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Punkt 10.00 Uhr parke ich das Auto vor Oma's Haus.
Sie erwartet uns bereits mit einem Lächeln im Gesicht an der Türe. Ich nehme einen Katzenkorb aus dem Auto, während Harry die anderen zwei nimmt und sie mit einer Leichtigkeit zum Haus trägt. Ich stelle den Korb vor Oma ab und sehe sie an. 'Hi Oma. Danke nochmals."
"Keine Ursache, es freut mich, euch zwei zu sehen." Ihr Blick geht an mir vorbei. Sie wird Gemma entdeckt haben.
"Oh", sagt sie. "Wer ist denn das?"
Gemma lächelt Oma an und schliesst sie in eine Umarmung. Oma erwiedert diese nur verwirrt.
"Oma, darf ich dir Gemma vorstellen? Harry's Schwester und-" "und Anne's Tochter", beendet Oma meinen Satz.
Sie strahlt über beide Ohren. Ihre Augen füllen sich mit Wasser, während sie Gemma bestaunt. Meine emotionale Oma eben.
"Es freut mich dich kennenzulernen Oma", sagte Gemma. Oma schluchzte. Natürlich war sie gerührt von Gemmas Geste. Oma zieht Gemma in ihre Arme. Hinter ihnen konnte ich Harry erkennen. Er kichert und hält sich die Hand vor den Mund. Ich gehe zu ihm herüber und drücke ihm den Ellbogen in die Seite. "Reiss dich zusammen", sage ich.
Er lacht und legt mir den Arm um die Schulter. Sofort spüre ich Wärme durch meinen Körper schiessen.
"Oma, wir müssen jetzt wirklich los. Ich melde mich mal bei dir. Ich weiss noch nicht, wann ich nach hause komme."
"Das ist schon gut, deine drei Kids sind bei mir gut aufgehoben. Viel Spass euch", sagt sie. Wenn sie wüsste, was uns erwartet...
Wir helfen ihr noch, die Katzenkisten ins Haus zu tragen und verabschieden uns von ihr.

Nach einer vierstündigen Fahrt erkenne ich endlich das Schild mit der Aufschrift "Holmes Chapel". Endlich.
Harry und Gemma sind beide eingeschlafen während der Fahrt. Ich muss schmunzeln, als ich ihn neben mir tief ein- und ausatmen höre.
Ich lege ihm meine Hand auf die Wange und streichle zärtlich darüber. Er streckt sich und öffnet die Augen.
"Na Schlafmütze?", frage ich ihn. Er blickt einen Moment um sich und lächelt mich dann verschlafen an.
"Tut mir leid dich aufgeweckt zu haben. Ich weiss jedoch nicht, wo ich durchfahren muss bis zu deinem Haus."
"Kein Problem Kleines. Bei der nächsten Ausfahrt nach rechts." Er setzt sich gerade hin und schaut nach hinten um festzustellen, dass seine Schwester noch schläft. Danach nimmt er entschlossen seine Hand und legt sie mir auf mein Bein. Er drückt zu, was mich etwas zurückschrecken lässt. Als er meine Reaktion bemerkt, lächelt er. Es ist schon krass, was für eine Wirkung er auf mich hat.
Bei einer roten Ampel halte ich an und wende mich Harry zu.
"Was wird deine Mutter auch über mich denken?", frage ich ihn besorgt. Ich habe Angst, sie würde mir die Schuld dafür geben, dass er weggegangen ist und erst so kurz vor seiner OP wieder auftaucht.
"Sie wird dich lieben! Kleines, nur dank dir habe ich überhaupt wieder den Mut gefasst, mich meinem Tumor zu stellen! Ich hatte mir ehrlich gesagt nie ernste Gedanken darüber gemacht. In meinem Leben ist vieles nicht so verlaufen wie es sollte, und ich bin in einen 'Mir-Ist-Alles-Egal-Modus' verfallen. Du hast mich gerettet!"
Ich spürte, wie das Kribbeln im Bauch immer stärker wird. Ich nehme seine Hand und halte sie gegen meine Lippen.
Er lächelte und sieht mich mit seinen wundervollen Augen an. Ich kann darin aller erkennen, was ich brauche. Mein Zuhause - Home.
Ich schreckte zurück, als hinter uns eine Hupe ertönt. Wir hatten nicht bemerkt, dass es bereits grün geworden war.
Sofort trete ich aufs Gas und fahre los. Harry beginnt zu lachen und sagt" "Tut mir leid falls ich dich abgelenkt habe."
Meinen Blick immernoch auf die Strasse gerichtet, strecke ich Harry die Zunge raus. Dies bringt ihn noch mehr zum lachen.

Nach wenigen Minuten parkiere ich das Auto vor einem Haus, welches Harry's Lächlen zufolge ein Ort voller schöner Momente war. Das Haus war nicht besonders gross. Trotzdem machte es auf mich einen sympathischen Eindruck.
Gemma wacht von alleine auf, als ich meinen Gurt löse. Harry holt unsere Taschen aus dem Kofferraum und geht voraus in Richtung Türe. Kurz bevor wir dort angekommen sind, öffnet sie sich und eine Frau tritt heraus.
Die Frau hat schwarze Haare, grosse Augen und ein wundervolles Lächeln. Ich erkenne sofort, dass sie die Mutter von Harry und Gemma sein muss. Die beiden sind ihr wie aus dem Gesicht geschnitten. Automatisch lächle ich.
Sie schliesst zuerst Harry, dann Gemma in die Arme. Die drei scheinen ein gutes Team zu sein, so herzlich wie sie miteinander umgehen. Danach wendet sie sich mir zu. Ich habe meine Hände zu Fäusten geballt, damit man meine Nervosität nicht bemerkt. Vergebens. Anne sieht mich an und lächelt.
"Und du musst Sharon sein. Herzlich willkommen bei uns. Du bist ja noch viel hübscher als in Harrys Beschreibung."
Ich blicke zu Harry hinüber, der rot anläuft und auf den Boden schaut. Ich muss schmunzeln.
Plötzlich wurde ich in zwei Arme gerissen. Anne. Sie drückte mich fest an sich und flüsterte: "Danke, dass du ihn gerettet hast."
"Er hat mich gerettet", flüsterte ich. Keine Ahnung ob sie es gehört hat.
"Mum, du erwürgst sie noch", höre ich seine Stimme hinter mir. Anne löst sich von mir und verdreht die Augen. Harry zwinkert mir zu und berührt meine Hand. Ein Blitz durchzuckt meinen Körper. Wie sehr ich ihn doch brauchte.
"Kommt rein! Ich habe Tee und Kuchen vorbereitet. Falls jemand Hunger hat, kann ich auch gerne etwas kochen."

Wir alle folgten Anne ins Haus. Nachdem wir uns eingerichtet hatten, setzen wir uns an den Tisch. Eine schwarz-weisse Katze streicht mir um die Beine. Das muss wohl Olivia sein, von der mir Gemma immer erzählt hatte. Ich lächelte.
"Sharon. Tee oder Kaffee?"
"Tee gerne", sagte ich zu ihr. Sie nickt und beginnt, das Wasser in eine Pfanne zu giessen.
Ich sehe hinüber zu Harry, der den Blick nach unten gerichtet hat. Er denkt über etwas nach. Über seine OP? Oder über Oma?
"Harry alles in Ordnung?", spricht Anne meine Frage aus. Sie sieht ihren Sohn besorgt an. Harry atmet tief ein und sagt entschlossen: "Mom, wir müssen mit dir reden. Es gibt da etwas, was du wissen solltest..."

Hey AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt