Familientreffen

453 17 2
                                        

Die letzte Nacht war der Horror: Ich habe kaum geschlafen und bin einfach nur nervös.
Was wenn Mom und Dad uns trennen wollen? Wie reagiert Mom wohl auf Anne? Hoffentlich endet dieser Tag nicht in einem Disaster. Wir haben alle schon genug durchgemacht.

"Morgen", reisst eine Stimme mich aus meinen Gedanken. Harry kommt gerade durch die Türe in sein Zimmer und setzt sich auf die Bettkante, wo er mich mustert. "Du siehst müde aus. Ist alles in Ordnung?"
"Alles ok. Ich bin nur aufgeregt auf den heutigen Tag." Ich seufze und streiche mir eine Strähne hinters Ohr.
"Wir schaffen das schon", beruhigt er mich mit einem Lächeln. Er beugt sich zu mir runter und küsst mich auf die Stirn, was in mir eine Gänsehaut auslöst.

"Mom hat unten Frühstück vorbereitet, wir wollen in einer Stunde losfahren." Ich nicke und folge Harry runter in die Küche. Anne ist gerade dabei, Brote zu belegen und Wasserflaschen aufzufüllen, als sie uns entdeckt.
"Guten Morgen meine Liebe", begrüsst sie uns. Harry nickt ihr zu und deutet auf einen freien Stuhl, auf den ich mich dankend hinsetze.
"Hast du Hunger?", fragt Anne mich.
"Eigentlich nicht, aber danke."
"Du bist nervös", neckt mich ein grinsender Harry.
"Halt die Klappe." Harry lacht und küsst mich kurz auf die Schläfe. Ich greife nach seiner Hand und drücke sie fest.
"Es wird alles gut, ich passe auf dich auf."

----------------------------------------------------------

Wir sitzen im Auto und fahren gerade die Einfahrt bei Oma hoch. Meine Knie zittern und ich kann meine eigenen Beine nicht mehr spüren. Harry hält seit der Abfahrt permanent meine Hand und streicht zärtlich darüber.
Schade, dass dies nichts bewirkt, da ich momentan ununterbrochen zittere. Schiess Nervosität.

Anne schaltet den Motor ab und wir steigen aus. Oma kommt uns bereits entgegen und strahlt übers ganze Gesicht.
"Oma", rufend renne ich ihr in die Arme. Es tut gut, sie auf meiner Seite zu haben.
"Hallo meine Lieben", begrüsst sie Harry und mich. Sie lässt mich los und blickt über mich hinweg. Anne setzt vorsichtig einen Fuss vor den anderen und blickt unsicher um sich.

Harry zieht mich sanft am Arm zur Seite. "Das ist ihr Moment", flüstert er mir zu. Ich lehne mich an seine Brust und beobachte das Geschehen genau.

"Mom", schluchzt Anne auf und wirft sich Oma in die Arme.
"Mein Schatz, dass ich diesen Moment noch miterleben darf. Wie wunderschön du doch geworden bist."
Oma und Anne weinen beide laut auf und auch ich muss mir bei diesem Anblick einige Tränen wegwischen.

"Kleines weint wieder", lächelt Harry mich an. Ich strecke ihm meine Zunge raus und boxe ihm in seinen Arm.
"Nur weil du deine Emotionen nicht zeigen kannst."
Harry setzt einen verletzten Blick auf und fasst sich symbolisch ans Herz, worauf ich laut loslachen muss. Charmeur.

"Kommt meine Lieben, wir wollen keine Zeit verlieren. Sharon, deine Katzen lassen wir für heute erstmals bei mir. Es ist besser so. Lasst uns gehen." Wir nicken Oma zu und steigen darauf folgend wieder in den Wagen.
Oma setzt sich vorne auf den Beifahrersitz neben Anne, die sich hinters Steuer setzt und vorsichtig die Schlüssel ins Zündschloss steckt. Auch sie wird langsam nervös, genau wie wir alle.

Während der Fahrt herrscht eine unheimliche Stille, in der man eine Nadel hätte fallen hören.
Harry bemerkt meine Angst und nimmt meine Hand, über die er zärtlich mit seinen Fingern streichelt. Ich wende meinen Kopf in seine Richtung und versuche, zu lächeln. Er lächelt mir zumunternd zu und hält meine Hand an seine Lippen, die ich kurz darauf auf meinem Handrücken spüre. Wie dankbar ich ihm und Anne doch bin, dass sie für mich da sind.

Wir erreichen unser Haus und Anne fährt gerade durch das Tor, welches offen steht.
Mom und Dad erwarten mich also. Sie wussten, dass ich zurückkehren würde. Jedoch wissen sie nicht, dass ich Besuch mitgebracht habe. Hoffentlich wird alles gut gehen.

Hey AngelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt