ja, schon gut«, drängte Kagami-chan. »Suki hat angerufen, ich muss los. Es wird vermutlich ... später.«
»OK, genehmigt«, sagte ihre Tante und zwinkerte ihr zu. »Grüß sie lieb und nimm dein Handy mit.«
»Hier ist es«, sagte sie kurz angebunden, hob das Mobiltelefon kurz an und war schließlich aus der Tür raus.
Kopfschütteln grinste die Schwarzhaarige in sich hinein.
Vor ein paar Monaten noch, wäre die Schülerin für niemanden in so einem Tempo aus dem Haus geeilt. Diese Mädchen taten ihr wirklich gut.
Total außer Atem und mit zittrigen Knien kam Kagami-chan an dem Treffpunkt an, an dem Kaiou schon nervös wartete. Sofort ging sie auf ihre Freundin zu und begann wild umher zu plappern.
»Ha-chan, ich weiß nicht, was ich machen soll. Irgendwas ist da ... im Busche. Ich bin total ... nervös. Was soll ich denn machen?«
Sich auf ihre Knie stützend hob die Rothaarige kurz die Hand.
»Lass mich erst einmal atmen«, sagte sie und richtete sich langsam auf. »Und jetzt von vorne und bitte langsam.«
»Es ist, also ...«, doch irgendwie verließ sie plötzlich der Mut. Was sie vor wenigen Sekunden noch total motiviert und sich ihrer Sache mehr als sicher gemacht hatte, verließ sie nun mit einem Wimpernschlag. Jetzt wo sie ihre Freundin vor sich stehen hatte, hielt sie es für keine gute Idee.
»I-ich ...«, stammelte die Journalistin und knetete sich nervös die Hände. »Es ... also, wie sieht es mit deiner Kamera aus, hast du schon eine Neue?«
Perplex und mit einer gesunden Portion Skepsis blickte Kagami-chan die Kleinere an.
»Das war jetzt nicht dein Ernst, oder? Sag mir nicht, dass ich hier her gerannt bin, wie eine Irre nur damit du mich DAS fragen kannst?!«
»Ähm ... doch.«
»Menno, Suki.«, schnaufte die Fotografin genervt und fuhr sich durch die Haare. »Was soll das denn? Ich dachte es wäre was Wichtiges.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte die Blauhaarige überrascht.
»Du klangst irgendwie ..., ja, angespannt. Ich dachte es ist irgendetwas passiert, weil du gesagt hast, dass ich mich beeilen soll.«
Jetzt packte sie das schlechte Gewissen, die Rothaarige war im Dauerlauf hierher gesprintet, weil sie gedrängt hatte und nun ließ sie diese hier so in den Seilen hängen. Nervös kratzte sie mit der Spitze ihres Schuhs auf dem Boden und stieß einen kleinen Stein von einer Seite zur anderen.
»Naja, ... für mich ist das wichtig, schließlich steht bald das große Herbstfest an und ... du weißt schon ...«, lenkte die Azurblauhaarige ab.
»Ja, du willst mal wieder was Brauchbares für die Zeitung haben. Maki und Kasumi sind nicht die besten Fotografinnen, das muss ich leider bestätigen.«, entgegnete Kagami-chan und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Ich bin auch kein Profi, aber jeder weiß, dass man nicht gegen die Sonne fotografiert und das im Dunkeln die Belichtungszeit anders eingestellt werden muss ... und das man auch ein Stativ dafür braucht.«
»Hey, du musst zugeben, diese Bilder gegen die Sonne hatten irgendwie was«, sagte Kaiou nun gehässig.
»Ja, ... viele helle Flecken und geisterhafte Gesichter.«
Plötzlich klingelte Kaious Handy, überrascht warfen die beiden Mädchen sich einen fragenden Blick zu, ehe die Journalistin endlich abnahm.
»Ja?«
Kagami-chan sah zu wie ihre Freundin mit den Kopf nickte.
»Wir sind im Park, warum?«, sagte Kaiou dann, wartete wieder eine Weile, lauschte und sagte schließlich: »Ok, bis gleich.«
Danach legte sie auf. Die Rothaarige musste ihre Frage gar nicht laut stellen.
»Momoi. ... Sie stand wohl bei uns beiden vor der Tür, ehe sie auf die Idee kam anzurufen.«
Das entlockte der Größeren ein amüsiertes Lächeln.
»Na wenn es weiter nichts ist«, dann blickte sie Kaiou eindringlicher an. »Wenn du nicht sofort sagen willst, weswegen du mich wirklich herbestellt hast, kannst du es ruhig ein andermal nochmal versuchen, einverstanden?«
Erst sah die Blauhaarige angenehm überrascht aus, ehe Kaiou schlussendlich dankbar lächelte und nickte. Das war das gute an der Fotografin, sie war nicht ganz so neugierig wie andere und drängte einen nicht unnötig. Vielleicht sollte sie sich auch mal eine kleine Scheibe von ihr abschneiden, in Sachen Neugier.
Ein paar weitere Tage waren ins Land gezogen, der Regen hörte einfach nicht auf und der Nebel hing auch noch immer wabernd in den Straßen. Kaiou hatte noch immer nicht offen mit Kagami-chan über ihr kleines „Problem" gesprochen, aber immerhin bekam sie endlich ihre langersehnten Fotos. Der Theaterclub probte für das Herbstfest, welches bald stattfinden würde und da wollte die Journalistin natürlich ein paar Schnappschüsse. Die Theatergruppe probte ebenfalls in der Turnhalle, in der sich eine Art Aufbau befand, der erhöht war und eine Bühne bildete. Das Problem war, dass sich ausgerechnet an diesem Tag die Proben der Theatergruppe und das Training der Basketballmannschaft überschnitten. Das machte Kagami-chan und Kaiou nichts aus, aber nach einer Weile fiel der Blauhaarigen auf, dass die Fotografin sich gut und gerne, des öfteren umdrehte und nicht ganz bei der Sache zu sein schien. Als die Rothaarige sich erneut umdrehte, tippte Kaiou ihr behände auf die Schulter. Erschrocken drehte sich die Fotografin ihrer Freundin entgegen.
»Hier spielt die Musik.«, feixte die Kleinere. »Was ist denn los?«
»Nichts«, antwortete die Rothaarige und warf einen letzten flüchtigen Blick auf die Spieler. Eigentlich konnte es ihr ja egal sein, dass Aomine wieder nicht beim Training war. Allgemein war es in letzter Zeit eigenartig ruhig. Nach ihrem Aufsatz, hatte er ihr nur noch die kalte Schulter gezeigt, er machte sich nicht einmal die Mühe, sie zu beleidigen. Er ... ignorierte sie einfach nur. Langsam ließ sie die Kamera sinken und starrte nachdenklich Löcher in den Boden. Was war das nur für ein fieser Druck in ihrem Brustkorb und dieses Unwohlsein in ihrem Magen? Sie war doch kerngesund. Hatten ihre zwei Freundinnen vielleicht Recht und da war irgendetwas im Busche? Sie konnte es sich zwar nicht vorstellen, aber wenn sie genauer darüber nachdachte, ... wie sollte sie es denn wissen, ob da nun mehr war oder nicht, schließlich war sie noch nie in einer derartigen Situation. Ihr war noch nie so schlecht, wenn sie an jemanden dachte. Wobei das Unwohlsein, auf eine eigenartige und faszinierende Weise nicht so übel war. Aber seit der Blauhaarige sie nicht eines Blickes würdigte, war aus diesem angenehmen „Unwohlsein" ein kränkliches geworden. Vielleicht sollte sie sich mal einen ärztlichen Rat holen, wer weiß, was für eine Grippe gerade die Runde machte? Aber wenn sie gezwungen wäre etwas anderes in Erwägung zu ziehen, ... dann könnten vielleicht Momoi und Kaiou doch, ein klitzekleines Bisschen Recht haben. Wieso war diese Ignoranz, mit der er sie bedachte nur so verdammt ... schwierig, wieso konnte sie damit nicht umgehen?! Schnaufend dachte sie darüber nach, sich einen Tipp bei Momoi zu holen. Immerhin hatte Kagami-chan das Gefühl, beim letzten Mal etwas Falsches gesagt oder getan zu haben. Aber im Endeffekt würde es vermutlich nichts bringen, auch wenn sie drauf und dran war die Managerin darauf anzusprechen, schließlich kannte sie den Power Forward am besten.
»Ha-chan?«, riss Kaiou sie plötzlich aus ihren Gedanken. »Hey!!!«
Als hätte man sie gerade geweckt, oder mit kaltem Wasser übergossen, sah die Rothaarige sie entsetzt an.
»Was?!«, entfuhr es ihr im ungewohnt hohem Tonfall.
»Ich will dich ja nicht kritisieren, aber der Boden ist nicht unbedingt das, was ich in der Zeitung anpreisen möchte«, sagte Kaiou genervt und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Ich ... ähm. Sorry, ich war abgelenkt.«
»Ja, ... ist nicht zu übersehen.«
Kagami-chan stieß einen schweren, geradezu gequälten Seufzer aus und fuhr sich durch die ungeordneten Haare.
»Willst du darüber reden?«, fragte Kaiou einfühlsam.
»Nein, nein. Alles in Ordnung.«
Skeptisch ließ nun auch die Journalistin den Blick durch die Halle schweifen. Es war mehr als offensichtlich, dass ihre Freundin nach jemanden Ausschau hielt und wenn sie nicht ganz verkehrt lag, wusste sie auch nach wem. Irgendwie hatte die Blauhaarige eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie sich die Rothaarige fühlte. Ihr ging es in letzter Zeit auch nicht viel besser.
»Männer«, brummte Kaiou plötzlich und schnaufte verächtlich, woraufhin der Rotschopf ihr einen fragenden Blick zuwarf.
»Wie kommst du so plötzlich darauf?«
Ertappt sah Kaiou zu ihrer Freundin auf und grinste scheinheilig.
»Ach nichts weiter. Es kam gerade so über mich.«
Diese wirklich magere Erklärung ließ Kagami-chan ihr so durchgehen und hob nur eine Braue, ehe sie weiter ein paar Fotos schoss.
Leise vor sich her pfeifend ging Momoi nach Hause. Sie war einkaufen gewesen und hatte sich einen violetten Pullover gegönnt. Sie war der Meinung, dass man sich ab und zu selbst belohnen musste und warum nicht mit ein wenig Shopping? Zumal es sie auch ablenkte, denn in letzter Zeit hing eine unausgesprochene Spannung über einigen Schülern. Zwar konnte sie nur erahnen, was da los war, aber solange es nicht sie direkt betraf interessierte es sie auch nicht sonderlich. Weiter vor sich her trällernd ging sie am Sportplatz vorbei und wurde von dem hallenden Geräusch eines auf dem Boden aufprallenden Basketballes abgelenkt. Verdutzt blieb sie am Zaun stehen und sah hinüber. Eigentlich überraschte es sie schon gar nicht mehr ihn hier anzutreffen, aber sauer war sie trotzdem. Also schritt die Managerin zielstrebig um den Zaun herum und auf ihn zu, blieb aber in sicherem Abstand stehen. Der Power Forward schien sie gar nicht zu sehen und dunkte den nächsten Korb mit so viel Brutalität, dass es den Ring fast aus der Befestigung riss. Der orangene Ball sprang daraufhin noch zwei Mal vom Boden ab, ehe er an den Rand kullerte und dort liegen blieb. Der Spieler selbst stützte sich schwer atmend auf seinen Knien ab. Das letzte Mal, als sie ihren Freund so wütend gesehen hatte, war schon eine kleine Ewigkeit her, da spielte er auch bis an den Rand der Erschöpfung. Aggressionsbewältigung auf seine eigene Art und Weise. Vorsichtig machte sie ein paar Schritte auf ihn zu.
»Was willst du Satsuki?«, fuhr er sie bedrohlich an, ohne sich ihr zuzuwenden. Stattdessen richtete er sich langsam wieder auf und fuhr sich durch die schweißnassen, kurzen Haare.
»Zum Training kommst du nicht, aber verausgabst dich hier?«
Ein weiteres Mal atmete der Blauhaarige tief durch, ehe er sich zu seiner Jugendfreundin umdrehte.
»Das ist nicht das Gleiche«, stellte er klar.
»Stimmt, hier hast du niemanden, den du verprügeln kannst, außer den Korb«, sagte sie nüchtern und ging auf den Ball zu, um diesen aufzuheben. Anschließend ging sie auf seine Tasche zu, wo auch seine Jacke lag.
»Wieso bist du so wütend?«, wollte sie schließlich wissen und legte den Ball neben seinen Sachen ab.
»Ich bin nicht wütend«, entgegnete Aomine abwehrend und fuhr sich mit seinem T-Shirtsaumen übers Gesicht. Skeptisch blickte sie ihn aus ihren rosa Augen an und schüttelte verständnislos den Kopf.
»Zieh dir was an. Wenn du auskühlst erkältest du dich noch«, sagte sie mahnend und warf ihm seine Jacke zu. Schweigend betrachtete er die Jacke in seiner Hand, ehe er wieder den Kopf hob und Momoi ernst ansah.
»Sag mal, hast du in letzter Zeit wieder irgendwelche Gerüchte aufgeschnappt?«
Sichtlich überrascht blinzelte die Rosahaarige und legte dann die Stirn kraus.
»Denkst du da an etwas Bestimmtes?«
»Du weißt genau, welche Gerüchte ich meine«, knurrte er.
»Also wenn du mich so fragst, nein. Seit einer ganzen Weile nicht mehr«, sagte sie. »Es ist allgemein eigenartig ruhig um euch geworden«, fügte sie feststellend hinzu.
»Willst du auf etwas bestimmtes hinaus?«
»Du und Ha-chan redet nicht mehr miteinander, hattet ihr Streit?«
»Nein.«
»War irgendwas anderes?«
»Nein, warum?«, fragte er verwirrt.
»Weil ihr euch auffallend aus dem Weg geht, obwohl, du gehst ihr auffallend aus dem Weg«, berichtigte Momoi sich selbst.
»Hat sie dich darauf angesprochen, oder was?«, fragte er leicht verärgert.
»Nein. Es ist mir aufgefallen, sie selbst scheint es gar nicht weiter zu stören.«
»Dann ist es doch in Ordnung.«
»Du nimmst es einfach so hin? Hauptsache die Gerüchte hören auf?«
»So ist es«, sagte er reserviert und zog sich seine Jacke nun über. »Solche Gerüchte sind nicht sehr förderlich, wenn man sich mit jemand anderem verabredet.«
Als hätte man ihr gesagt, dass sie eine schlechte Note bekommen hätte, sah Momoi ihren Freund aus weit aufgerissenen Augen fragend an.
»Mit wem triffst du dich denn?«, entfuhr es ihr plötzlich.
Gelangweilt sah er sie an.
»Ich weiß zwar nicht, was dich das angeht, aber ich treffe mich mit Tomoe.«
Perplex sah sie zu dem Hünen auf und runzelte verwirrt die Stirn.
»Du triffst dich mit dem Weibsbild, welches die Gerüchte in Umlauf gebracht hat? Geht's noch?!«, ranzte sie ihn verständnislos an.
»Mir bleibt mehr oder minder nichts anderes übrig. Also nerv mich nicht mit den anderen«, raunte Aomine gereizt und nahm seine Tasche. »Es kann dir und dem Rest der Schule scheiß egal sein, was ich mache.«
Fassungslos schüttelte sie den Kopf. Sie erkannte ihren Jugendfreund kaum wieder. Früher hätte er sich niemals dazu herab gelassen mit jemandem auszugehen, der irgendwelche haltlosen Gerüchte verbreitet, und das auch noch über ihn. Aber was sie viel stutziger machte war was er sagte.
Wieso war er der Meinung keine andere Wahl zu haben? Doch ehe Momoi ihn fragen konnte, hatte er seine Tasche geschnappt, den Ball und war gegangen.
Ein paar Tage später saß Kagami-chan alleine im Clubraum und sortierte die Fotos auf dem PC in die richtigen Ordner. Ordnung musste sein, sonst fand man die passenden Bilder nie wieder. Doch während sie die Fotos sortierte schweiften ihre Gedanken immer weiter ab, bis sie genervt den Kopf auf die Tischplatte legte und tief einatmete. So langsam aber sicher nervte es sie, dass sie so unkonzentriert war. Beim Fotografieren mag es ja noch gehen, aber sie bemerkte, wie ihr die Konzentration auch im Unterricht fehlte. Es drückte ihr fast immer weiter die Organe zusammen, wenn sie Aomine sah, aber er sie keines Blickes würdigte, so als ... gäbe es sie gar nicht. War sie wirklich so naiv gewesen und hatte an das geglaubt, was Kaiou und Momoi ihr erzählten? Wie konnte sie so blauäugig sein? Ihre Noten in Biologie und Chemie waren hervorragend, gerade sie sollte doch wissen, dass die Sache mit dem „Verliebt sein", absoluter Unsinn war und der Körper einem nur etwas vorgaugelte. Genervt murrend richtete sie sich wieder auf und starrte auf den Monitor. Sollte ihr Magen doch in einer Tour schmerzen und in den nächsten Jahren schlecht sein, ihr war es mittlerweile egal. Kagami-chan war einfach nur noch gefrustet von der Situation. Zu Beginn hätte sie alles dafür getan, damit der Power Forward sie in Frieden ließ und jetzt wo er es wirklich tat, ... war ihr das auch nicht Recht.
Verdammt! Jetzt hör endlich auf daran zu denken, kein Wunder dass du so schlecht drauf bist und dich auf nichts mehr konzentrierst, wenn du ständig die Situation analysierst und bis in die kleineste Sekunde auseinander nimmst, mahnte sie sich selbst und schloss die Ordner auf dem PC. Sie sollte sich auch langsam nach Hause machen, bevor sie noch komplett am Rad drehte. Mit wenigen Klicken sorgte sie dafür, dass der Computer herunter fuhr und sie sich schließlich erhob. Schnell steckte sie die Speicherkarte ein, sie musste diese im Laufe der Tage noch Kaiou bringen. Als sie ihre Tasche nehmen wollte, öffnete sich plötzlich die Tür zum Clubraum und Momoi trat herein. Mit einer ungewohnt angespannten Miene ging sie auf die Fotografin zu.
»Ich muss mit dir reden.«
Etwas überrascht über Momois ernsten Tonfall, nickte Kagami-chan und nahm ihre Tasche.
»Klar, um was geht es?«, wollte sie wissen und deutete zur Tür um zu signalisieren, dass sie gehen wollte und Momoi sie begleiten könne.
»Warte bitte kurz«, hielt die Managerin sie auf. Nun beunruhigte die Kleinere ihre Freundin.
»Es geht um Dai-chan.«
Sofort wank die Rothaarige ab.
»Egal was es ist, vergiss es«, motzte sie sogleich darauf los.
»Er trifft sich mit dieser Tomoe Namie.«
»... ähm ... ja und?«, entfuhr es Kagami-chan gleichgültig. »Das ist sein gutes Recht.«
»Verdammt, ihr beide kotzt mich so an!!«, rief Momoi aufgebracht aus. »Ihr lügt euch beide alles so zu Recht, wie es euch passt und am bequemsten ist. Immer den Weg des geringsten Wiederstandes!«
»Satsuki, ich weiß ja nicht, was du und Suki da seht, aber da ist nichts und da wird nie etwas sein. Ich bin froh, dass meine Name von der „schwarzen Liste" verschwunden ist und die anderen Mädchen mich in Ruhe lassen und wenn er sich mit Tomoe trifft, ist sie wenigstens die, die nun ganz oben auf der „Liste" steht. Ich versteh dein Problem nicht.«
»Ich verstehe nicht, wie du so ruhig bleiben kannst?«, entgegnete Momoi. »Du bist doch in ihn verliebt!«
»Du und Suki seit der Meinung, dem ist aber nicht so!«, sagte sie klarstellend. »Ihr habt euch so darauf versteift, dass er irgendwelches Interesse hat, oder dass von mir etwas dergleichen ausgeht, dass ihr nicht seht, dass jemand anderes seine Aufmerksamkeit hat. Lasst die beiden sich doch einfach treffen.«
»Das kann nicht dein Ernst sein?!«
»Das ist mein voller Ernst.«
»Bist du wirklich so Begriffsstutzig?«
»Die Frage müsste ich dir stellen? Nicht jeder stellt dieses blöde „verknallt sein", an oberste Stelle. Es gibt Wichtigeres. Und nur weil man vielleicht „verliebt" ist, heißt es nicht, dass man so aufgescheucht wie du umher rennen muss.«
Diese Sturheit ihrer Freundin machte Momoi sichtlich wütend. Die Hände so heftig zu Fäusten geballt, dass ihre Knöchel weiß hervor traten, biss sie sich zunächst auf die Unterlippe, ehe sie erneut das Wort ergriff.
»Du tust ja gerade zu, als wäre es was Schlechtes verliebt zu sein!«
»Wenn wir ehrlich sind, gibt es etwas wie „verliebt sein" nicht, vielleicht ein wenig „Interesse", aber dieses ach so tolle Gefühl von den „Schmetterlingen im Bauch" ist eh nur ein Produkt unseres Körpers, eine gefährliche Mischung aus Chemischen Substanzen! Genauso gut könntest du dir auch einen Joint drehen und rauchen. Nur hättest du am Ende davon vermutlich mehr!«
Fassungslos über das, was Kagami-chan sagte, stand Momoi der Mund offen.
»Das ist ganz natürlich, schon mal was vom „Fortpflanzungstrieb" gehört? Es liegt in unseren Genen, mehr ist da nicht. Und wenn du wirklich der Auffassung bist, dass man verliebt sein kann, dann lass ich dich in dem Glauben. Aber früher oder später wirst auch du mitkriegen, dass Gefühle nichtig sind und auch irgendwann vergehen und plötzlich sind diese Schmetterlinge, fiese Bandwürmer, die sich durch deine Organe fressen und dich krank machen.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein?«, spie ihr die Rosahaarige entgegen, als sie die Sprache wiederfand. Sie war schlicht fassungslos über das Gesagte. Dass ihre Freundin und Banknachbarin nicht die gefühlsbetonteste Person war wusste sie, aber dass sie so verbittert war, ahnte sie bisher nicht.
»Oh doch.«
»DU BIST IGNORANT!!!«, schrie Momoi ihr entgegen. »Ignorant und feige! Du versteckst dich so sehr hinter deiner Mauer und deinen Fotos, dass dir alles andere egal ist!«, kurz holte sie Luft. »Du bist ignorant, feige und blind!«, schrie sie zum Abschluss und verließ aufgebracht den Clubraum, indem sie die Tür hinter sich zu schlug. Etwas verdattert über die Reaktion der Managerin blieb Kagami-chan im Raum zurück. Sie hatte sich so in Rage geredet, dass sie Momoi damit vertrieb. Es hatte sich einfach viel zu viel Frust in den letzten Wochen aufgestaut. Frust über ... ..., ja worüber eigentlich?
Die Vorwürfe, die Momoi ihr machte, dass sie ignorant, feige und blind sei, ließ sie sich zwar kurz durch den Kopf gehen, aber eigentlich machte es ihr nichts aus. ... Eigentlich? ... Sie hatte immerhin keine Ahnung, wie es war überhaupt „verliebt" zu sein und wieso alle so ein Drama darum machten? Genervt seufzte sie und verließ nun ebenfalls den Clubraum, aber die Worte Momois verfolgten sie dennoch unbewusst.
Verdutzt sahen die Spieler und der Coach der Seirin-High auf das Mädchen herab, welches vor ihnen saß.
»Wieso kommst du eigentlich immer zu uns, wenn du mit irgendwem Streit hast?«, fragte Riko sichtlich genervt. Denn die rosahaarige Managerin des Basketball-clubs der Tōō-High saß, wieder total verheult und in Tränen aufgelöst, in der Turnhalle der Seirin- High.
Schniefend strich sie sich eine Strähne hinter ihr Ohr.
»Die machen mich noch alle irre. Wieso sind die so ... gemein?«, jammerte Momoi.
»Wen meinst du eigentlich?«, fragte nun der Kapitän der Mannschaft und legte die Stirn in Falten. Wenn sie nicht gerade wegen Aomine hier saß und weinte, wer konnte es sonst sein?
Doch bevor sie antwortete zeigte sie auf den Rothaarigen Power Forward, der sie erschrocken ansah und abwehrend die Hände hob, als die finsteren Blicke seiner Teamkameraden ihn förmlich auseinander nahmen.
»I- ich hab nichts gemacht!«, verteidigte er sich, doch dann runzelte er noch mehr die Stirn. Bis schließlich Kuroko das Wort ergriff.
»Könnte es sein, dass es wegen Haruka-san ist?«, fragte dieser ruhig.
Als wäre auch den anderen ein Licht aufgegangen blickten sie wieder die Managerin an.
»Sie ist total gemein«, bestätigte Momoi ihn.
»Was hat sie denn gemacht?«, fragte nun der Power Forward.
»Nicht was sie gemacht hat ist das Problem, sondern was sie NICHT macht«, schoss es aus der Rosahaarigen. »Ich hab ihr gesagt, dass sie mal etwas mutiger sein soll und nicht so ... verklemmt.«
»Moment mal, sag nicht, dass es um einen Jungen geht?«, fuhr ihr Hyūga unwirsch ins Wort und verkniff sich ein fieses Grinsen.
»Doch, und sie weigert sich es einfach mal zuzulassen.«
»Wusstest du das?«, fragte Kuroko nun sein Licht.
»Dass sie sich mit Jemanden trifft? Ja, ihre Freundin Kaiou hatte mal was erwähnt und meine Tante. Aber wer konnte schon ahnen, dass es so ein Drama wird?«, sagte er desinteressiert und kratzte sich kurz am Hinterkopf. »Sie wird schon wissen, was sie macht.«
»Hatte sie überhaupt schon mal einen Freund?«, fragte Koganei interessiert.
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Kagami-kun ernst.
»Na, das könnte man ändern«, schlug der Kleinere heiter vor und erntete ungläubige und fragende Blicke.
»Wieso schlägst du sowas vor?«, fragte Kuroko monoton, denn auch ihn wunderte die Äußerung seines Teamkameraden etwas.
»Naja, ... also ich find seine Schwester gar nicht so unansehnlich. Sie ist schon irgendwie ... süß«, gestand Koganei und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Perplex sahen ihn seine Teamkameraden an, auch Kagami-kun war alles aus dem Gesicht gewichen.
»Sie ist fast einen Kopf größer als du«, kicherte Izuki und machte sich sichtlich über den Spieler lustig.
»Na und?«, entgegnete er schulterzuckend, doch der Blick des Power Forwards schien ihn stumm zur Vorsicht zu raten. Und schon sagte irgendetwas in Koganei, dass er wohl zu erst an ihrem Zwilling vorbei musste.
»Spaßvögel«, brummte Kagami-kun schließlich mürrisch und wandte sich wieder Momoi zu. »Und warum klärst du diese Sache nicht mit ihr?«
»Weil sie begriffsstutzig und stur ist«, brummte die Rosahaarige beleidigt. Da fingen sofort wieder einige an zu kichern, weil sie das schwer an ihren Power Forward erinnerte.
»Sie lässt da einfach nicht mit sich reden. Und er auch nicht.«
»Und wer ist ER?«, fragte nun Kiyoshi stutzig.
»Also, ähm ... es ist so ...«, nun befand sich Momoi in einer Zwickmühle, sie konnte es doch unmöglich Kagami-kun sagen, da würde die Fotografin nie wieder ein Wort mit ihr wechseln. Sie wusste selbst, wie angespannt die Situation zwischen den beiden Power Forwards war.
»Es ... ist ein Junge aus unserer Klassenstufe«, sagte sie vorsichtig. »Er ist aber genauso begriffsstutzig wie sie und fast noch ignoranter.«
Kagami-kuns Miene verfinsterte sich, Momoi befürchtete schon, dass er ahnte wer es war, oder ob es nur aus allgemeiner Fürsorge um seiner Schwester war. Es war schwer ein zu schätzen. Unruhig rutschte Momoi auf dem ihr angebotenen Stuhl herum. Nun hielt sie es für eine echt schlechte Idee, ausgerechnet hierher zu kommen. Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen, sie dachte Kagami-kun wüsste eher was mit ihr los sei, doch sie vergas, dass es eine klitzekleine Sache gab, auf die man diesen besser nicht ansprach. Und zwar ihren Jugendfreund.
»Sie hat ein paar wirklich fiese und gemeine Dinge gesagt. Das hätte ich nie erwartet, dass sie eine solche Meinung haben könnte.«
»Egal was sie zu dir gesagt hat, nimm das nicht zu ernst und leg es am besten nicht auf die Goldwaage«, sagte der Rothaarige beschwichtigend. »Sie hat es vermutlich nicht annähernd so gemeint, wie sie es gesagt hat.«
Erstaunt darüber, was der Power Forward sagte, blickten seine Kammeraden ihn an. Bis auch Kuroko zustimmend nickte.
»Kagami-kun hat Recht. Manchmal sagt man Dinge im Affekt für die man sich im Nachhinein schämt. Am besten ihr redet mal in Ruhe darüber.«
Beschämt sah die Managerin zu Boden.
»In Ruhe ist gut, weil ich vorhin einfach abgehauen bin.«
»Wie gesagt, rede einfach nochmal mit ihr ... und dem Typen, mit dem sie sich trifft«, der letzte Teil schien ihm nicht sonderlich leicht über die Lippen zu gehen, aber Kagami-kun sah keine andere Möglichkeit, sein bisher gut aufgesetztes Pokerface zu wahren.
Als Momoi sich wieder verabschiedete und sich mit Kuroko auf und davon machte, stieß ihn Koganei kumpelhaft mit dem Ellenbogen an und grinste verschmitzt.
»Das hast du gut gerettet Kagami und dich echt gut gehalten«, kommentierte er und sah auf die fest geballten Fäuste des Rothaarigen.
»Wenn ich den Typen in die Finger bekomme, kann der sich warm anziehen«, knurrte er und hielt sich sichtlich zurück.
»Und du hast wirklich keine Ahnung mit wem sie sich trifft?«, fragte Kiyoshi verblüfft.
»Nein.«
»Was für den Unbekannten wohl auch gesünder ist«, witzelte Izuki und klopfte Kagami-kun auf die Schulter.
»Ja ja, genug Drama für heute!«, rief Riko und blies beherzt in ihre Pfeife. »Ich hab nicht gesagt, dass das Training vorbei ist!!«
Das was Momoi ihr vorwarf, ließ sie doch nicht so ungerührt, wie sie dachte. War sie wirklich so „verweichlicht"? Bisher hatte sie nie ein Problem mit ihren Gefühlen gehabt, aber in letzter Zeit, machte ihr Hormonhaushalt ohnehin was er wollte. Das Ganze verunsicherte sie immer mehr und mehr, was sollte sie denn machen? Tief in Gedanken versunken ging sie nach der Schule ein wenig in der Gegend spazieren, ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Doch nach wenigen Minuten bereute sie es, da sich der Himmel bedrohlich zu zog und Regen ankündigte.
Und natürlich war sie wieder ohne Regenschirm unterwegs. Genervt stöhnte sie auf. Das Wetter spiegelte ihre Laune auch ziemlich akkurat wieder. Die Hände tief in den Hosentaschen vergraben ging sie einfach unbeirrt weiter ihres Weges. Sie brauchte dringend eine Beschäftigung, ihr Hirn machte es ihr unglaublich schwer abzuschalten. Immer wieder blitzten diese Gedanken hervor und ihr kleines Ich stand auch schon unschlüssig dreinschauend vor dem imaginären Abgrund und starrte in die schwarze Tiefe.
Du bist ignorant, feige und blind!
Der Satz Momois hatte voll ins Schwarze getroffen. Wenn sie wirklich in sich rein sah, sah sie ihr kleines Ich, wie es vom Abgrund aufsah und zustimmend nickte. Wie es ihr riet, einfach mal die Wahrheit zu sagen, Lügen war ohnehin nicht ihre Stärke. Erneut seufzte sie schwer vor sich hin, als die ersten Regentropfen vom Himmel fielen und den hellen Asphalt dunkel färbten, ihm unzählige Punkte aufmalten.
Als ob das Schicksal es darauf ankommen lassen wollte, schickte es auch sogleich das Versuchsobjekt schlechthin. Eigentlich hätte sie damit rechnen müssen, schon als sie die Haustür hinausgetreten war, dennoch war es überraschend.
Beide waren fast in dem Augenblick erstarrt, als sie den jeweils anderen sahen.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt, dem Rotschopf zu begegnen war gänzlich ungünstig. Vor allem nach dem Gespräch welches er mit Momoi hatte. Er wusste nicht wie viel und ob seine Jugendfreundin überhaupt mit der Fotografin darüber gesprochen hatte. Aber vermutlich würde er es jeden Moment erfahren. Jedoch hielt Aomine es für klüger vorerst zu schweigen. Er wusste auch gar nicht, was er ihr sagen sollte. Anfang der Woche hatte sie das Referat abgegeben und seither hatte er kein Wort mehr mit ihr gewechselt. Stattdessen hatte er sich das ein oder andere Mal mit dieser Tomoe abgeben müssen. Ach Mist! Das war doch sonst nicht seine Art, so zu ducken. Aber etwas ganz anderes schien ihn plötzlich zu beunruhigen, denn Kagami-chan sah aus, als ob sie etwas klären müsse. Sich innerlich für das Kommende wappnend, ging er einfach schnurstracks auf sie zu. Was sollte schon großartiges passieren? Mehr als ihm eine dumme Frage nach der anderen zu stellen konnte sie nicht und so lange er sein Pokerface wahrte, war alles im Grünen Bereich ... ..., aber seine Lügerei ging auch ihm langsam, aber sicher auf die Substanz.
Irgendwie war ihr die Situation unangenehmer, als sie es wahrhaben wollte. Von einem Moment zum nächsten war ihr Kopf wie leer gefegt und das er so zielstrebig auf sie zu ging, machte es noch schwerer in dem Vakuum einen klaren Gedanken zu fassen.
»Du hier?«, war die schlichte Frage die er ihr stellte.
Kurz nickte sie und sah sich genauer um, sie war schon wieder unbewusst zu diesem blöden Sportplatz gegangen, an dem sie ihre „Verhandlungen" geführt hatten. Das Schicksal legte es aber manchmal wirklich drauf an.
»Hast du bei dem Wetter etwa gespielt?«, fragte sie Stirnrunzelnd, doch er hob ungläubig über ihre Frage eine Braue.
»Wie du siehst habe ich einen Ball bei mir.«
Von ihrer eigenen Dummheit überwältigt klatschte sie sich mit der flachen Hand gegen sie Stirn und massierte sich anschließend die Nasenwurzel.
»Vergiss es einfach«, brummte sie leise.
Das war ja eine wahre Meisterleistung, diese Eingebungen kamen immer viel zu spät.
Man musste kein Psychiater sein um zu merken, dass es ihm wohl ebenso unangenehm war wie ihr, wobei ein fettes WARUM durch die Luft flog. Sie hatten sich weder gestritten, oder eines ihrer heiklen Wortgefechte ausgetragen. Er hatte ihr von heute auf morgen einfach nur die kalte Schulter gezeigt und eigentlich wollte sie den Grund dafür wissen. Einen schnellen Moment überlegte sie, ob sie ihn darauf ansprechen sollte oder nicht. Doch sie entschied sich schließlich dafür.
»Sag mal, hab ich in letzter Zeit irgendwas getan, was dir nicht gepasst hat?«, fragte Kagami-chan nun.
»Wie kommst du darauf?«
Da war diese blöde Frage, von der er bis jetzt gehofft hatte, dass sie nicht kommen würde.
»Naja, ...«, nun legte sie die Stirn wieder in Falten. »Es ist auffallend ruhig. Niemand der einem fiese Sachen an den Kopf wirft. ... Du weißt schon.«
»Ach, du willst dir weiter die Beleidigungen anhören?«
»So meinte ich das nicht. Nein«, entgegnete sie nun genervter. »Bist du so, weil ich bei deiner Mutter im Laden arbeite?«
»Was?«, kam es ehrlich überrascht von ihm. »Nein. Das ist mir doch egal.«
»Ok, was ist dann dein Problem?«, fragte sie mit allem Mut den sie aufbringen konnte und fixierte ihn streng mit ihren Augen.
Der Regen war nun stärker geworden, doch die beiden ignorierten die Tatsache, dass sie nass wurden einfach. Die Pfützen wurden größer, ... tiefer und bildeten nun kleine Rinnsale, die am Bordsteinrand entlang, Richtung Ablauf, flossen. Unbeirrt dem Fluss folgend, ... ohne Hindernisse.
Kurz fuhr sich der Power Forward durch die kurzen, dunkelblauen Haare.
»Ich weiß nicht, was dein Problem ist, aber ich hab keines.«
Als hätte er sie bei irgendetwas ertappt, zuckte sie kurz auf und warf ihm einen aufgeschreckten Blick zu. Eigentlich hätte sie nichts weiter dazu sagen müssen, Aomine konnte es mehr als deutlich in ihrem Blick lesen. Sie hielt offensichtlich etwas zurück, etwas von dem er hoffte, dass sie es auch wirklich für sich behalten würde. Alles andere würde die Situation nur unnötig verwirrender und schwieriger machen. Aber er sah ihr förmlich an, wie es unter ihrer Stirn arbeitete.
»Nun, ... i- ich weiß nicht, ob es direkt ein Problem ist«, gestand sie verunsichert.
Es ging ihr plötzlich so vieles auf einmal durch den Kopf. Aber hauptsächlich ließ sie das Gespräch mit Momoi einfach nicht los. Es zerfraß ihr fast das Hirn, zerquetschte ihr die Brust und zerriss ihr fast die Seele. Warum war sie nur so verwirrt, ... so verunsichert? Das Kribbeln und die innere Unruhe wurden schier unerträglich und das Wetter machte es nicht besser. Es war als würde der Regen ihr zur Eile raten, doch sollte sie es wirklich riskieren? Einfach so, hier und jetzt? Zaghaft versuchte sie einen Anfang zu finden, überlegte fieberhaft, wie sie es sagen sollte, ohne ihn damit komplett zu überfordern. Aber der erwartungsvolle Blick Aomines machte die Situation nicht erträglicher, im Gegenteil. Kagami-chan fühlte sich gehetzt und ausgeliefert. Aber es musste raus, jetzt oder nie, sagte ihr Unterbewusstsein selbstsicher, mit den Pompons wedelnd und versuchte ihr Mut zu machen.
Sag es einfach mal laut und warte ab, was passiert.
»Wolltest du mir noch irgendetwas wichtiges sagen, oder kann ich gehen?«, brummte der Power Forward genervt, da er auch bis auf die Knochen durchnässt war. Dass er so gereizt reagierte, ließ ihren gesammelten Mut langsam schrumpfen.
»Ich ... ähm ... ist nicht so wichtig«, stammelte sie und wank ab, nun war ihr Rückgrat komplett zusammengebrochen und zu Knochenpulver zermahlen.
»Du lügst schon wieder«, stellte der Blauhaarige ernst fest und musterte seine Klassenkameradin eingehend. »Raus mit der Sprache, was beschäftigt dich?«
Leider kam seine Frage schneller über seine Lippen, als es ihm bewusst wurde. Wieso um Himmelswillen musste er sie das ausgerechnet JETZT fragen!? Wollte er es denn wirklich wissen? Verdammt! JA, wollte er, es war eine ehrlich gemeinte Frage. Und er wollte eine ehrliche Antwort, auch wenn er diese etwas fürchtete.
Als sie ihm plötzlich einen ernsten Blick zuwarf und ihn mit ihren dunkelroten Augen taxierte, war ihm, als schlich sich eine unausgesprochene Ahnung über sein Rücken. Wieso stellten sich ihm so plötzlich die Nackenhaare auf? Und obwohl es wie aus Eimern goss war ihm, als würden seine Handflächen eigenartig feucht werden.
Sie wird doch nicht etwa ...!?, dachte Aomine stutzig und ungewohnt unruhig, als die offensichtliche Antwort ihm förmlich ins Auge stach. Doch da war es bereits vorbei und die Rothaarige hatte es endlich über sich gebracht.
»Ich mag dich irgendwie.«
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Camera Obscura
FanfictionAlles läuft so schön mit Anlauf gegen den Baum, erst macht Haruka einen Abflug von der Treppe und landet prompt in den Armen eines fremden Jungen, dann verschlägt es sie auf eine Schule und in eine Klasse in der man sie ansieht als wünsche man ihr d...