Klartext

845 27 1
                                    

"Oma? Beantworte bitte seine Frage", bat ich sie.
Ihr war die Farbe aus dem Gesicht gewichen. Was war nur los mit ihr?
"Ich....ehm..ja. Ihr Name ist Anne. Woher kennst du sie?", wollte Oma von Harry wissen. Er musste leer schlucken.
Plötzlich sagt Oma: "Du meine Güte. Natürlich! Du hast die gleichen Augen wie sie. Und dieses Lächeln. Harry, bist du Anne's Sohn?" Harry zögert keinen Moment. "Ja sie ist meine Mutter. Sie hat mir und meiner Schwester schon einmal von ihrer Adoption erzählt. Noch dazu hat sie gesagt, dass sie ihre alte Familie vermisst und es bereut, damals weggelaufen zu sein. Sie hat sich immer nach ihren Eltern und ihrer Schwester gesehnt. Gemma und ich haben ihr schon mehrmals geraten, euch zu suchen, doch sie hat es nie geschafft. Ihr schlechtes Gewissen ist einfach zu gross."

Oma schluchzte "Ich hätte sie doch nie verurteilt. Wir haben sie so schrecklich vermisst! Moment mal, das bedeutet, dass du mein Ekelkind bist?! Oder fast Enkel", korrigierte sich Oma schnell. Zum Glück nur Fast-Enkel, dachte ich mir. Wären wir verwandt, wäre mir das Ganze hier zwischen ihm und mir komisch vorgekommen.

Oma steht auf und geht ohne ein Wort zu sagen in den Flur. Harry sieht mich fragend an. Ich zucke nur mit den Schultern und nehme seine Hand, welche ich fest drückte. Er lächelt mich dankbar an.

Als Oma zurückkommt, hält sie ihre Tasche in der Hand. Sie leert den Inhalt auf dem Tisch aus und sucht nach ihrer Geldbörse. Diese öffnet sie und nimmt ein kleines Foto aus dem Seitenfach heraus. Sie betrachtet es, lächelt und legt es vor Harry und mir auf den Tisch. "Das sind Anne und Katie, als sie noch klein waren. Ich habe das Bild nie weggeworfen. Ich kann mich noch so gut an die Zeit damals erinnern."
Ich betrachte das Foto. Mom war rechts abgebildet. Neben ihr Anne als Baby. Wie glücklich sie aussahen. Das Foto war schon etwas älter und auch ziemlich unscharf. Noch dazu war es schwarz weiss.
"Mom hat ihre Schwester nie erwähnt", bemerke ich. Harry sieht mich mitleidig an.
"Das kann ich verstehen mein Schatz. Für deine Mutter war der Umzug und somit die Trennung von Anne das schlimmste Erlebnis ihres Lebens. Sie ist fast in eine Depression gefallen." erklärt mir Oma.
Arme Mom. Ich dachte immer, sie sei ziemlich kalt. Jetzt verstehe ich sie endlich.
"Aber natürlich, sie hat die Gefühle nie zugelassen. Sie hat sich komplett nach aussen verschlossen!"
Oma legt Harry die Hand auf die Schulter: "Wie geht es deiner Mutter?"
"Ziemlich gut. Sie ist die Beste! Ich habe mich nur seit vier Tagen nichtmehr gemeldet. Soll ich sie anrufen und ihr von Ihnen erzählen?" 
"Harry, bitte nenne mich Du oder Oma oder wie du willst. Nein, erwähne mich nicht. Ich will sie nicht überfordern." "Okey." Nun war Harry derjenige, der leicht überfordert wirkte. Ich musste schmunzeln.

>>Ringg<< Das Telefon klingelte.
Ich stehe auf und gehe hinüber zum Telefon, nehme den Hörer ab und sage: "Sharon am Apparat. Hallo?"
"Sharon, soso" antwortet mir eine tiefe Männerstimme. Ich erschrak.
"Wer ist da?"
"Ich? Ich bin Niemand."
"Was wollen Sie von mir?"
"Ich wollte Sie fragen, ob Sie meinen Sohn gesehen haben. Harry Styles. Er verschwand vor einigen Tagen spurlos in Ihrer Nähe. Kennen Sie ihn?"
"Tut mir leid Mr Styles, aber ich kenne keinen Harry. Rufen Sie doch mal das Stadtzentrum an."
Harry erstarrt, als er seinen Namen hört.
"Na gut, danke für die Info. Auf Wiedersehen" Dabei betonte er das 'Wieder' etwas zu sehr für meinen Geschmack.
Ohne zu antoworten, lege ich auf.
Oma war kurz zur Toilette gegangen, während ich telefonierte. Ich war ihr sehr dankbar dafür.
Harry kommt auf mich zu und sieht mich an. Sein Blick war von Angst erfüllt.
"War das mein Vater?"
"Ja. Weshalb fürchtest du dich vor ihm?" Anstelle, meine Frage zu beantworten, zieht er mich in eine Umarmung. Es fühlt sich an, als wäre ich sein Anker. Er holt tief Luft. "Es ist alles seine Schuld."

Hey AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt