"Hallo Liven. Du hast wieder den Stadtzug verpasst." begrüßt mich meine Mutter, die mir in der Haustür starr und emotionslos entgegen blickt.
Ich nicke langsam und gehe an ihr vorbei. Es fällt mir schwer nicht mit ihr zu reden. Ich fühle mich respeklos meiner Mutter gegenüber, aber es tut in meiner Seele weh sie reden zu hören. Ich sollte ihr und meinem Vater dankbar sein, dass sie mir das Leben schenkten, ein Leben in einer sicheren und geplanten Welt die alles für einen bestimmt.
Mein Vater arbeitet in einer anderen Region als Wächter. Ich sehe ihn nicht oft, was ich schade finde, da ich nicht weiß wie viel Zeit mir noch hier bleibt und ich ihn nocheinmal sehen möchte, bevor ich es nie wieder kann.
Ich setzte mich an den weißen Esstisch, auf meinen Platz, wo mein Mittagessen bereits steht.
Eine Scheibe kaltes und hartes Brot mit Butter. Wäre ich mit dem Stadtzug gefahren wäre es noch weich und warm, Aber ich tue alles um den geisterhaften und seelenlosen Gestalten auszuweichen.
In meiner Straße bin ich die einzigste die keine Kontakte zu anderen Personen pflegt und somit hebe ich mich wieder aus dem System hervor. Niemand hat etwas dagegen, es ist jedem selber überlassen wie viele Kontakte man pflegt und was man mit ihnen unternimmt, viel Auswahl gibt es nicht nur ein Schwimmbad und eine Redegemeinschaft, wo es ebenfalls erlaubt ist über sein Wissen zu diskutieren in Aufsicht mehrerer Wächter.
Ich liege lieber in meinem Bett und rede mit mir in meiner normalen Stimme. Ich mag den Klang meiner unverstellten Stimme. Sie ist die Mitte aus hoch und tief und klingt harmonisch. Ich höre mich gerne reden, es beruhigt mich, doch ich weiß das es, dass nicht sollte.
Ich bin eine Psychopathin, ich träume, ich höre mich gerne selber reden und ich isoliere mich. All dies wären Gründe um mich töten zu lassen, aber ich scheine die Anzeichen anders zu sein gut zu verstecken. Ich fange an an meinem Brot zu knabbern, auch dieser Geschmack ist seit Jahren gleich.
Besondere Speisen gibt es zu zu besonderen Anlässen, wie einem Lebensjahrtag oder einer Eheschließung, aber auch das ist in allen Fällen immer dasselbe, ein Stück Fleisch mit Soße und einem Kuchenstückchen.
"Wir sehen uns." verabschiedet sich meine Mutter monoton freundlich und marschiert aus dem Haus zum Stadtzug zu ihrem Arbeitsauftrag.
Über unseren Arbeitsauftrag dürfen wir nicht reden, um eine Verachtung zu vermeiden, nicht mal ich darf wissen, welcher der meiner Mutter ist. Bei dem meines Vaters ist das anders, ein Wächterauftrag darf in der Familie bekannt gegeben werden, um Kind und Frau den Grund der langen Abwesenheiten zu erklären.
Als die Tür ins Schloss fällt lege ich mein Mittagessen auf den Tisch zurück und ziehe mich in mein Zimmer zurück.
Mein Blick bleibt an meinem Spiegel haften. Mir starrt das Gesicht einer jungen Frau entgegen. Ein ernster Blick, ich lächle und betrachte mich so eine Weile. Meine türkisblauen Augen passen nicht in das Bild, mein lächeln erlischt wieder. Ich sehe an mir herunter. Ich bin dünn, zu dünn, Aber niemand sagt etwas dazu. Ich bin die einzigst unterernährte in dieser Straße. Ich weiß es, Aber ich kann diese immergleichen Mahlzeiten nicht ertragen. Vor zwei Wochen noch konnte ich zu meinem Lebensjahrtag mein Gewicht wieder hochbringen, jetzt aber sinkt es wieder rasant. Es macht mir angst, aber ich kann es keinem erzählen. Ich wäre anders.
Das weiße T-Shirt, welches ich anhabe hängt wie ein Sack an mir herunter, ich habe keine Kurven und Erhöhungen, ich bin ein dünner Strich zwischen vielen dicken Strichen.
Man könnte mich problemlos hinrichten lassen, es gäbe genügend Beweise, dass ich anders im System bin.
Die weiße Hose passt sich wenigstens ein wenig an meine Beine an, der Nachteil? Ich erscheine dadurch noch dünner.
Ich drehe meinem Spiegelbild den Rücken zu und sehe aus dem einzigst vorhandenen Fenster in meinem Schlafraum.
Mein Fenster zeigt direkt auf die Straße in der ich wohne. Jedes Haus ist weiß und gleicht den nächst folgenden, bis auf den Familiennamen an der Haustür.
Grün gibt es keins.
Auf den Bildern die uns die Lehrenden zeigten sah man in jeder Straße komische grüne Geflechte und Flächen auf denen Kinder spielten und Erwachsene lachten.
Ich habe noch nie einen Erwachsenen im System lachen sehen.
Gelacht werden darf nur für Fotos, welche nur einmal nach der Eheschließung gemacht werden.
Ich mag diese Regelung nicht.
Lachen ist etwas tolles, etwas das Glück und Zufriedenheit ausstrahlt.
Es sieht aus als ob hier alle unzufrieden und unglücklich sind.
Jeder hat diesen traurigen Blick und diesen traurigen Gesichtsausdruck.
Ich möchte, dass jeder so viel lacht und glücklich sein kann wie er will.
Ich lege mich auf mein Bett und fange an den heutigen Unterrichtsstoff nocheinmal durchzusprechen.
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When I Close My Eyes
Science Fiction2210 - Die Menschheit hat sich verändert. Nach einem langen Krieg wurde Frieden geschaffen, es wurde das System geschaffen. Einen freien Willen gibt es nicht mehr. Alles ist gleich, anders sein ist ein Verbrechen. Träumen eine Krankheit. Alles wird...