Kein verstecken mehr

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Der nächste Schultag war mit Abstand der aufregendste für sie, in jedweder Hinsicht. Es war irgendwie anders, heute in den Klassenraum zu kommen und sich neben Momoi zu setzten. Sie vermieden es nach Möglichkeit gemeinsam mit Aomine zur Schule zu kommen, was auch nicht weiter schwer war, da das Basketball Ass ohnehin erst auf den letzten Drücker kam.
Aber als er den Raum betrat war es wirklich anders, was es war konnte sie nicht genau bestimmen. Lag es vielleicht daran, dass er ihr einfach ganz offensichtlich und direkt zuzwinkerte, oder die Tatsache, dass Momoi sie verschwörerisch angrinste? Ihr stieg die Röte in den Kopf und sie mahnte sich zur Ruhe. Das letzte, was Kagami-chan gebrauchen konnte war, dass ihr Kopf rot wie ein Hydrant wurde, obwohl es bei ihrer Haarfarbe nicht weiter auffiel.
Dann läutete die Schulglocke zum Stundenbeginn.
Das hieß nun, die Minuten zählen, bis die Schule vorbei war, auch wenn sie noch immer gemischte Gefühle hatte.

So richtig auf den Unterricht konnte sich der Rotschopf nicht konzentrieren, daher kam die erste große Pause wie gerufen, um den Kopf frei zu bekommen. Aomine war mit ein paar anderen Jungen ziemlich schnell verschwunden und Momoi hatte auch etwas Wichtiges vor. Durch den Schulflur schlendernd, ging Kagami-chan ihres Weges und suchte nach Kaiou. Sie hatte die Journalistin eine ganze Weile nicht mehr richtig gesprochen, seit diese mit ihrem Zwilling herum hing. Vielleicht sollte sie ihr mal einen Besuch abstatten, schaden konnte es nicht. Doch weiter als bis zur Ecke des Treppenhauses kam sie nicht.
Wie aus dem Nichts spürte sie eine Hand, die sich um ihren Oberarm krallte und sie um die Ecke zerrte. Erschrocken holte sie Luft und blieb wie versteinert mit dem Rücken zur Wand stehen. Als sie realisierte, wer sie gerade weggezogen hatte, schlich sich Unmut auf ihr Gesicht.
»Was soll das?«, flüsterte sie.
»Was?«, fragte der Blauhaarige scheinheilig.
»Na das. Wir waren uns doch einig, das die Schule tabu ist«, fauchte sie leise.
»Was ist, wenn ich dir sage, dass ich an einem Punkt bin, an dem mir die ganze Schule und alle anderen, scheiß egal sind?«, raunte er und beugte sich näher zu ihr herunter, damit sie leiser reden konnten.
»Wieso hab ich das Gefühl, dass ich dabei irgendwie Gefahr laufe, erneut ins Schussfeld zu geraten?«, entgegnete sie. Also täuschte ihr Gefühl sie nicht, er geriet wirklich an seine Grenzen.
»Ich sorg schon dafür, dass es nicht peinlich wird, keine Sorge«, sagte der Blauhaarige ernst und stützte sich mit den Ellen an der Wand ab, dabei war er ihr näher, als dem Rotschopf lieb war.
»Ich mach mir aber Sorgen.«
»Worüber?«, fragte er irritiert.
»Dass die uns irgendwann in einer ähnlichen Situation überraschen, wie ich dich, oder dein Vater.«
Das entlockte ihm ein leises Kichern.
»Spielst du etwa auf die Situation im Bad an?«
»Räum mir doch erst einmal die Zeit ein, diese sehr peinliche und unangenehme Situation zu verarbeiten, bevor du mich in die nächste zerrst«, knurrte sie und lief, bei der Erinnerung an das Szenario im Bad, rot an.
»Jetzt tu nicht so, als hätte ich splitternackt vor dir gestanden. Außerdem warst du in meinem Bad, schon vergessen?«, raunte er dunkel.
Nur das dein Vater plötzlich mit drin stand, knurrte ihr inneres Ich und vergrub das Gesicht in den Händen, während sie selbst versuchte ihre Fassade zu wahren.
Verlegen versuchte sie seinem Blick auszuweichen und erwischte sich dabei, wie sie seinen Lendenbereich musterte. Schnell hob sie wieder den Blick, doch da grinste er sie schon schmierig und wissend an.
»Außer natürlich, du hast gehofft, dass mir das Handtuch von der Hüfte gleitet.«
Hoffentlich konnte er ihren Herzschlag nicht hören, es schlug viel zu schnell und mit viel zu viel Brutalität gegen ihren Brustkorb und erschwerte ihr das Atmen. Jetzt, wo er ihr so etwas Fantasie anregendes ins Ohr hauchte, begann ihre eigene Vorstellung vollends mit ihr durch zu gehen. Ihr Hirn drehte selbst kleine Filmchen und ihr Kopfkino fuhr als Tagtraum durch ihre Gedanken. Schnell schüttelte sie heftig den Kopf, um diesen wieder frei zu bekommen und versuchte mit aller Gewalt die noch heftiger aufsteigende Röte hinunter zu schlucken. Doch Aomine ließ ihr einfach keine Zeit um sich zu beruhigen, dass sein warmer Atem ihr Ohr streifte und eine seiner Hände nun ruhend auf ihrer Hüfte lag, machte es nicht besser.
»Nicht hier, bitte«, bat sie leise und mit zusammengekniffenen Augen. »Gleich beginnt die nächste Stunde, wir sollten ...«, doch er schnitt ihr mit einem flüchtigen Kuss das Wort ab.
»Überzeugt, aber lange hältst du mich nicht mehr auf Abstand.«
»Was heißt hier schon wieder auf "Abstand", wir sind in der Schule«, entfuhr es ihr entrüstend und sie schenkte ihm einen anklagenden Blick.
»Ja ja, versteck dich nur weiter hinter Ausreden«, sagte er und plötzlich wurde sein Blick kühl, als würde er eine Drohung aussprechen wollen. »Wir sind nicht ewig in der Schule.«
Und genau DAS war ihr mehr als bewusst, denn ihre „Verabredung" fiel ihr probt ein.
Vielleicht sollte sie doch anfangen Lotto zu spielen.

Kaiou schlurfte demotiviert wie eine Raupe durch die Flure und war tief in Gedanken versunken. Sie war in letzter Zeit viel zu leicht abgelenkt. Ihr schwirrte viel zu sehr der rothaarige Power Forward der Seirin-High durch den Kopf und beschwerte ihr eine innere Unruhe, wie sie sie schon lange nicht mehr hatte. Keine unangenehme, im Gegenteil. Der einzige Nachteil war, dass sie viel zu aufgeregt war, geradezu aufgescheucht. Dennoch ging sie fast tänzelnd durch die Schulflure, auch wenn sie den ein oder anderen fragenden Blick zugeworfen bekam. Egal!
Ihre Laune befand sich grenzwertig am Maximum. Sie hatte den Eindruck nichts und absolut niemand könnte ihr die Stimmung vermiesen. Nachdem Momoi auch endlich Shirahama den letzten Wind aus den Segeln genommen hatte, machte ihr der Club noch mehr Spaß und auch die Schule. Eigentlich lief alles viel besser. So konnte es in Zukunft immer laufen. Schön ruhig, gelassen, stressfrei.
Ach wie sie diese Tage genoss.
Und mit einem nicht zu verfinsternden Lächeln auf den Lippen, ging sie weiter gut gelaunt ihres Weges.

Himmel war sie genervt, schon den ganzen Tag kamen irgendwelche aufgetakelten, adrett gekleideten, die Schleife der Uniform perfekt gebunden, jede Haarsträhne perfekt sitzende, Mädchen auf sie zu. An sich war es nicht weiter schlimm, aber dass sie ihr ständig einen Brief in die Hand drückten, nervte sie. Da die "Gerüchte" um sie und Aomine nun ausgemerzt wurden und es sich offiziell wieder beruhigt hatte, witterten die Mädchen wieder ihre Chancen. Da Momoi nun nicht mehr alleine einen "guten Draht" zu dem Power Forward hatte, gaben die anderen nun dem Rotschopf die kleinen mutig geschriebenen Briefe. Die Mitschülerinnen konnten ja nicht ahnen, dass seit geraumer Zeit, die Gerüchte, keine Gerüchte mehr waren, da die beiden es geheim hielten. Lediglich Kaiou und Momoi wussten es genauer, dem Rest konnte es egal sein. Aber genau diese Heimlichtuerei war anstrengender, als die damals noch aufgewühlten Gerüchte und genau diese begannen langsam an Aomines Geduldfaden zu zerren.
Aber nun hatte sie wieder einen dieser "Briefe" in der Hand, welchen sie am liebsten zerrissen hätte. Aber sie war ja eine ausgesprochen nette Person. Zuvorkommend, hatte für jeden ein offenes Ohr, oder auch zwei ..., ach wem machte sie eigentlich etwas vor? Am liebsten würde sie die Briefe zerknüllen, zerreißen und verbrennen. JA! Das klang nach einem Plan.
Aber alles Schimpfen brachte nichts und so machte sie sich auf dem Weg zum Dach, wo sie den Power Forward vermutete.
Und sie hatte richtig vermutet. Lässig lag er dösend auf dem Schuldach und ließ alles an sich vorbei ziehen. Kurz räusperte sich die Rothaarige, ehe er träge ein Auge öffnete.
Doch bevor er etwas sagen konnte, warf sie ihm den Stoß Briefe hin, welcher auf seiner Brust und einer im Gesicht liegen blieb. Genervt stöhnte er auf und hielt sich den, der auf seinem Gesicht gelandet war vor die Augen und musterte ihn kritisch.
»Die sind für dich«, schnaufte sie abfällig.
»Sag mir nicht, dass sie dich zur Botin degradiert haben.«
»Wie du siehst doch, ich als deine neue Kumepline«, der mürrische Unterton der jedes Wort bekleidete war nicht zu überhören und das entlockte ihm glatt ein leises Kichern. Mit einem Ruck hatte er sich aufgerichtet, wobei die anderen Briefe von ihm runter rutschten.
»Das klingt als wärst du Eifersüchtig«, bemerkte er, doch das entlockte ihr einen weiteren trotzigen Laut.
»Unsinn. Es nervt nur, dass ich dir Liebesbriefchen zustecken muss.«
»Du könntest sie auch einfach verschwinden lassen und ich würde es gar nicht mitbekommen.«
»Zugegeben, die Option habe ich in Betracht gezogen«, gestand sie und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Biest«, raunte er und schenkte ihr ein schelmisches Lächeln.
»Was denn? Ich hab es doch nicht gemacht, also ist alles in Ordnung«, jetzt klang es wirklich wie ein eifersüchtiges Frauchen, auch ihre Miene wirkte angespannt, gereizt geradezu.
Die Gelegenheit nutze der Blauhaarige und öffnete provokativ den Brief, den er noch in der Hand hielt und überflog die Zeilen. Missmutig beobachtete die Fotografin ihn dabei, sagte aber nichts dazu.
Dann legte sich ein schmieriges Grinsen auf sein Gesicht und er legte den Zettel bei Seite.
Eigentlich erwartete er, dass sie fragte, was drin stand, aber sie schwieg weiter.
Stattdessen setzte sie sich im Schneidersitz neben ihn und knurrte mürrisch in sich hinein. Einen Versuch startete er noch und nahm einen anderen zur Hand, den er ebenfalls öffnete und las.
Ok, wenn er ehrlich war, war das was drin stand wirklich beschränkt und schon irgendwie zum Fremdschämen. Auch wenn es auf eine Art mutig war, wie sie ihm etwas vorschwärmten und wie leichtfertig sie mit den Worten „Ich liebe dich" umgingen, das war auch nicht sonderlich verlockend.
Als er auch den Brief weg gelegt hatte, sagte sie noch immer nichts, bis er dann das Wort ergriff.
»Willst du nicht wissen, was die so schreiben?«, fragte er sie, doch Kagami-chan zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.
»Das geht mich nichts an«, war ihre Antwort und so wie sie es sagte, meinte sie es dieses Mal auch.
Überrascht über diese Antwort zog er die Augenbrauen in die Höhe. Tat sie nur so Gleichgültig, oder war das gerade ihr voller Ernst?
Sich nicht sicher, was er von ihrer Reaktion halten sollte, kniff er sie in die Seite, woraufhin sie erschrocken zusammenzuckte und einen kurzen spitzen Schrei verlauten ließ.
»Das tat weh!«, giftete sie und rieb sich die leicht schmerzende Stelle, während ihr Blick ihn dafür strafte.
»Du bist eine lausige Lügnerin, Hexe«, entgegnete er nüchtern.
Eingeschnappt blickte sie ihn aus ihren dunkelroten Augen an.
»Es interessiert mich wirklich nicht.«
»Wie du meinst.«
Da war es nun an ihr ihm ihren Ellenbogen leicht in die Rippen zu stoßen.
»Du bist blöd, willst du mich so sehr eifersüchtig machen?«, fragte sie nun und musste nun auch lächeln.
»Einen Versuch war es ja wert, oder?«, fragte er und rieb sich auch kurz die angestoßene Stelle, während sich die Rothaarige wieder erhob, um zu gehen.
»Ach ja, wegen nachher ...«, hielt er sie auf. »Soll ich dich zu Hause abholen, oder willst du dich lieber irgendwo treffen?«
Überrascht wandte sie sich um.
Er meinte es wirklich ernst, also war er es wirklich, der ihr die SMS geschickt hatte. Nicht, dass sie es wirklich angezweifelt hätte, aber komisch kam es ihr doch vor.
»Wir sollten uns lieber irgendwo treffen«, entgegnete sie und er nickte nur zustimmend.

Später am Nachmittag stand Aomine am vereinbarten Platz und sah sich suchend nach dem Rotschopf um.
Sie war nicht der Typ, der sich verspätete, aber eigenartig war es dennoch.
Als er sich erneut umwandte um den Blick durch die Straße schweifen zu lassen, stand plötzlich eine junge Frau vor ihm, mit langen blonden Haaren und einer Brille mit etwas breiterem Rahmen.
Bei genauerer Betrachtung war sie gar nicht mal so unansehnlich. Sie trug eine schwarze, schlichte Bluse und eine dunkle Jeans, die etwas enger geschnitten war. Zwar war sie etwas groß, aber das war Kagami-chan auch. Als er sie schließlich eingehender musterte, wurde er skeptisch und fiel bei genauerem Hinsehen fast vom Glauben ab. Perplex starrte er sie an.
»Was zum Teufel trägst du da?!«, fragte Aomine und beäugte kritisch das Mädchen, welches sich nun direkt vor ihn gestellt hatte.
»Das nennt man Perücke«, knurrte sie und zwirbelte an einer langen Haarsträhne herum. »Damit man mich nicht erkennt.«
»Und die musste unbedingt blond sein?«
»Wieso? Hast du was gegen Blondinen?«
»Nein, aber ... es ... ist ungewohnt.«
»"Ungewohnt"?«, fragte sie nach und hob eine Braue.
»Nimm die Perücke ab«, sagte er streng und streckte schon seine Hand nach ihrem Schopf aus. Er konnte es nicht glauben, dass Kagami-chan sich wirklich verkleidet hatte und er beinahe einer Blondine auf dem Leim gegangen wäre. Was war denn mit ihm los?!
»Nein. Wenn ich die nicht trage, erkennt mich jeder. So heißt es nur, dass du dich mit irgendeiner ... Blondine triffst. So bist du fein aus der Sache raus und ich auch«, stellte sie klar und hielt seine Hand auf.
»Und warum trägst du eine Brille?«
»Damit meine Tarnung perfekt ist. Das ist die alte Lesebrille meiner Tante, ... nur bin ich leider stockblind damit. ...«, gestand Kagami-chan und blinzelte ein paar Mal.
»Jetzt mach dich nicht lächerlich. Außerdem wo hast du die Perücke überhaupt her?«
»Auch von meiner Tante und jetzt lass mich«, zeterte der eigentliche Rotschopf.
»Wenn es dich glücklich macht?«, sagte Aomine schließlich kapitulierend und stöhnte genervt auf.
»Nicht glücklich, aber es gibt mir ein Gefühl von Anonymität. ... Nenn es von mir aus „Sicherheit".«
»Ich bevorzuge den Ausdruck „Paranoia"«, brummte er genervt und ging los.
Eilig folgte sie ihm und versuchte mit Aomine Schritt zu halten.
»Ich bin nicht paranoid«, verteidigte sie sich, schob die geliehene Brille zurecht und stolperte halb blind hinter dem Power Forward her.
»Nein? Also ist es ein Fetisch von dir? Wenn du auf Rollenspiele im Bett stehst, sag es einfach.«
»W-was? Nein, ... wo denkst du hin!«, empörte sie sich.
Da hielt Aomine abrupt inne, so plötzlich, dass Kagami-chan gegen ihn lief und drehte sich mit einem Ruck zu ihr herum.
»Nimm jetzt diese lächerliche Perücke ab und hör auf dich zu verstecken«, knurrte er bedrohlich, anscheinend war sein Geduldsfaden heute verflixt kurz geraten.
»Vergiss es«, knurrte sie zurück und kniff bedrohlich die Augen zusammen, die er durch die Brille ohnehin kaum sah.
»Wenn du willst, dass dich niemand erkennt, dann werf dich in ein Sommerkleid, schnapp dir ein paar High Heels, schmink dich und wackle mit deinen Hintern.«
»Wie bitte?! Ist das deine Vorstellung von mir, oder was?«
»Was? Nein«, sagte er ernst, »Aber wenn du unerkannt sein willst, ist etwas Gegenteiliges von dir besser als ... das da«, sagte er abfällig und nahm ihr die Brille ab.
Ein protestierender Laut kam von ihr, als er ihr auch die Perücke entriss, doch er quittierte ihren Protest eisern indem er ihre „Accessoires" nahm und lieblos in ihre Tasche stopfte.
»So, das wäre erledigt«, brummte er und zog den Reisverschluss ihrer Tasche zu.
»Hey!«, giftete sie und sah ihn fassungslos an.
Nun fiel Kagami-chans natürliches rotschwarzes Haar ihr ungeordnet ins Gesicht und stand leicht ab.
»Was „hey"? So ist es besser, Hexe.«
»Toll, nun seh ich aus wie ein Mobb«, motzte sie und verdrehte die Augen.
»Als ob du dich um dein Aussehen scherst«, sagte er spöttelnd und lachte hohl und freudlos auf.
»Ok, du hast Recht. Aber trotzdem«, murrte sie beleidigt und fuhr sich mit ihren Fingern durch die Haare um sie etwas zu ordnen. Kritisch musterte er ihren Versuch, sich die Haare zu richten, bis er schließlich selbst die Hand nach einer widerspenstigen Strähne ausstreckte und sie zwischen Daumen und Zeigefinger hielt.
Sein Blick war plötzlich ernst und von dem vorangegangenem Spott war nichts mehr in seinen Augen zu sehen.
»Du solltest dir die Haare wieder schneiden«, sagte der Power Forward mit dunkler Stimme. »Kurz stehen sie dir besser.«
Überrascht über diese plötzliche Aussage, stieg ihr wieder eine heiße Röte in den Kopf und sie schluckte trocken um wieder anständig atmen zu können. Ihr kleines Ich, saß vor einem Spiegel, mit einem Kamm und versuchte sich durch die, nun mittlerweile, dichte Haarpracht zu kämpfen, streckte nach einem kurzen Augenblick jedoch kapitulierend die weiße Fahne und sah aus wie ein mit Weichspüler gewaschener Hamster. Beherzt griff ihr kleines Ich zu einer Schere und schnipp schnapp, waren die Haare ab!
Wenn sie ehrlich war, störte sie die Länge auch, doch das Aomine es so offen ansprach, gab ihrem Selbstwertgefühl eine Feder mehr für ihre Flügel.
Schnell drängte sie ihr Hirn nach einer Ausweichmöglichkeit zu suchen und drehte gespielt eingeschnappt den Kopf zur Seite.
»Wenn ich mir jetzt die Haare abschneide, passt es nicht mehr zu diesem unbequemen und unpraktischen Kleid, welches ich anziehen soll«, versuchte sie abzulenken, doch leider war das die absolut falsche Taktik.
»Wenn dir das Kleid, welches du gewillt bist anzuziehen, zu unbequem wird, helfe ich dir gerne da raus«, raunte der Power Forward ihr nun ins Ohr und ihr stieg augenblicklich eine ungeahnte Hitze ins Gesicht.
So hatte sie sich das nicht vorgestellt.

Nach nur wenigen Minuten war die traute Zweisamkeit bereits dahin.
Das war der Moment, vor dem sie sich bisher am meisten gefürchtet hatte, dass genau das passieren könnte. Das erste Mal "offiziell" als Paar auf der Straße umher zu wandern und dann abgelöst zu werden. Natürlich musste sie sich damit abfinden und damit rechnen das er jeder Zeit von irgendwelchen Mädchen angesprochen wurde. Kleinen, zierlichen, niedlichen ... hübschen und vor allem, höflichen und netten Mädchen. Nun sank ihr Selbstwertgefühl gen Null, es war, als hätte man ihr das Rückgrat heraus gerissen und würde es ihr unter lautem Gejohle darbieten. Prüfend warf sie einen kurzen Blick in die Spiegelung des Schaufensters, während Aomine sich mit den zwei Mädchen auseinander setzte. Na so hässlich war sie nun auch nicht, oder? Schnell schob sie eine widerspenstige Haarsträhne hinter ihr Ohr und wandte ihrem Spiegelbild den Rücken zu. Wem machte sie hier eigentlich etwas vor? Etwas abseits stehend, seufzte sie vor sich hin und wartete darauf, dass diese beiden vorzeige Models endlich das Weite suchten. Es war unglaublich, wie sie sich anbiederten und sich vor ihm präsentierten. Nach einer gefühlten Ewigkeit war ihre Geduld aufgebraucht und die Fotografin machte auf sich aufmerksam.
»Könnt ihr mir mal erklären, was das soll?«, fragte die Rothaarige gereizt und fixierte die beiden anderen mit finsterer Miene.
Gleichgültig zuckte die Kleine der beiden die Schultern und erwiderte scheinheilig: »Ich versteh gar nicht, wo das Problem ist, wir haben ihn doch nur eingeladen.«
»Genau DAS ist das Problem«, Du eingebildete Schrulle, hätte sie am liebsten dran gehangen, aber die zwei Weibsbilder ignorierten sie eiskalt.
Diese unverschämten Frauenzimmer, knurrte Kagami-chans Unterbewusstsein und lud die imaginäre Panzerfaust durch. Sie wollten Krieg, den konnten sie haben. Man sah ihr deutlich an, wie ihr Geduldsfaden sich dem Ende näherte und sich ihre Körpersprache änderte, ihr Auftreten wirkte plötzlich viel herausfordernder und bedrohlicher. Das erinnerte den Basketballspieler an den Moment vor ein paar Monaten, als sie sich als seine Freundin ausgab. Beinahe hätte das Verhalten der Rothaarigen ihm ein Lächeln entlockt, doch auch er sah sich langsam gezwungen etwas zu unternehmen.
Ein genervtes Stöhnen kam von den Power Forward und Kagami-chan sah wie Aomine sich verärgert den Nacken rieb.
»Hört mal, ...«, begann der Blauhaarige kühl dreinblickend. »Vielleicht ist es euch entgangen, aber ich bin nicht allein unterwegs.«
Überrascht horchte Kagami-chan auf und beobachtete die Reaktion der beiden Mädchen, die ihn verdutzt und ungläubig anblickten.
»Wie bitte?«, entfuhr es der Schwarzhaarigen, mit dem auffällig violetten T-Shirt. Er wollte ihr doch jetzt nicht wirklich eine Abfuhr erteilen?
»Ihr scheint nicht die Hellsten zu sein, oder?«, knurrte der Blauhaarige ungeduldig und griff nun die Fotografin am Arm, um diese zu sich zu ziehen. Perplex blickte diese Aomine nur aus ihren dunkelroten Augen an und ließ zu, wie er ihr einen Arm um die Schulter legte. Somit waren die "Besitzansprüche" geklärt und er verhinderte, dass sich die Mädels die Augen auskratzten.
»Also, wenn es weiter nichts gibt, wir haben noch was vor«, sagte er mit dunkler Stimme und ließ die beiden Mädchen stehen. Nachdem sie wenige Meter gegangen waren, schob Kagami-chan genervt seinen Arm von ihrer Schulter und schnaufte als ob ihr das Ganze zu lästig wäre. Eine Augenbraue hebend warf Aomine ihr einen fragenden Blick zu.
»Hast du irgendwas?«
»Wie kommst du darauf?«, fragte sie schnippisch und ging weiter.
»Hm, lass mich nachdenken«, sagte er gespielt im ermittelnden Ton. »Vielleicht, weil du wütend und genervt aussiehst? Aber ich könnte natürlich auch falsch liegen und du bekommst einfach nur Besuch von "Tante Rubina"«, sein theatralischer Ton gefiel der Rothaarigen gar nicht und ließ ihren Blutdruck merklich ansteigen.
Meine Periode hat nicht das geringste damit zu tun, knurrte ihr kleines Ich und fuchtelte wild mit den Ärmchen.
»Sorry, aber es ist nun einmal nicht leicht für mich, wenn die anderen Mädchen in Schwärmen auf dich zu fliegen«, entgegnete sie mürrisch. »Und ich plötzlich im Weg stehe.«
Kopfschüttelnd kratzte er sich am Hinterkopf und seufzte gedehnt.
»Wie verdammte Motten, die das Licht umkreisen, ätzend«, ergänzte sie leise vor sich hin motzend und trat einen kleinen Stein bei Seite.
»Damit musst du dich wohl abfinden«, sagte der Blauhaarige nüchtern. »Solche Situationen werden nicht ausbleiben.«
Ein leises Brummen kam von Kagami-chan und sie sah beleidigt zur Seite, nun wurde es ihm zu bunt und er packte sie bestimmend am Arm und zwang sie dazu stehen zu bleiben. Daraufhin drehte sie sich zu ihm um und sah ihn, mit stillem Vorwurf im Blick, an.
»Ich toleriere es vielleicht, aber das heißt nicht, dass ich es akzeptiere. Da gibt es einen kleinen aber feinen Unterschied«, entgegnete sie kühl.
»Oh oh, bist du etwa eifersüchtig?«, fragte er süffisant grinsend und fixierte sie mit seinem herablassenden Blick.
Da legte sich ein leichter Rotschimmer auf ihre Wangen, den sie versuchte zu verbergen, mit wenig Erfolg.
»Nein«, schoss es, etwas zu schnell für seinen Geschmack, aus Kagami-chan heraus.
»Also für mich sieht es ganz danach aus«, widersprach er und beugte sich tief zu ihr hinunter. »Zeigst du etwa mal deine feminine Seite?«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, verneinte die Rothaarige weiter eisern und verschränkte die Arme vor der Brust. Bestimmend packte er sie am Kinn und zwang sie dazu ihn an zu sehen.
»Ich meine damit, dass du wieder die Krallen ausfährst«, flüsterte er. Ihre Augen verengten sich bedrohlich zu Schlitzen und sie funkelte ihn böse an.
»Ich bin keine verdammte Katze«, fauchte sie und wollte seine Hand lösen.
»Miez, miez, miez«, raunte er dunkel und beugte sich noch tiefer zu ihr herunter, als sie begriff, dass er sie küssen wollte, legte sie ihren Zeigefinger auf seine Lippen.
»Vergiss es«, knurrte sie, doch das entlockte ihm nur ein müdes Lächeln. Fix hatte er ihre andere Hand geschnappt und zwang ihr dennoch einen flüchtigen Kuss auf, ehe er sie ganz los ließ und grinsend weiter ging. Sie konnte nicht gewinnen und das wusste sie und das würde er ihr bei jeder Gelegenheit unter die Nase reiben, immer wenn sie der Meinung war, einen Sieg errungen zu haben. Genervt seufzte die Fotografin und folgte ihm. Wieso konnte sie auf dieses narzisstische Arschloch nicht wütend sein, ... oder zumindest nicht lange? Als er mitbekam, dass sie nicht zu ihm aufschloss blieb er kurz stehen und musterte sie eingehend, doch sie verharrte ebenfalls und warf ihm einen skeptischen Blick zu.
»Was?«, fragte sie schließlich trocken und hob eine Braue.
»Ehrlich gesagt, mag ich es irgendwie, das du eifersüchtig bist«, gestand Aomine ernst.
»Ich bin nicht eifersüchtig«, behaarte die Rothaarige weiter.
»Wirklich nicht? ... Schade«, entgegnete er schulterzuckend und ging weiter, da sah sie ihn überrascht an und beschleunigte ihren Schritt, um mit ihm auf gleicher Höhe zu laufen. Nun war ihre Neugier geweckt.
»Wieso schade? Ich dachte immer, dass Jungen Eifersucht kindisch und nervig finden«, fragte sie skeptisch und hielt ihn am Arm fest, damit er seinen Schritt verlangsamte, bis er schließlich stehen blieb und sich ihr ganz zuwandte.
»Einfach so.«
»Sag schon«, behaarte sie weiter, doch da beugte er sich erneut zu ihr herunter und plötzlich spürte sie wieder seine Lippen auf ihren. Doch dieses Mal war es irgendwie anders, die Art, wie er sie küsste, war anders als die Vorigen. Sachte hatte er die Hand nach ihr ausgestreckt und ließ diese, zärtlich von ihrer Wange, über ihr Ohr, in ihren Nacken wandern. Es war das erste Mal, dass er sie so lange küsste und mit viel mehr Gefühl, oder bildete sie sich das ein? Eine ungeahnte Hitze stieg ihr plötzlich in die Ohren, sie hatte das Gefühl Fieber zu bekommen, doch dann löste der Power Forward sich langsam wieder von ihr. Dennoch trennten sie nur wenige Millimeter von einander, so dass er nicht sonderlich laut sprechen musste.
»Diese leicht zickige und temperamentvolle Seite macht mich ziemlich an«, raunte er und ihr lief es eiskalt den Rücken runter. Schwer schluckte sie, um wieder vernünftig Luft zu bekommen. Etwas bedrohliches blitzte plötzlich in seinem Blick auf, nur kurz, aber lang genug, dass sie es sah. Etwas verriet ihr, dass er es verdammt ernst meinte. Bevor sie jedoch etwas erwidern konnte, fiel ihr auf, dass sie sich noch auf offener Straße befanden, dass er sie in aller Öffentlichkeit geküsst hatte. Nun stieg ihr die Röte auch noch heftig in die Wangen und zog sich ebenso über ihre Nase. Schnell vergrub sie ihr, vor Verlegenheit errötetes Gesicht, in seiner Brust und versuchte sich so klein wie möglich zu machen.
»Mensch, sag doch sowas nicht«, nuschelte sie in seine Kleidung hinein. Das entlockte dem Blauhaarigen ein verhaltenes Kichern, dann tätschelte Aomine ihr den Scheitel und legte seinen anderen Arm um ihre Schultern, um sie an sich zu drücken.
»Du errötest viel zu schnell, sei nicht immer so verlegen und panisch«, feixte er, führte seine Lippen an ihr Ohr und raunte gefährlich: »Sonst muss ich dir das austreiben.«
Daraufhin hob sie den Kopf und warf ihm einen Blick von der Sorte "Aha ?-Das - werden - wir- noch - sehen" zu. Sie war wirklich wie das Wetter, wechselhaft und unberechenbar. In einer Sekunde, zu tiefst peinlich berührt und in der Nächsten, die draufgängerische Fotografin. Er würde ihr nicht mehr so schnell von der Seite weichen, da konnte sein Vater noch so viel böses Blut verbreiten und Gift spritzen, wie er wollte.

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