Die Entscheidung

620 20 2
                                    

Vor mir erhellt sich ein Zimmer voller Kerzen - überall auf den Fensterbrettern waren sie verteilt.
Ich sehe zu ihm hinauf. "Wofür ist das?" Er lächelt. "Wir müssen reden." Ich nicke nur. Er hatte recht, wir mussten reden. Ich wollte schliesslich wissen, weshalb er Gemma angerufen hatte, ihn mitzunehmen.
"Dann schiess mal los. Was meinst du mit krank? Und wieso soll Gemma dich mitnehmen? Hast du mich verarscht?", sage ich. Er seufzt und stellt sich vor mich hin.
"Ich würde dich niemals verarschen Kleines. Ja, ich habe sie angerufen, um mich mitzunehmen. Aber das hat alles einen Grund."
"Harry, was hast du mit 'krank' gemeint?" Ich starre ihn nur an. Ich bin so wütend auf ihn. Und gleichzeitig will ich wissen, wovon er gesprochen hat. Er bemerkt, dass es besser ist, mich nicht zu berühren.

"Ich bin krank. Ich habe einen Tumor..." Harry senkt seinen Blick. Tränen kullern ihm die Wangen hinunter.
Nein. Nein das darf nicht wahr sein. Er kann nicht krank sein.
"Wo?", frage ich. Ich stehe geschockt da. Ich kann meinen Körper keinen Zentimeter bewegen.
"Im Kopf", flüstert er. "Aber ich bin auf einem guten Weg. Ein grosser Teil wurde bereits enfernt. Jetzt ist der zweite Teil dran, der heiklere Teil."
Ich halte den Atem an. Wieso er? Wieso nur? Als er bemerkt, dass ich nichts sage, fährt er fort.
"Ich muss deshalb zurück gehen. Ich habe in drei Tagen meine OP. Deshalb habe ich Gemma angerufen. Und glaub nicht, ich würde vor dir weglaufen..." Jetzt schluchze auch ich.
"Sharon, ich möchte, dass du mitkommst! Ich brauche dich...."
Ich atme auf und gehe zu ihm herüber. Er legt seine Arme um mich und sieht auf mich hinab. Ich beginne, seine Tränen wegzuküssen. Und ich dachte, er hätte mich verarscht. Dabei war er schwer krank.
"Bitte verlass mich nicht", wimmerte er.
Ich legte meine Hand an seine Wange. "Harry, ich werde dich nicht verlassen... Ich komme mit & wir schaffen das. Zusammen!" Ich hatte keinen Grund, hierzubleiben. Jedoch hatte ich einen, wegzugehen, und dieser Grund war er.
Ein leichtes Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Ohne etwas zu sagen, presst er seine Lippen auf meine.
"Womit habe ich dich nur verdient? Wieso ist es für dich so selbstverständlich, mitzukommen?" Er streichelt mir zärtlich übers Haar.
Ich kuschle mich an seine Brust. Ich fasse all meinen Mut zusammen und sage: "Wenn du jemanden liebst, tust du es einfach. Da gibt es kein 'vielleicht', kein 'aber und auch kein 'warum!" Ich halte den Atmen an. Ich habe solch eine Angst vor seiner Reaktion. Er löst sich von mir und sieht mich mit aufgerissenen Augen an.
"Du liebst mich?" Er beisst sich auf die Unterlippe - ein Zeichen von Nervosität.
"Ich schätze das tue ich", antworte ich.
Ich kenne ihn vielleicht noch nicht so lange, doch ich habe Harry besser kennengelernt, als andere sich über Jahre jemals kennenlernen werden. Er war mein Anker. Er füllte die grosse Lücke in meinem Herzen, die sich nach Liebe sehnte. Eine Sache, die ich niemals gespürt habe, bevor er in mein Leben getreten ist.
"Und ich schätze, dass ich dich auch liebe Kleines", reisst er mich aus meinen Gedanken.
Ich kann spüren, wie meine Augen sich mit Wasser füllen, meine Sicht verschmieren.
Diesmal bin ich diejenige, die die ihn küsst. Leidenschaftlicher als je zuvor.
"Wollen wir uns hinlegen?", fragt er, während er mit dem Finger auf das Bett zeigt. Ich nicke.
Er legt sich hin und zieht mich an seine Brust. Die Hand vergrabe ich in seinen Locken.
"Harry?"
"Hmm?"
"Erzähl mir alles. Wie es dazu gekommen ist, wie du es erfahren hast und wie es sich anfühlt."
"Na gut. Also..."
"-..warte!" Ich unterbreche ihn. Er sieht zu mir herunter und runzelt die Stirn. "Hast du Angst, Harry?"
"Nein, solange du bei mir bist muss ich keine Angst haben. Die Ärzte wissen schon, was sie tun."
"Ok...gut."
"Und du brauchst auch keine Angst zu haben! Alles wird gut..." Ich war beeindruckt von seinem Optimismus.
Ich beginne, mir einzureden, dass er recht hat. Es wird alles gut gehen. Ich konnte ihn nicht verlieren.
"Erzähl weiter...", bitte ich ihn.
"Na gut. Ich war 18 Jahre alt...."

Hey AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt