Aufbruch.

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Laurence Sicht

Ich ging die Treppe runter und sah dabei auf mein Handy. Vergeblich wartete ich auf eine Nachricht von Sam. Langsam ging es mir echt gegen den Strich. Ich hab die letzten zwei Nächte bei Emma geschlafen, weil ich Abstand von Florence, Carl und Brad brauchte. Dass wir alle immer in einem Haus waren nervte echt. Eine Woche lang war schon diese angespannte Stimmung. Als ich heute Morgen nach Hause kam, war Ennie nicht da. Wahrscheinlich war sie bei Henry helfen oder mit James oder Justin unterwegs. Mit den beiden verbrachte sie schließlich fast mehr Zeit, als mit Naomi, Emma, Mia und mir.

„Laurence, pack dein Handy weg"-Dads Stimme plötzlich schroff und ich sah erschrocken hoch. Er hatte eigentlich nicht vor gehabt schon jetzt Zuhause zu sein, weswegen ich mich doppelt erschrak. Hinter ihm waren James und James Eltern mit ernsten Mienen.

„Was hab ich verpasst?"-ich

„Wir fahren in den Urlaub"-Dad sarkastisch. Fragend sah ich ihn an.

„Pack deine Sachen, wir treffen Sam am Flughafen"-Dad genervt und ging ins Wohnzimmer. Etwas perplex stand ich auf der Treppe und sah wie Carl und Brad auch anfingen Dinge einzupacken. Es war also kein Scherz, ich sollte meine Sachen packen. Etwas verwirrt ging ich wieder hoch und nahm meinen Koffer. Einige Klamotten landeten in meinem Koffer und da mein Ladekabel für mein Laptop noch in Ennies Zimmer war, beschloss ich ihr auch Bescheid zu sagen. Ich klopfte an ihre Zimmertür, doch es kam keine Antwort. Also betrat ich einfach ihren Raum und sah mich geschockt um. Ihre Schranktür war offen und einige ihren Sweatshirts und Hosen fehlten. Vieles lag auf dem Boden verstreut und ihre elektronischen Sachen waren alle weg. Mein Ladekabel lag auf dem Sideboard und ich nahm es. Ihr Bett war gemacht, doch ihr Kopfkissen fehlte. Das Fenster war geschlossen und ihre Schulsachen waren nicht zu finden. Auf ihrem Schreibtisch lag ein kleiner Zettel.

„Ich hab dich lieb Schwester, Ennie"

Mein Kopf ratterte und dann fiel mir alles ein und die angespannte Stimmung in der letzten Zeit hatte wieder einen Sinn. Die Flucht im Wald war der Auslöser gewesen. Ich drehte mich um und sah James, wie er sich im Türrahmen anlehnte. Mit geöffnetem Mund, weil ich es immer noch nicht glauben konnte, sah ich ihn an.

„Sie ist gegangen"-ich und mein Stimme klang brüchig. James nickte nur und wirkte niedergeschlagen.

„Wohin und mit wem?"-ich heiser.

„Wohin weiß niemand, aber Matthew ist bei ihr"-er seufzend.

„Wann?"-ich.

„Vor zwei Tagen"-er.

„Hat sie dich auch einfach zurück gelassen?"-ich und spürte einen Schmerz in mir. Er schüttelte den Kopf und seine Augen wurden leicht rötlich. Es traf ihn scheinbar auch sehr.

„Ich hab sie zu Matthew gefahren"-er leise.

„Was? Sie hat sich also von dir verabschiedet?"-ich entsetzt. Er schüttelte erneut den Kopf.

„Ich wollte, aber sie hat es mir verboten. Sie stieg aus und ging. Sie hat sich von niemanden verabschiedet"-er. Ich atmete tief ein und kämpfte mit den Tränen.

„Das letzte Mal, als ich mit ihr geredet hab, war als wir stritten"-ich und Schuldgefühle kamen in mir hoch. James nickte stumm und verließ wieder die erste Etage. Mit Tränen in den Augen packte ich meine Koffer. Ich würde Kanada jetzt also auch verlassen, um zu fliehen, genau wie Florence. Nur der entscheidende Unterschied war, dass ich mit Dad, zwei Schutzmännern, meinem Freund und James Familie floh, Florence war alleine mit einem Arschloch vom Dienst – Matthew.

„Komm Laurence, wir haben keine Zeit"-Dad und warf meinen Koffer in den Kofferraum. Ich stieg hinten in den silbernen Geländewagen und neben mir saß Lexi, Dads Monstrum Hund. Brad fuhr den Geländewagen und Dad saß mit einem Laptop auf dem Schoss neben ihm. In dem zweiten identischen Geländewagen saßen James, seine Eltern und Carl. Carl fuhr ebenfalls. Die Fahrt über zum Flughafen nutzte ich, um so langsam alles zu realisieren. Untertauchen. Schon wieder. Letztes Jahr im Sommer waren wir erst in Texas untergetaucht, jetzt würden es wieder müssen – so wie eigentlich jedes Jahr. Doch dieses Mal ohne Ennie. Sie war es, weswegen wir untertauchten – sie und Dad.

„Warum kommt Sam mit?"-ich nach einiger Zeit der Ruhe.

„Weil ich kein Bock auf dein Genörgel hab, weil er nicht bei dir ist"-Dad genervt und tippte irgendwas in seinen Laptop. Ich nickte nur und war ein wenig eingeschnappt. Sam wusste seit Ewigkeiten schon, weswegen wir ständig irgendwo anders waren und halbwegs nur auf der Flucht. Bis zu Ennies 18ten Lebensjahr hatten die Schweine die sie verfolgten Zeit, sie auszulöschen. So lange müsste meine Schwester fliehen, erst dann könnte sie gegen die Bande aussagen. Erst dann würde sie vom Gesetz vor Gericht als vollfertig gelten und respektiert werden. Dads Handy riss mich aus meinen Tagträumen.

„Ja?"-er mit fester Stimme. Ich hörte nur leise, wie die Person auf ihn einredete und irgendwas wissen wollte. Ich kämpfte derweil gegen Lexi, die ihren gefühlt 20kg schweren Kopf auf meinem Schoss platzieren wollte.

„Dubai"-Dad plötzlich und ich hielt inne. Mit weit geöffneten Augen und offenem Mund sah ich ihn von meinem hinteren Platz aus an.

„Jo bis dann"-er und legte auf. Dann sah er sich fragen zu mir um.

„Dubai?"-ich schockiert. Das hatte mir gerade noch gefehlt.

„Ich meinte zu dir: pack deine Sachen, wir sind länger weg"-Dad und sah mich amüsiert an. Was ein Tag, erst muss ich Kanada und meine Heimat verlassen, dann kommt James Familie und die Schutzmänner mit, dann noch Lexi, Dad und Sam und zu guter Letzt verliere ich die Person, die mir wohl am meisten bedeutet – meine Zwillingsschwester.

Remember Me.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt