Wo ein Wille ist ...

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Seit dem Herbstfest waren nun knapp vier Wochen vergangen. Momoi war gleich im Anschluss, zu einem Vertrauenslehrer geeilt und hatte ihm die Aufnahme des Gesprächs vorgespielt, sie hatte die aktuelle Situation in kurzen sachlichen Punkten erzählt. Der Lehrer wollte zunächst nicht glauben, was er da hörte, doch er musste der Sache nachgehen. So bestellte er Shirahama Shizuka in sein Lehrerzimmer und hatte sie, ihrer finsteren und wütenden Miene nach zu urteilen, die sie hatte, als sie das Zimmer verließ, ordentlich gelyncht und sie über die Folgen ihrer angedrohten Handlungen aufgeklärt.
Seitdem war es ziemlich ruhig um sie geworden, denn auch ihr Onkel schien wohl einige Male in der Schule gesehen worden zu sein. Und Momoi vermutete, dass ihr Onkel wohl das besagte „Vitamin B" war, aber nun schien sie an Vitaminmangel zu leiden. Arme Shirahama. Obwohl, wenn man es genau nahm, so viel Mitleid wollte Momoi ihr dann doch nicht entgegen bringen. Eher stieg eine Art Befriedigung und Erleichterung in ihr auf, die Genugtuung endlich wieder etwas Frieden in den Schulalltag gebracht zu haben war unbeschreiblich und so hatte sie nun auch endlich wieder mehr Zeit für die ihr wichtigen Dinge des Lebens.
Auch bei Kaiou lief es ausgesprochen gut. Momoi hatte von Kagami-chan erfahren, dass die Journalistin sich wohl relativ regelmäßig mit dem Power Forward traf. Mehr war allem Anschein nach noch nicht passiert, außer ein paar gemeinsame Tassen Tee, aber eine langsame und vorsichtige Annäherung war vermutlich nicht verkehrt. Immerhin wollte die Azurblauhaarige nichts überstürzen, es war ihr ganz Recht wie es der Zeit lief. Ruhig, geordnet und Sorgenfrei. Was wollte man mehr?
Kagami-chan hingegen hatte ihre ganz eigenen, zugegebenermaßen, kleinen Probleme. Auch wenn sich die gesamte Situation beruhigt hatte, so stand noch immer eine Mauer aus Glas zwischen ihr und Aomine. Eigentlich musste sie nur einen Stein aufheben, der groß genug war und ihn gegen die Scheibe werfen und sie würde in tausende kleine Scherben zerfallen, sie hatte nur ein kleines Problem. Sie fand keinen geeigneten Stein. Suchend ging ihr kleines Ich ihre Gedanken ab, um etwas zu finden, womit man die imaginäre Glasmauer einreißen konnte, jedoch ohne Erfolg. Wie sehr wünschte sie sich einen Vorschlaghammer.
Schwer seufzend saß die Fotografin am Küchentisch und hatte das Kinn auf die Hand gestützt, während sie viele verschieden große Kringel in ihr Heft zeichnete. Den Kugelschreiber weiter über das Papier kreisen lassend, stieß sie ein weiteren Seufzer aus, der auch ihrer Tante nicht entging.
»Du klingst wie eine alte Frau«, mahnte die Schwarzhaarige beim Hereinkommen und stellte ihre Einkaufstüte auf der Küchenzeile ab. Gedanklich abwesend schaute die Rothaarige auf.
»Vielleicht bin ich ja eine alte Frau.«
»Mit 17? Ich bitte dich, mach dich nicht lächerlich«, nun musste Mayu lächeln.
»Ich geh mit großen Schritten auf die 20 zu.«
»Pass erstmal auf bis zu die 30 ankratzt, das wird spannend«, entgegnete ihre Tante und sortierte ihren Einkauf in die Schränke und den Kühlschrank.
»Aber mal ernsthaft, was ist denn los? Gibt es Probleme mit Aomine-kun?«, fragte Mayu nun behutsam nach, denn ihr war nicht entgangen, dass ihre Nichte sichtliches Interesse an dem Power Forward der Tōō-High hatte.
Verneinend schüttelte Kagami-chan den Kopf und legte nun endlich den Stift bei Seite und schlug das Heft zu.
»Es sind nicht direkt Probleme, es sind noch immer kleine Ungereimtheiten, oder Unstimmigkeiten, wie man es halt nimmt.«
Nickend nahm ihre Tante die wage Andeutung hin und fragte auch nicht weiter nach, die Schülerin würde schon auf sie zu kommen, wenn sie einen wirklichen Rat wollte, ... oder auch nicht.
Langsam erhob sich Kagami-chan und sammelte ihre Schulsachen zusammen um auf ihr Zimmer zu gehen.
Das, was sie seit Tagen beschäftigte, war die Tatsache, dass sie und Aomine ihre, - ja wie sollte man es nennen?- „Beziehung", geheim hielten. Ihr selbst machte es nichts aus sich so zu verstecken, auch wenn die Lage ruhig war, auf großen Ärger hatte sie keine Lust und schon gar nicht auf irgendwelche eifersüchtigen Schnepfen, die sie mit Neidischen Blicken erdolchten. Aber ihn schien es auf Dauer zu nerven, einen Monat hatte er nun wacker durchgehalten, doch sie merkte ihm an, dass es ihn langsam ausreizte. Nach ihrem Gespräch auf dem Schuldach hatten sie das Thema auch nicht weiter angeschnitten, im Gegenteil, eher totgeschwiegen. Obwohl es sein Vorschlag war, ging es ihm wohl gegen den Strich. Das letzte was sie wollte, war ein ernster Streit mit dem Power Forward, aber das war scheinbar auf Dauer unausweichlich. Außer wenn sie das Gespräch mit ihm suchte.
Was ihm wohl auch ziemlich gegen den Strich ging und seine Geduld auf die Probe stellte war, dass sie sich ziemlich unnahbar gab und rar machte. Nicht einmal absichtlich, es war nur einfach noch zu ungewohnt, sich mit jemanden auf eine engere körperliche Beziehung ein zu lassen. Vielleicht war sie auch einfach nur verklemmt, aber auch daran musste sie wohl arbeiten.
Arbeiten!
Das war ihr Stichwort, beinahe hätte sie vergessen, dass sie noch in den Laden musste. Sie hatte Sonoko-san schließlich zugesagt, dass sie ihr heute helfen würde.
Schnell zog die Fotografin sich an und eilte aus dem Haus. Sich darüber Gedanken zu machen, dafür hätte sie später noch genug Zeit.

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