Ich tippte auf meinem Handy rum und hörte meine Mailbox ab. Eine mir fremde und tiefe Männerstimme hatte mir eine Nachricht hinterlassen.
„Florence Piper, zwar wissen wir momentan nicht wo du bist, aber glaub mir, wir werden dich finden. Wie haben bis jetzt jeden gefunden. Und glaub ja nicht, dass Gnade zu unserem Geschäft gehört. Alles andere als Gnade wird dich erwarten. Es wird besser für dich enden, wenn du dich zeigst. Merk dir das"
Seufzend schaltete ich mein Handy aus und warf es achtlos in die Ecke. Ständig drohten sie mir in letzter Zeit, doch ich ignorierte es. Es war Oktober. Wir waren in LA und hatten uns hier ein Appartement gemietet. Zwischen mir und Matt war in letzter Zeit mehr eisige Stimmung als harmonische. Die Flucht und das Versteckspiel zerrten an unseren Nerven, aber nicht an unserer Liebe. Bald würden wir wieder aufbrechen in eins der Trainingslager von Matthew. Frankie hatten wir vor einem Monat in New York gelassen. Bei einem liebevollen alten Mann durfte er nun seinen Lebensabend verbringen. Es war das einzig faire dem Hund gegenüber. Klar, es war nicht einfach für mich ihn dort zulassen, schließlich hatte er uns über ein halbes Jahr lang begleitet, jedoch wusste ich, dass er ab jetzt nicht mehr in unser Leben passte. Ansonsten hätte ich ihn mitgenommen. Es war Oktober wie gesagt, fast November und so langsam dachte ich über eins nach. Über meine Rückkehr. Ja, kaum zu glauben, aber wahr. Es waren nur noch vier Monate. Vier Monate verstecken, bevor ich zurückkehren würde ins „normale" Leben. Zurückkehren als Florence Piper. Dann würde ich vor Gericht aussagen, alle Ungerechtigkeit aus der Welt schaffen. Doch so einfach war es leider nicht. Denn die Arschlöcher, wie wir zu pflegen sagen, hatten jetzt auch Matthew auf dem Schirm. Er war ein Gegenspieler geworden, denn er hatte schon mehr als häufig mir im letzten Moment den Arsch gerettet. Ohne ihn, hätte sie mich schon mindestens dreimal überwältigt. Mein Blick schweifte von der Tischplatte vor mir durch den Raum zum Sofa. Da saß Matt mit dem Laptop auf dem Schoss. Er suchte sich das nächste Camp aus. Ich kaute auf meiner Unterlippe rum und starrte wieder vor mich hin. Ich vermisste Laurie, Dad, Mom und Henry. Aber in erster Linie Laurie. Sie war meine zweite Hälfte. Wenn einer immer da war, wenn es mir schlecht ging, dann war es Laurie. Wir hatten generell früher weniger Streit als andere Geschwister, auch wenn wir trotzdem ab und zu stritten, aber es war selten gewesen. Fakt war, ich liebte Laurie, sie war schließlich meine Zwillingsschwester und ich vermisste sie unendlich stark. Matthew riss mich aus meinen Gedanken.
„Ennie?"-Matthew in einer beunruhigenden ernsten Tonlage
„Hm?"-ich
„Wenn das hier vorbei ist, muss ich verschwinden. Ich kann nicht zurück"-er
„Doch das kannst du"-ich. Er schüttelte den Kopf.
„Nein. Ich muss untertauchen, so wie du es getan hast"-er
„Wie lange?"-ich
„Bis der Prozess zwischen deinem Dad und den Leuten beendet ist"-Matt.
„Du bist sicher bei Dad und seinen Kollegen"-ich
„Ich vielleicht, aber so lange ich in deiner Nähe bin, bist du unsicher. Ich bekomme das hin Ennie"-er.
„Ich aber nicht"-ich und stand auf.
„Ennie, wenn du endlich wieder Zuhause bist, wird alles wieder gut"-er
„Aber du. Ich hab dich gehasst. Ich hab es gehasst dich zu lieben, weil du so ein Arschloch warst und es immer noch bist, aber ich liebe dich verdammt nochmal und nach all dem was wir jetzt durchgemacht haben, bitte, bitte komm mit nach Hause."-ich und flehte Matt beinahe an. Matthew richtet sich auf und setzte sich aufs Sofa. Er stützte seine Unterarme auf seinen Knien ab und faltete seine Hände. Sein Blick ging stur zu Boden. Er schien nachzudenken, schüttelte aber Gedankenverloren den Kopf.
„Sobald du aussagst, bin ich ihr nächstes Ziel. Angenommen wir schaffen es die nächsten drei Monate noch, dann bin ich Schuld an unserem ‚Erfolg'. Sie werden es mir heimzahlen wollen"-Matt und sah mich an. Ich sah ihm stur in die Augen und sah nicht weg. Eisblaue Augen treffen dunkelblaue. Seine Augen eisblau wie die zugefrorenen Seen in mitten von Schnee. Die eisige Kälte, ein wichtiger Teil seiner Leidenschaft. Meine Augen dunkelblau wie das Meer. Das Meer am Strand. Das Meer zum Surfen, meinem Leben. Wir waren so unterschiedlich und doch so gleich. Ben hatte es gut formuliert. Er hat gesagt, wenn er uns beschreiben müsste, würde er sagen es ist wie, als wenn der Teufel und der Engel sich verlieben würden. Matthew der Teufel und ich der Engel.
„Ich liebe dich"-hauchte ich und sah ihn traurig an. Matthew brach den Augenkontakt ab und sah zu Boden.
„Ich dich auch"-er leise und wirkte fast niedergeschlagen. Ich sah auf die Uhr, um zu bemerken, dass ich mich fertig machen musste. Matt und ich würden heute Abend zum Strand fahren, wo wir andere Leute in unserem Alter treffen würden. Nach all der stressigen Zeit in New York wollten wir endlich wieder unter Menschen. Doch es war nicht immer einfach Menschen zu treffen, ohne ihnen zu offen gegenüber zu treten. Gerade weil Matt echt alle Mädchen an sich zog.
Knapp zwei Stunden später saßen wir in dem alten Van, den wir uns geliehen hatten und fuhren über den leeren Highway an der Küste entlang zum Treffpunkt am Strand. Ich hatte mir ein dickes Sweatshirt angezogen, eine lange Jeans und Chucks. Nachts wurde es hier bereits bitter kalt.
„Da"-ich und zeigte auf die kleine Rauchwolke, die zum Himmel stieg. Sie hatte das Lagerfeuer also schon angemacht. Matt lenkte den Van zu dem Platz, wo knapp 15 Menschen zusammen um das Lagerfeuer standen und redeten. Wir parkten knapp neben der Gruppe an Jugendlichen und stiegen aus. Wir wurden mit offenen Armen begrüßt und aufgenommen. Man kannte sich kaum, doch man froh über jeden der kam. Uns wurden Getränke gereicht und am späten Abend tauchte auch noch Ben auf. Wir standen zusammen im Kreis und redeten über belangloses Zeug mit fremden Menschen. Die Autos standen im Kreis um uns herum und gaben uns Windschutz, da der Wind stark vom Meer über den Strand fegte. Aus einem der Autos kam Musik, da niemand eine Musikanlage mit hatte. Am Ende des Abends würden wir alle auseinander gehen und wahrscheinlich die meisten nie wieder sehen, trotzdem gab mir diese Gruppe an fremden Menschen in meinem Alter das Gefühl ein Teil von irgendwas zu sein. Ich wusste nicht genau von was, aber das war an diesem Abend nicht entscheidend.
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Remember Me.
Teen FictionDenn von Anfang an war eins klar: eines Tages würde ich gehen. Ich würde gehen und nicht wieder kommen. Was ich zurück ließ? So ziemlich alles.