Ennies Sicht
Am nächsten Morgen wurden wir zum ersten Mal seit langem nicht von unseren nervigen Weckern geweckt, sondern von der Sonne. Laurie sah müde zu mir rüber und reckte sich.
„Bin ich froh, dass wir nicht mit ins Trainingscamp mussten. Im Herbst bin ich lieber hier"-sie und lächelte. Ich nickte zustimmend und sah aus dem Fenster. Wie immer war es sonnig, hell und warm. Wir blieben noch weitere 10 Minuten liegen, ehe wir uns in Shirt und Leggings die Treppen runter schleppten an den Esstisch. Mom hatte Kaffee gekocht und wir halfen ihr noch die letzten Dinge aufzudecken. Dad kam durch die Haustür mit einer Brötchentüte in der Hand. Er wirkte entspannter als sonst.
„Na ihr zwei, was steht heute bei euch an?"-er.
„Weiß nicht, sind die anderen hier?"-Laurie.
„Sam ist auf alle Fälle da. Ihr könntet ihn besuchen, er arbeitet heute"-er. Meine Schwester und ich sahen uns an und nickten.
„Okay, dann machen wir das"-ich.
„Und wir beiden hübschen?"-Dad an Mom gerichtet und setzte sich an den Tisch.
„Ich würde ganz gerne mal wieder an den Strand, einfach einmal entspannen und nix tun"-sie
„So wie immer also"-Dad frech.
„Was soll das denn heißen?"-Mom empört.
„Ach komm Schatz"-er lachend und legte einen Arm über ihre Stuhllehne. Wir frühstückten gemeinsam und redeten über all die Geschehnisse des letzten Dreivierteljahres, in welchem Dad nicht Zuhause gewesen war. Als wir fertig waren, zogen Laurie und ich uns unsere Bikinis an und darüber Shirt und Jeans. Wir verabschiedeten uns und machten uns mit Fahrrädern auf den Weg zum Jetski-Verleih, bei dem Sam arbeitete. Es war angenehm endlich wieder am Strand entlang zu fahren, die vielen Leute zu sehen, die hier entweder Urlaub machten, arbeiteten oder hier wohnten. LA war groß und hatte viel zu bieten und seitdem Laurie und ich auf der Welt sind, fahren wir jedes Jahr im Herbst hier hin.
„Meinst du, Sam hat sich sehr verändert?"-Laurie. Ich warf ihr wissende Blicke zu.
„Dir gegenüber bestimmt nicht"-ich lachend.
„Puh, ein Glück"-sie und wirkte tatsächlich ein wenig erleichtert. Laurie fuhr fröhlich summend vor sich hin und man sah, dass sie sich auf das Wiedertreffen mit Sam freute.
„Warum datest du andere Jungs, wenn dein Kopf eh nur bei Sam ist?"-ich.
„Das stimmt doch gar nicht"-bestritt sie. Ich sah Laurie ernst an und sie seufzte.
„Wir kennen ihn seitdem wir Babys sind. Er sieht uns eh nur als beste Freunde"-sie.
„Wer sagt auch, dass wir beide mit ihm zusammen kommen?"-ich entsetzt.
„Du weißt wie ich das meine"-Laurie genervt.
„Irgendwie haben wir beide einen an der Klatsche"-ich
„Wie meinst du das?"-meine Schwester.
„Du mit Sam, ich mit Matthew"-ich.
„Was ist jetzt eigentlich mit euch?"-sie und bremste. Wir stellten unsere Fahrräder ab und gingen zu Fuß weiter.
„Ich weiß nicht. Ich kann mit ihm über alles reden und es fühlt sich so verdammt viel vertrauter an, seitdem wir nicht mehr zusammen sind"-ich.
„Er ist dein Ex, nicht dein Freund. Als du mit ihm zusammen warst, war es die Hölle für dich, vergiss das nicht"-Laurie tadelnd. Ich zuckte bloß mit den Schultern.
„Es ist wie es ist. Ich hab versucht ihn zu ignorieren und zu vergessen, aber das ging nicht"-ich. Wir gingen nebeneinander her über den Holzsteg und sahen schon den Jetski-Verleih.
„Er hat dir sooft das Herz gebrochen"-Laurie kopfschüttelnd.
„Und ich hab ihm sooft den Abend versaut und ihn bloß gestellt"-ich.
„Irgendwie passt ihr nicht zusammen"-Laurie. Ich nickte leicht und wir wechselten das Thema. Am Jetski-Verleih war eine Gruppe von Mädchen, die Formulare ausfüllte, um sich Jetskis zu leihen. Der Junge mit den lockigen blonden Haare und der braun gebrannten Haut erklärte ihnen wie man Gas gab und wir man bremste und wo sie überall fahren durften. Die Mädchen himmelten Sam die ganze Zeit an. Er war nebenbei noch Surflehrer und wurde dort auch immer angehimmelt. Ich spürte Lauries eifersüchtige Blicke und stieß ihr in die Seite. Es dauerte eine Viertelstunde bis alle Mädchen auf ihren Jetskis saßen und davon tuckerten. Sam sortierte die Formulare weg und sah dabei nicht auf.
„Kleinen Moment bitte"-er an uns gerichtet, da er noch nicht fertig war.
„Eigentlich wollen wir gar nichts mieten"-ich. Sam hob langsam seinen Kopf und sah uns an. Dann lächelte er breit und kam aus seinem Büro. Er zog uns nacheinander in eine warme Umarmung.
„Ihr lasst euch auch nochmal blicken?"-er fast vorwurfsvoll.
„Was sollten wir tun? Wir mussten zur Schule"-Laurie.
„Tja, ihr wollt es zu was bringen."-er
„Naja"-ich
„Alternative wäre Schule abbrechen, aber dann werdet ihr nicht mehr als Surflehrer oder Jetski-Verleiher"-er lachend.
„Ach komm"-ich lachend und schlug ihm freundschaftlich auf den Arm.
„Chef?"-rief Sam. Ein älterer Herr, braun gebrannt kam aus dem klimatisierten Büro und sah über den Tresen zu uns.
„Was gibt's Sam?"-er nuschelnd.
„Kann ich früher Feierabend machen, das sind gute Freunde aus Kanada, die kommen nur einmal im Jahr her"-der blonde Lockenkopf. Sams Chef schien nachzudenken, gab dann aber doch nach.
„Na gut. Ausnahmsweise."-er und nickte uns zu. Sam grinste breit und legte seine Arme über meine und Lauries Schultern.
„So Zwillinge. Jetzt erzählt ihr mir mal, was ich in den letzten 12 Monaten verpasst habe"-er und wir machten uns auf den Weg zu seiner Wohnung. Sam wohnte in einer Wohnung einer Art Wohngemeinschaft. In einem großen Haus mit etlichen Zimmern lebten 12 Jungs zusammen. Jeder hatte ein eigenes Zimmer und sie teilten sich alle eine Küche und einen Wohnraum. 4 Badezimmer für alle. Es war die günstigste Möglichkeit ein Dach über dem Kopf zu bekommen, als junger Mensch, wenn man in LA arbeitete. Sam lebte schon seitdem er vor zwei Jahren von Zuhause auszog in diesem Chaoshaus. Inzwischen war er 17 Jahre alt und verdiente sein Geld durch den Tourismus.
„Wieso wart ihr im Sommer nicht hier?"-er und ließ sich auf sein Bett fallen. Laurie und ich saßen auf dem Teppich vor seinem Schrank und sahen uns wissend an.
„Weißt du, Dad hatte wieder Schwierigkeiten und wir sind nach Texas geflogen, um unterzutauchen"-Laurie.
„Dann wart ihr ja richtige Cowgirls. Mit Pferden und Rindern und so"-Sam lachend. Wir schüttelten den Kopf.
„Die Cowboys sind alle weg. Kein Wilder Western"-sie lachend.
„Tja, Tradition stirbt"-Sam seufzend.
„Aber unsere Tradition nicht, oder?"-Laurie.
„Du meinst feiern gehen, surfen und mit dem Boot rausfahren?"-er. Meine Schwester nickte.
„Das wird die letzte sein, die sterben wird"-er lachend.
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Remember Me.
Genç KurguDenn von Anfang an war eins klar: eines Tages würde ich gehen. Ich würde gehen und nicht wieder kommen. Was ich zurück ließ? So ziemlich alles.