Hippies.

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Als wir landeten, war ich froh, mich für eine Leggings, Shirt und dünne Sweatshirtjacke bei unserem Abflug entschieden zu haben. Auch Matthew wirkte ganz froh, nur eine Jogginghose und ein Shirt zu tragen. Wir waren in eine komplett andere Zeitzone und ein komplett anderes Land geflogen. Es waren knapp 28°C und die Sonne schien. Etwas, was wir Norwegen nicht hatten. Matthew und ich holten unser Gepäck und warteten am Zoll darauf, Frankie zubekommen. Die Zollbeamten zickten etwas rum, weil in Frankies Pass nicht stand, wann er exakt geboren war und wer seine Eltern waren. Vor unsrem Abflug in Norwegen hatten wir nur die nötigen Impfungen machen lassen und der Tierarzt hatte sein Alter schätzen müssen. Einen Chip unter der Haut, mit welchem man ihn hätte identifizieren können, besaß er nicht. Das erschreckende hatte der Tierarzt uns dann genannt. Es war verwunderlich, einen so aktiven Dobermann zu haben, da er Frankie auf 10 bis 11 Jahre schätzte, was schon alt war für die Rasse. Wir ließen uns davon aber nicht beirren. Solange Frankie am Leben war und gesund war, würde er mit uns fliehen. Matt hatte wieder einmal Kontakt aufgenommen zu einem Snowboarder, den er aus einem Camp kannte und die Tatsache, dass es uns nach Costa Rica verschlagen hatte, war für mich Beweis genug, das Snowboarden die ganze Welt verband. Wir hatten den alten Kombi in Norwegen wieder verkauft und kauften uns hier einen alten Geländewagen. Matt meinte, ab jetzt würde es abenteuerlicher werden, denn sein Bekannter würde wohl ein Teil einer Hippie-Gruppe sein. Ich hatte in keiner Weise eine Idee was auf uns zukam, aber ich freute mich darauf. Matthews Handy lotste uns durch die Pampa und einen kleinen Berg hinauf. Hier war alles viel grüner als in Norwegen. Alles viel tropischer und viel sonniger. Frankie hechelte die ganze Zeit auf der Rücksitzbank vor sich hin und als wir an dem großen Holzhaus ankamen, sahen Matthew und ich uns verwundert an. Wir hatten mit viel schlimmeren Sachen gerechnet. Etwas unschlüssig stieg ich aus und folgte Matthew zur Haustür. Es gab Klingel und wir mussten klopfen, doch niemand machte auf. Wir gingen ums Haus herum auf die Terrasse und dort saßen einige Jungs und ein paar Mädchen. Ein schwarzhaariger stand von einem Schaukelstuhl auf und schloss Matt in eine Umarmung.

„Ey Cody, cool dich zu sehen"-er und klopfte ihm auf di Schulter. Cody. Also hatte Matthew den Namen doch schon länger verwendet, als ich dachte. Matthew sah mich mit einem Blick an, der mir verriet: Erkläre ich dir später.

Der Schwarzhaarige, der übrigens Til hieß, stellte uns allen vor. Und so langsam erkannte ich die Hippie-Gene in den anderen Menschen. Viele der Jungs hatten lange Haare und Bart oder Dreadlocks. Die Mädchen genauso. Alle begrüßten herzlich und auch Frankie war nach kurzer Skepsis willkommen. Auf der Terrasse lagen etliche Matratzen.

„Schlaft ihr draußen?"-Matt. Til sah ihn lachend an.

„Irgendwann haben wir aufgehört in unseren Zimmern aufzuräumen und sie als Abstellkammern umfunktioniert. Seitdem schlafen wir draußen. Wir haben außen um die Veranda rum Fliegennetzte, die schützen vor Moskitos."-er. Matt und ich mussten auch leicht lachen und sahen uns in dem unordentlichen Haus. Überall lagen Batik-Kissen oder Decken rum. Reggea kam aus den alten Radios und die Schlafzimmer waren wirklich keine Schlafzimmer mehr. Der große Raum unter dem Dach war ein einziger gemeinschaftlicher Kleiderschrank. Die Küche war voll mit Obst und Gemüse und der einzige Ort, der einigermaßen sortiert wirkte. In dem Chaos fühlte sich Frankie sofort wohl, auch wenn er anfangs immer wieder gegen die Fliegennetzte lief. Den gesamten Nachmittag erzählten die anderen mit einer unglaublichen Herzlichkeit Geschichten und Storys. Einige erzählten auch wo sie herkamen und wieso sie hier waren. Von Waisenkinder, über ausgerissene Jugendliche aus reichen Familie über das Standartkind mit dem Hippie-Traum. Es war alles vertreten. Til erzählte mir, er würde sein Sommer immer hier, in dieser WG verbringen, bevor er im Winter wieder zurück nach Finnland ging, um sein Snowboardleben zu leben. Die anderen Mitbewohner hatten kein Problem damit, dass er nur zeitweise hier war. Sie meinten die Hauptsache wäre, er wäre überhaupt da. Ich verstand nicht ganz, wieso diese Gruppe von 12 Leuten so verständnis- und rücksichtsvoll waren und die meisten Menschen aus der Großstadt sich nicht einmal mehr Grüßen, wenn sie sich auf der Straße sahen. Matt und ich wurden aufgenommen, integriert und als Familie bezeichnet – innerhalb wenige Stunden. Dass wir nur einige Zeit bleiben würden, störte sie nicht. Und das was mich am glücklichsten machte, war die Tatsache dass sie nicht fragten, weswegen wir hier waren und bald wieder gehen würden. Wir waren da und das war ok. Til erzählte uns auch, dass es in wenigen Tagen losgehen würde auf eine große Wanderung durch die Berge und die Landschaft und es war klar, dass wir dabei sein wollten. Ich weiß nicht wieso, aber ich hatte das Gefühl, dass diese WG so einen großen Einfluss auf uns, mit ihrer freudigen und offenen Art hatten, dass diese immer vorhandene eisige Stimmung zwischen mir und Matt ein wenig verschwand. Den ganzen Tag und den Abend lachten wir alle zusammen. Am späten Abend, als es endlich dunkel wurde, zündeten Til und ein anderer den Grill an und es gab alles Erdenkliche vom Grill, was man sich nur vorstellen konnte. Sie konnten gut kochen, gut Spaß haben und gut Leben. Das hier war wohl wie das Paradies und auch wenn es traumhaft, mir war klar, ich könnte ich hier nicht dauerhaft leben. Doch es war perfekt um unter zu tauchen.

Die halbe Nacht saßen wir zusammen, zu Musik aus dem alten Radio und Essen vom Grill. Und sie konnten noch so Hippies sein, Alkohol trinken konnte sie besser als die, aus den Großstädten.

Gegen 3 Uhr morgens schliefen Matthew und ich auf einer Matratze neben einander auf der Veranda ein. Neben uns Frankie, der es scheinbar auch genoss hier zu sein.

Remember Me.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt