Tag X.

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Draußen stürmte es und den ganzen Tag lang war der Himmel grau. Ich surfte im Internet und hörte Musik. Meine Laune war nicht nur wegen dem Wetter im Keller, sondern auch weil ich mich vorhin mit Laurie nicht gerade wenig gestritten hatte. Ihr ständiges Gemecker wegen Sam ging mir nämlich langsam auf den Keks. Carl hatte uns beide daraufhin hoch geschickt und ich war froh darüber, endlich mal meine Ruhe zu haben. Wenn man permanent aufeinander hockte, konnte es echt anstrengend werden. Mom und Dad bekamen von all dem nichts mit. Der eine arbeitete, die andere war bei der Familie in Italien. Brad und Carl mussten den Haushalt schmeißen und waren nur dezent überfordert damit. Es war lustig anzusehen, doch mir war nicht mehr zum Lachen zu mute.

Meine Zimmertür ging einfach auf und weil ich es hasste, wenn man nicht klopfte, bekam derjenige eine Ladung meiner schlechten Laune ab.

„Schon mal was von klopfen gehört?"-meckerte ich.

„Nächstes Mal, wenn die Zeit da ist"-eine raue Stimme schroff. Erschrocken fuhr ich um. Es war weder Brad, noch Carl, noch Dad. James stand in der Tür und sah ganz und gar nicht entspannt aus. Sein Blick war düster und er hielt mir einen Brief hin. Verwundert nahm ich ihn und stellte fest, dass er bereits geöffnet wurde. Er war nach Matthew Hunter adressiert. Es war ein Brief von der Polizei und ich las mehr als verwirrt die Anschuldigungen.

„Wegen Körperverletzung?"-ich ungläubig. James verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich Kaugummi kauend an. Sein Blick sprach Bänder.

„Ach so, und ich bin wieder einmal Schuld, verstehe"-ich wütend.

„Ohne dich, wäre es nicht dazu gekommen"-James.

„Wenn du nicht zum Billard gegangen wärst, hätte Alex es gar nicht erst versucht!"-beschimpfte ich James und baute mich vor ihm auf, war jedoch immer noch kleiner als er.

„Du weißt was das bedeutet"-James ernst und sah zu mir runter. Ja, das wusste ich. Dad hatte von Brad erfahren, dass ich Matthew traf und war nicht erfreut gewesen. Brad hatte ihm jedoch gut zu geredet und somit mir die Möglichkeit gegeben, dass ich nicht ganz isoliert von Matthew leben musste. Die Bedingung Seiten Dads war allerdings, dass Matthew nicht mehr auffiel. Tja, aber da er Alex eine verpasst hatte war das damit auch vom Tisch.

„Gut. Wir machen einen Deal. Du hast mich gestern genauso in die Scheiße geritten, wie ich Matthew. Du holst mich jetzt aus dieser Scheiße"-ich und sah James bestimmend an.

„Wo ist da der Deal?"-er.

„Es ist gar kein Deal. Ich hatte gehofft du bist so dumm und bemerkst es nicht"-ich und griff zu einer meiner Taschen. Ich stopfte das nötigste rein und sah ihn an.

„Fertig"-ich

„Ist das dein Ernst?"-er ungläubig.

„Hör auf nach zu Fragen"-ich genervt und schubste ihn aus der Tür. Wir gingen die Treppe hinunter und ich sah Carl im Wohnzimmer und Brad in der Küche. Sie sahen beide raus. Seit Tagen war die Stimmung angespannt. Ich ging zu Brad.

„James fährt mich"-ich

„Zu Matthew?"-er skeptisch. Ich nickte.

„Du weißt genau was das bedeutet und so wie ich eure zwischenmenschliche Beziehung wahrgenommen habe, ist er nicht der richtige"-er. Ich seufzte.

„In meinem Leben gibt es nicht den Richtigen, der das durchsteht, was vor mir liegt. Matthew ist der, der es am ehesten Ertragen würde"-ich. Brad seufzte.

„Dein Vater wird mich umbringen"-er und sah aus dem Fenster auf den Volvo von James.

„Hast du dich verabschiedet?"-Brad deutlicher leise als zuvor. Ich schüttelte den Kopf. Dann nahm er eine Kreditkarte aus seiner Hosentasche und gab sie mir.

„Pass auf dich auf"-er und wuschelte durch mein Haar. Ich lächelte ihn zaghaft an und verließ das Haus. Stumm setzte ich mich neben James auf den Beifahrersitz.

„Du schweigst"-ich mit einem bestimmend Ton.

„Du überlebst"-er in derselben Tonlage.

„Okay"-ich leicht nickend. James sah mich kurz von der Seite an.

„Das ist krank"-er

„Das ist Leben"-ich. James atmete tief durch und hielt vor dem Haus, in welchem Familie Hunter wohnte. Außer dem Benz von Matthew war kein Auto zu sehen. Ich spürte dass James noch irgendwas sagen wollte, doch ich kam ihm zuvor.

„Nein"-ich und sah ihn an. Es viel ihm schwer, dass sah ich. Ich schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln und er erwiderte es.

„Danke für alles"-ich und stieg aus dem Auto. Ich rannte durch den Regen zur Haustür und drehte mich nicht mehr um. Als ich James Auto wegfahren hörte, spürte ich dass es wehtat. Er war so etwas wie ein Cousin für mich geworden. Nach etlichem Mal klingeln öffnete mir Matthew in Boxershorts die Tür. Seine Haare zerzaust und es schien, als wäre er nicht allein. Sein Blick scannte mich distanziert.

„Stör ich?"-ich monoton und trat einfach ins Haus. Er rollte die Augen.

„Ehrlich gesagt, ja. Ich bin nicht allein"-er genervt.

„Beeil dich. Wir haben nicht viel Zeit"-ich und ein leichter Stich in meiner Brust war zu spüren.

„Was heißt hier bitte ‚wir'?"-er skeptisch.

„Hand aufs Herz Hunter. Was bedeute ich dir? Genauso viel wie die Tusse da oben in deinem Bett?"-ich und ein schroffer Unterton lag in meiner Stimme.

„Nein. Aber wer lief die letzte Zeit nur vor mir weg?!"-er wütend.

„Die Frage ist: läufst du jetzt mit mir zusammen weg, oder lebst du dein Leben mit den Schlampen weiter?"-ich leiser als zuvor und sah zu Boden. Nachdem was ich abgezogen hatte, war das Gefühl in mir, er würde sich gegen mich entscheiden. Matthew sagte nichts und ging die Treppe hoch. Er ließ mich einfach stehen. Super. Das war's also. Ich nahm meine Tasche auf die Schulter und verließ das Haus. Stumm ging ich meinen Weg durch den Sturm in Richtung Ortsausgang. Ich würde meine Reise alleine antreten. Ich steckte meine Kopfhörer ein und hörte lautstark Musik. Knapp eine Dreiviertelstunde ließ ich mich vom Wind durchwehen, bis plötzlich ein Auto neben mir hielt. Es war voll bepackt von oben bis unten. Taschen, Decken, ein Snowboard und anderer Kram. Die Scheibe der Beifahrerseite ging runter.

„Muss das Chicken so verzweigte Wege laufen?"-Matthew, und seine Stimme klang fast vorwurfsvoll. Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinen Lippen und ich stieg in den Benz. Meine Tasche landete auf der Rücksitzbank und wir fuhren raus aus unserer kleinen Stadt. An einem stürmischen Samstag verließ ich die Stadt, in welcher ich aufwuchs. An einem Samstag verließ ich meine Familie, meine Freunde, mein Zuhause und meine Heimat und ging. Ohne Abschied zu nehmen.

Remember Me.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt