Florence Sicht
Der Wettkampf lag inzwischen zwei Wochen zurück. Wir waren noch immer in diesem Camp mittig von Norwegen. Die letzten Trainingseinheiten von Ben und Matthew brachen an, denn wir würden demnächst das Camp verlassen und weiter reisen. Wir hatten jetzt Mitte Mai und die Snowboard Saison würde für ein paar Monate pausiert werden. Wo und mit wem es dann weiter ging, war noch nicht klar. Die Snowboardsachen würden wir hier einlagern lassen und dann mit Sack und Pack abhauen. Wir konnten nicht allzu lange an einem Ort bleiben und hier waren wir schon ein Monat gewesen. Ich hatte mich eingewöhnt und das schmale Schlafsofa sogar als Bett anerkannt. Es war eng, heruntergekommen und kalt – und ich hatte es geliebt. Auf unserer Reise müsste ich lernen, mich nicht an materielles zu binden, denn das war einfach nicht möglich, wenn ich überleben wollte.
„Ennie, komm mit"-Matt und öffnete die Haustür.„Ben?"-ich
„Ja?"-kam es von oben.
„Kann ich Frankie bei dir lassen?"-ich
„Ja klar. Mach das"-er. Ich zog hinter mir die Tür ins Schloss und folgte Matthew. Inzwischen wurde nur noch auf Kunstschnee gefahren und Matt trug zum Training keine dicken Jacken mehr, sondern nur noch Sweatshirt und Mütze.
Dieser Mix aus Wohngebiet, Ferienresort und Jugendherberge, den das Camp verspürte, war vertraut geworden. Wir gingen jeden Tag zwischen den vielen kleinen Häusern hindurch zum Minibus, welcher uns zur Piste fuhr.
„So, hopp rein mit dir"-Matthew und ließ mich zuerst einsteigen. Wir fuhren wie immer zur Piste und waren eigentlich viel zu früh für Matts Training. Gemeinsam gingen wir in die Halle, in der alle Snowboards lagerten. Matthew nahm sein Ersatzboard vom Regal und gab es mir.
„Wir fahren heute Morgen Abfahrt. Du fährst mit"-er. Mit großen Augen sah ich ihn skeptisch an.
„Das kann ich noch nicht"-ich kopfschüttelnd.
„Dann lernst du es heute"-Matthew und grinste leicht.
„Du bist so ein Arschloch"-ich und schlug ihm leicht gegen den Arm. Matthew nahm seinen und meinen Helm vom Regal und setzte mir meinen auf den Kopf.
„Auf zum Lift"-er und wir steuerten den Sessellift an. Die Sonne hing am Himmel und es wurde langsame echt Zeit, diesen Teil Norwegens zu verlassen.
Ich hatte mir das Snowboard unter die Füße geschnallt und stand mitten in der Gruppe an Snowboardern. Mir war es noch ziemlich unheimlich mit so vielen auf einmal den Berg runter zu fahren, weil die Gefahr als Menschenkugel unten anzukommen ziemlich hoch war. Matthew war sich sicher, dass es das richtige war, was wir taten.
„Okay, Leute los geht's!"-rief einer der Snowboarder. Matthew nahm meine Hand um mir Starthilfe zu geben und wir fuhren so ein kurzes Stück zusammen.
„Eine letzte Fahrt. Genieß sie"-er und ließ meine Hand los. Er fuhr in Schlangenlinie mit den anderen mit. Ich fuhr mittig bis hinten und hatte einen guten Überblick über alles. Es war ein atemberaubendes Gemeinschaftsgefühl als Gruppe von 20 bis 30 Leuten auf dem Snowboard einen Berg runter zu fahren. So langsam hatte ich die Jungs und ihre Liebe zum Snowboarden verstanden.
Nachdem wir dieses gemeinschaftliche Berg runterrutschen erledigt hatten, machte sich Matt auf den Weg zum Training. Ich zog mich in der Zeit in dem Holzhaus am Trainingsgelände um. Danach wartete ich auf Matthew.
Matt stand da, redete mit seinem Trainer und stützte sich auf seinem Snowboard ab. Nicht weit weg von den beiden drei Mädels, die wohl irgendwie auch auf dieser Piste trainierten. Sie waren bestimmt auch hier, weil sie snowboardeten. Ich sah an mir runter. Jeans, dicke Boots und eine dicke Winterjacke. Ich war nur die, die zu ihm gehört, die immer da war, aber die nichts konnte außer einen Berg runter zu fahren. Ich konnte keine Tricks oder sonst irgendwas Anspruchsvolles. Der Trainer war fertig und ging weg, sofort kamen die drei Mädchen an und verwickelten "Cody" in ein Gespräch. So war es immer, wenn wir auf der Piste waren. Er war gut, er war sehr gut und sie bewunderten ihn und himmelten ihn an. Ich stand immer nur im Hintergrund und spürte diesen Schmerz in der Magengegend. Ich war ersetzbar, und das, obwohl ich nicht mal wusste, was ich für Matt bedeutete. Die drei Mädchen schmissen sich regelrecht an ihn ran und ich konnte es nicht länger ansehen. Ich wartete nicht länger auf ihn und drehte mich um. Zielstrebig ging ich zum Minibus u d setzte mich rein. Der Fahrer las gerade eine Zeitung und nickte mir nur zu. Ich erwiderte es kurz und kletterte auf die hinteren Rücksitze. Ich spielte an meinem Handy rum und versuchte das Bild von Matt und den Mädchen aus meinem Kopf zu bekommen. Ich könnte nicht länger mit ihm abhauen. Überall wären diese Mädchen die ihn belagern würden und ich würde durchdrehen. Er ist nicht mein Freund, aber er bedeutet mir mehr als mir lieb ist. Ich habe andere Sorgen, als mir darüber Gedanken zu machen, mit welchen der Mädchen er alles was anfangen würde. Innerliche schüttelte ich mich bei dem Gedanken. Plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Handgelenk, die mich nach vorne zog.
„Ennie, warum bist du abgehauen?"-Matt wütend, doch ein Hauch Besorgtheit lag in seiner Stimme. Er zog mich aus dem Minibus und stellte mich genau vor ihn. Ich sah zu ihm hoch und konnte seinem Blick nicht standhalten.
„Ich kann das nicht"-ich.
„Was kannst du nicht?"-er noch immer verärgert.
„Dich und die ganzen Mädchen sehen"-ich.
„Wie jetzt?"-er.
„Das eben"-ich. Er zog skeptisch die Augenbrauen hoch.
„Bist du etwa eifersüchtig?"-er verwundert. Ich sah bockig weg.
„Nein. Keine Ahnung"-ich genervt und wollte weggehen. Doch Matt hielt mich erneut fest und zog mich etwas näher zu sich.
„Ich werde das nicht tun, Ennie"-er.
„Was tun?"-ich.
„Einer dieser Möchtegern Mädchen daten, und dich gehen lassen"-er.
„Warum? Du bist frei? Du kannst tun was du willst, du hast nichts zu verlieren"-ich.
„Doch. Dich"-er leise. Ich sah zur Seite und schüttelte den Kopf.
„Ennie. Du bist mein Chicken, du bist das Mädchen meiner Träume, kapier das langsam mal. Ansonsten würde ich nicht hier mit dir stehen. Ok?"-er ernst. Geschockt sah ich ihn an. Sein Blick so vertraut und offen. Seine Gesichtszüge ernst, aber nicht bedrohlich. Matt lehnte sich zu mir nach vorne und gab mir einen Kuss. Genau wie damals, als wir zusammen waren, doch jetzt fühlte es sich ernster an, bedeutender und vertrauter.
„Ich lass dich nicht hängen und diese Mädchen sind das letzte was zwischen uns kommen wird, verstanden?"-er und sah mich mit ernstem Blick an. Ich nickte.
„Okay, lass uns nach Hause"-er und ging in Richtung Minibus.
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Remember Me.
Teen FictionDenn von Anfang an war eins klar: eines Tages würde ich gehen. Ich würde gehen und nicht wieder kommen. Was ich zurück ließ? So ziemlich alles.