Nicht nach Plan

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*Okâsan- Mutter
*Otō-san (To-san)- Vater
*Oji-san -Onkel

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Die Woche schleppte sich im Schneckentempo dahin, zog sich schier ins Unendliche. Doch endlich war das Wochenende in greifbare Nähe gerückt. Leider hieß das nicht, dass Kaiou sonderlich gut gelaunt war. Noch immer hatte sie keine Antwort auf ihre SMS erhalten, die sie Anfang der Woche verschickte und auch die befürchteten peinlichen Fragen blieben aus. Hatte sie vielleicht die falsche Nummer? Grübelnd ging sie weiter ihres Weges, sie hatte sich vor ein paar Minuten von Momoi und Kagami-chan verabschiedet und befand sich auf dem Weg nach Hause. Gerade, als sie frustriert seufzte und sich ihre Schuluniform glatt strich, weil der Herbstwind ihr durch die Kleidung fuhr, ertönte das gewohnte schrille, kurze Piepen. Genervt kramte sie ihr Handy hervor und brummte.
Wer schrieb ihr denn jetzt eine SMS?
Perplex riss sie ihre blauen Augen auf und starrte auf den kleinen Bildschirm, als sie den Absender las. Sofort breitete sich ein breites Lächeln auf ihrem Gesicht aus, am liebsten hätte sie laut losgequietscht, aber sie war noch auf der Straße und so die Blöße geben wollte sie sich nicht. Also suchte sie sich eine Stelle, an der sie sich kurz setzten konnte, um in Ruhe die Nachricht zu lesen. Schnell war eine Möglichkeit gefunden und sie ließ sich auf einer Bank nieder, die sich auf ihrem Heimweg befand, legte ihre Tasche neben sich ab und sah nun genauer nach, was der Inhalt der Nachricht war.
""Sorry, dass ich jetzt erst antworte, aber ich hatte das Handy irgendwie verlegt.""
Schmunzelnd nahm sie die, eigentlich nicht notwendige, Entschuldigung und Rechtfertigung an. Immerhin befand er sich nicht in der Pflicht zu antworten, auch wenn sie doch ungeduldig darauf gewartet hatte.
""Kein Problem."", tippte sie hastig und ergänzte: ""Und hast du schon Pläne für heute? Oder habt ihr Training?""
Erst als sie die Nachricht abgeschickt hatte war ihr bewusst, dass sie geradezu mit der Tür ins Haus fiel. Das war nicht nur ein Wink mit dem Zaunpfahl, NEIN, da hing das gesamte Grundstück mit dran!! Peinlich berührt vergrub sie das Gesicht in den Händen.
Man bin ich plump, dachte sie und klatschte sich gegen die Stirn. Das war aber nicht sehr Ladylike.
Doch ehe sie sich weiter Gedanken um ihren schlecht verfassten Text machen konnte signalisierte ihr Telefon, dass sie eine Nachricht erhalten hatte. Strahlend sah sie auf die Antwort und konnte sich nun doch kein Quietschen verkneifen.
""Wenn du möchtest, hätte ich schon in ca zwei Stunden Zeit.""
Na das ließ sich die Journalistin kein zweites Mal vorschlagen. Im Eiltempo ging sie nach Hause um sich frisch zu machen und in bequemere Sachen zu schlüpfen. Bei einem kurzen Blick aus dem Fenster, beschloss sie ihre Regenjacke über zu ziehen und unter ihrem Rock eine Leggins zu tragen. Dieser Jahreszeitenwechsel war nicht zu unterschätzten, wenn man nicht aufpasste, fing man sich schneller einer Erkältung ein, als man bis Fünf gezählt hatte. Doch plötzlich fiel ihr ein, dass sie keinen Ort und keine genaue Uhrzeit abgemacht hatten. Panisch griff sie nach ihrem Handy, hielt jedoch mitten im Verfassen der Nachricht inne. Wo sollte sie sich denn mit ihm treffen? Schnell ging sie alle Möglichkeiten durch. Da durchfuhr sie ein Geistesblitz, als hätte sie in die Steckdose gepackt.
""Kennst du das kleine Café in dem Viertel in dem Ha-chan wohnt, an der Hauptstraße?""
""Meinst du das mit dem auffällig grünen Schild?""
""Ganz genau."", war ihre kurze Antwort.
""Dann würde ich sagen, 17 Uhr dort.""
Ein spitzer Freudenschrei verließ sie und sie sprang kurz auf und ab. Das war ja besser als ein Sechser im Lotto ... plus Superzahl. Nun konnte sie noch weniger nachvollziehen, dass sich ihre Freundinnen so anstellten. Natürlich musste man sich erst einmal überwinden, aber es funktionierte ..., auch wenn sie zugeben musste, dass Kuroko nachgeholfen hatte.
Aber ihr blieb keine Zeit sich darüber den Kopf zu zerbrechen, sie hatte nur noch eine halbe Stunde, also auf in den Kampf.


Der Herbst färbte die Bäume in allen erdenklichen Farben, nur leider war das Wetter nicht sonderlich schön. Die Farbenpracht kam so gar nicht richtig zur Geltung. Als ein leichter Wind aufkam, tanzten die Blätter über die Straße und ließen sich vom Wind tragen. Tief in Gedanken folgte sein Blick den auf und ab wehenden Blättern. Irgendwie beschlich ihn ein unbehagliches Gefühl. Wie kam er darauf sich so kurzfristig und geistesgegenwärtig mit Kaiou zu treffen? Nicht, dass er sie nicht mochte, aber es war doch seltsam. Eigentlich hatte er keinerlei Interesse sich derzeit mit Mädchen abzugeben und auch gar keine Zeit, da ein Spiel anstand, aber ihm war irgendwie danach. Nun stand er hier, am vereinbarten Treffpunkt, die Hände tief in den Taschen vergraben und sah sich in der Gegend um. Das Café war bei dem Wetter nicht sonderlich gut besucht, also herrschte zumindest keine Platzknappheit. Schnell schüttelte er diesen Gedanken ab.
Was seine Schwester wohl davon hielt, dass er sich mit einer ihrer Freundinnen traf? Wieso machte er sich darüber überhaupt Gedanken? Es war doch nur ein kleines, unverbindliches Treffen. Es war ja nicht so, dass es ein Date war, oder er irgendwelche anderen Absichten hatte. Irgendwie fühlte er sich eigenartig ertappt bei diesem unsinnigen Gedankengang und massierte sich die Nasenwurzel.
Tief durchatmen, mahnte er sich selbst und als er wieder aufsah, stand auch schon Kaiou mit einem einnehmenden Lächeln vor ihm.
»Hallo, ... Kagami-kun«, sagte sie zaghaft und strahlte den Hünen aus ihren großen blauen Augen an.
Außer ein eher unbeholfenes »Hi«, hatte er nichts zu Stande gebracht. Die ganze Sache kam einfach zu überraschend und so oft hatte er sich nun auch noch nicht mit anderen Mädchen getroffen, seit er aus Amerika zurück war. Es war schon fast unheimlich wie „gesittet" es hier in heimischen Gefilden zuging, denn in Amerika waren die Mädchen viel direkter und vor allem aufdringlicher. ... Was nicht immer ein Nachteil war. Aber Kaiou schien eine gesunde Mischung aus beidem zu sein, direkt, aber nicht penetrant aufdringlich. Kurz stieß sie ihn an und deutete auf den Eingang hinter ihm, den er wie ein Türsteher bewachte.
»Wir sollten rein gehen, das Wetter ist zu ungemütlich um draußen zu stehen«, schlug sie vor und griff ihn nun beherzt am Arm. Überrascht ließ er ihr das durchgehen, das hatte sie schon einmal getan. Ihn einfach so am Arm gegriffen und mit sich gezogen, unter dem Vorwand Kuroko hätte nach ihm gerufen. Dieses Mädchen steckte voller Überraschung und Ungereimtheiten.
Als sie sich schließlich gesetzt hatten kam Kaiou ohne Umschweife sofort zur Sache. Immerhin hatte sie leider Kuroko zugesagt ihren Power Forward ein wenig auszufragen, ob er etwas Genaueres wusste.
»Und? Wie läuft das Training?« Schön langsam anfangen, bevor ich mich verrate, dachte sie scheinheilig lächelnd.
»Ganz ok, sofern man Rikos Urteil glauben kann.«
»Habt ihr demnächst wieder ein Spiel? Das wäre nämlich ganz gut, weil Ha-chan eine neue Kamera hat.«
»Ja, aber das ist nur ein Kleines. Da wird nicht so viel los sein wie beim Letzten«, sie sah ihm das Unbehagen deutlich an. Es war einfach zu offensichtlich, da er an dem kleinen Tischdeckchen, was zur Dekoration gehörte, herum zupfte.
»Das Spiel gegen Kaijo, ... hmm, ... also Ha-chan hat keine sehr hohe Meinung von Kise«, erwähnte Kaiou eher beiläufig.
»Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte sie nun ehrlich überrascht und blätterte, ohne auf die Karte zu schauen, einfach weiter die Seiten durch.
»Er hat danach noch mit Kuroko gesprochen, während ich daneben stand. Er hat auch noch irgendwelche „Gerüchte" erwähnt.«
Nun wurde Kaiou leicht unruhig, dass er die Gerüchte zuerst ansprach, war kein gutes Zeichen. Es eher beiläufig klingen lassend, fragte Kaiou weiter.
»Was hat er denn erzählt?«
»Ehrlich gesagt, klang es ziemlich weit an den Haaren herbei gezogen«, antwortete Kagami-kun ernst. »Ich weiß zwar nicht wie er darauf kommt, aber so komisches Gerede zieht wirklich weite und große Kreise«, ergänzte er stutzig.
»Bei uns macht auch so ein „Gerücht" die Runde. Aber da geben wir nicht viel drauf«, log die Journalistin. Also wusste er von den Gerüchten, genauso wie Kuroko es vermutete, aber es war so viel im Umlauf und er reagierte relativ gelassen darauf, so dass sie der Meinung war, dass er entweder nicht das brisante Gerücht gehört hatte, oder aber ein komplett anderes aufgeschnappt hatte.
»Was für ein Gerücht ist das denn bei euch?«, fragte sie schließlich, doch sie wurde von der Kellnerin unterbrochen, die sie nach ihrer Bestellung fragte. Kaiou bestellte sich einen Pfirsicheistee und Kagami-kun wollte nichts haben. Nachdem die Bedienung wieder gegangen war blickte Kaiou den Power Forward erwartungsvoll an, bis ihm einfiel, dass sie ihm ja eine Frage gestellt hatte. Kurz mit der Schulter zuckend antwortete er schließlich.
»Angeblich würde sie Aomine schöne Augen machen, aber ernsthaft ...«, lachte er freudlos. »Da kennen die Haruka schlecht. Die würde sich eher eurem Center um den Hals werfen, als sich freiwillig mit Aomine abzugeben. Oder sie wirft sich vor den Bus.«
Ertappt kaute Kaiou auf ihrer Unterlippe herum. Also hatte er schon das Richtige aufgeschnappt.
»Das er sich aber mit einer Anderen trifft, davon hat keiner was gesagt?«, fragte die Blauhaarige vorsichtig nach.
»Nicht das ich wüsste. Warum?«
Schwer seufzend schob sie sich eine ihrer langen Haarsträhnen hinter die Ohren und blickte ihn eindringlich an.
»Naja, wie gesagt, das ist alles dummes Gerede. Von Person zu Person wird entweder etwas weggelassen, oder dazu gedichtet. Also gib lieber nicht so viel drauf.«
»Du musst es ja wissen.«
»Ganz genau, immerhin schreibe ich für die Schülerzeitung und ich höre ständig irgendwelchen „Dummsabbel".«
Obwohl sie ihn beschwichtigte, sah er sie dennoch skeptisch an. Sie konnte förmlich auf seiner Stirn lesen, dass es ihm spanisch vorkam, dass Kaiou ihn so ausfragte und zwar ganz geschickt und hinten herum. Als die Kellnerin mit ihrem Getränk kam und dann auch wieder verschwunden war, fragte der Rothaarige sie direkt.
»Kaiou, du wirst dich ja nicht ohne Grund so aus heiteren Himmel mit mir treffen wollen und du stellst die ganze Zeit so blöde Fragen«, sagte er ernst. Unter seinem kühlen Blick erstarrte die Blauhaarige inmitten ihrer Bewegung, bis sie ihr Glas wieder abstellte.
»Wieso spielst du so auf Haruka an? Hat sie etwa Ärger wegen der ganzen Sache?«
»Naja, ... nicht direkt Ärger. ...«, gestand sie schlussendlich. »... es ist eher so, dass sie etwas ... gekränkt ist.«
Nichtverstehend sah er sie an und wartete bis sie weiter redete.
»Die Gerüchte haben ja nun, mehr oder minder aufgehört, aber sie hat da noch das ein oder andere kleine ... gefühlstechnische Problem.«
»"Gefühlstechnische Probleme"? Ist sie verknallt, oder was? Ist es wegen dem Typen, mit dem sie sich Abends trifft?«
»Also wenn du so fragst, ...«, druckste sie um eine klare Antwort herum. »... irgendwie schon.«
»Sag endlich was los ist«, forderte er sie auf. Nervös rührte sie mit ihrem Strohhalm in ihrem Eistee, verdammt, sie war wirklich zu plump an die Sache rangegangen und viel zu schnell. Ihm tief in die Augen blickend, wog sie ab, ob sie es Kagami-kun wirklich sagen sollte. Aber nach wenigen Sekunden hatte sie eine Entscheidung gefällt. Alles andere wäre ihm gegenüber unfair.
»Das Gerücht, welches du gehört hast, nun ... das stimmt irgendwie«, sagte sie schließlich. »Sie scheint Aomine-kun wirklich zu mögen.«
Eingehend musterte sie seine sich verfinsterte Miene.
»Und bevor du fragst, JA, sie hat sich mit ihm an dem Abend getroffen. Es wunderte mich selbst, dass sie danach so „normal" miteinander umgegangen sind. Diese Streitereien, die sie haben, sind wohl so eine Art „Anreiz", oder so.«
Zähneknirschend atmete Kagami-kun kurz tief ein, ehe er ein hohles, freudloses Lachen verlauten ließ.
»Das ist ja wohl nicht dein Ernst«, entfuhr es ihm leise.
»Ähm ... doch.«
»Und was läuft da zwischen den beiden jetzt genau?«
»Nichts.«, sagte sie kurz. Verwirrt blickte der Rotschopf sie an.
»Wie „nichts"? Ich denke ...«
»Als sie es ihm gesagt hat, scheint er wohl ziemlich unterkühlt reagiert zu haben und hat sie im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen gelassen. Aber es passt irgendwie nicht, da er sie vorher eigentlich ziemlich ..., ja wie sag ich das jetz, ohne das es komisch klingt? ... Er hat sie schon irgendwie angebaggert und ihr so das Gefühl gegeben, dass da mehr sein könnte. Es wundern mich selbst, dass er so nüchtern reagiert hat. Naja, das einzig blöde ist nur, dass er sich seit geraumer Zeit noch mit einer anderen trifft, das macht die ganze Sache natürlich nicht erträglicher.«, als hätte sie ein Geheimnis ausgeplaudert, zu dessen Schweigen sie einen Schwur abgab, sah sie betreten auf das Tischdeckchen. »Das hat sie ziemlich mitgenommen, aber sie scheint es gut weggesteckt zu haben.«, doch ehe Kaiou ausgesprochen hatte, war der Power Forward aufgesprungen und hatte sich seine Jacke geschnappt.
»Kagami-kun! Was ist los?«, fragte die Journalistin erschrocken.
»Glaubst du ich sitz hier rum und hör mir von dir an, wie er meine Schwester verarscht?«, knurrte er leise. Fassungslos starrte sie zu dem Hünen hinauf.
»Kagami-kun, lass das, setzt dich wieder hin. Wie gesagt, das regelt sich schon irgendwie wieder und es hat sie jetzt nicht aus der Bahn geworfen oder so.«
»Ja, das regle ich sofort. Der hat sich definitiv die falsche Peron gesucht um so eine Show abzuziehen«, und ehe Kaiou reagieren konnte, war der Rotschopf aus dem Café gestürzt, mit einem Satz hatte auch sie sich erhoben und sah sich hektisch nach der Kellnerin um, sie musste ihren Eistee noch bezahlen.

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