Kapitel 8 Respekt

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Allein wegen diesem Satz hätte ich sie ohrfeigen können. Was gab ihr das Recht, eine solche Behauptung aufzustellen? Niemand, wirklich niemand kann den Platz meiner Mutter einnehmen!

"Du bist ganz sicher nicht meine Mutter und du wirst es auch niemals schaffen ihren Platz in meinem Leben einzunehmen! Das du dich das traust so etwas zu sagen, ist einfach nur absolut frech.", sagte ich stinksauer und gleichzeitig den Tränen nah. Ich gab mir Mühe respektvoll zu sprechen, aber ich konnte so einen Satz nicht wortlos auf mir sitzen lassen. Danach lief einfach an ihr vorbei und auf den schnellsten Weg nach draußen. Ich versteckte mich in einem der Büsche im Vorgarten und setzte mich auf das lange Gras und zog meine Beine an meinen Körper. Ich kauerte mich zusammen, wie die ersten Tage im Heim. Ich wollte einfach nur auf dem weichen Gras sitzen und ausblenden wo ich mich befand.

Ich fragte mich, wieso mir sowas passieren musste.
Trotz jeder scheinbaren Stärke konnte ich meine Tränen nicht mehr unterdrücken und spürte, die Wärme die sie hinterließen, als sie meine Wangen hinunter flossen. Ich konnte meine Tränen nicht kontrollieren und so flossen sie, ohne dass ich es beeinflussen konnte, meine Wangen hinunter und goßen das Gras, auf welches sie tropften.

Ich war sichtlich verletzt meinem Vater wieder gegenüber zustehen nach so langer Zeit und die Aussage dieser Frau übertraf nochmal alles. Wie konnte man als erwachsener Mensch so unsensibel sein? Ihr musste doch bewusst sein, dass jeder in seinem Leben nur eine Mutter hatte. Ich wünschte meine wäre nicht so früh gegangen, vielleicht hätte sie mir einiges an Kqummer ersparen können.

Ich wurde tagtäglich zusammen geschlagen und jetzt sehe ich diese zwei Mädchen, die ein unbeschwertes Leben führten, ich gönnte es ihnen, so ist es nicht, aber ich konnte es nicht mit ansehen. Es war einfach zu viel für mich. Immerhin hatte er 13 Jahre Zeit mich zurück zu holen, aber er War damit beschäftigt eine neue Familie zu gründen. War ich ihm wirklich so wenig Wert? Er hatte 4.747 Tage Zeit irgendwas zu ändern. Er war zwar mein Vater, aber so schnell konnte ich ihm das alles einfach nicht verzeihen. Ich brauchte Zeit, um mit allem klar zu kommen.

War ich der Grund, weshalb er nicht sofort neu geheiratet hat? Eine Hand auf meiner Schulter ließ mich kurz aus meiner Gedankenwelt auftauchen. Ich schaute nach oben und sah, dass es Ibrahim war. Ich stand auf und er umarmte mich sofort. Ich legte meinen Kopf auf seine Brust. Meine Tränen flossen weiter und befeuchteten sein T-shirt. Er konnte vom Glück reden, dass ich keine Wimperntusche drauf hatte, sonst hätte diese sein Oberteil wahrscheinlich befleckt. Er strich mir über den Rücken und versuchte mich zu trösten, aber das brachte einfach nichts. "Soll ich dich nach Hause fahren?" fragte er fürsorglich. Das war mein größter Wunsch, hier zu verschwinden, aber ich musste eine Sache noch wissen.  "Ich muss eine Sache noch wissen, dann will ich hier bitte weg.", sagte ich und versuchte meine Tränen zu trocknen.
Als ich mich bereit fühlte, lief ich mir Ibrahim an meiner Seite zurück ins Haus und direkt ins Wohnzimmer.

Dort stellte ich mich vor meinen Vater und seine neue Frau. Die 2 Mädchen waren in der Zwischenzeit verschwunden. "Bevor ich gehe, musst du mir noch eine Frage beantworten.", fing ich an und hatte einen strengen Unterton in meiner Stimme.

"Rede nicht so mit deinem Vater!" giftete die Frau mich an. Ich guckte sie mit meinem Killerblick an und sagte dann extra provokant: "Mit dir hat keiner geredet!" Sie guckte mich empört an, doch das war mir relativ egal. Ich war nur hier, um meine Antwort zu bekommen, danach wollte ich mich nur noch in mein Bett verkriechen. "Du kannst ja wohl respektvoller mit deiner Stiefmutter umgehen!" kam es dann kleinlaut aus ihrem Mund.

Ich lachte ironisch auf und sagte dann in einem sehr harten Ton "Ich verbrachte ganze 13 Jahre im Heim! Ich hatte niemanden und du willst mir jetzt etwas von Respekt predigen? Was ich alles durchgemacht habe, kannst du niemals nachvollziehen. Ich will mich hier auch nicht lange mit dir rumzoffen. Ich kam zurück, um meinem Vater eine Frage zu stellen, also bitte." Ich atmete einmal tief ein und dann wieder aus. "War ich der Grund, weshalb du nicht sofort neu geheiratet hast? Hast du dich schlecht gefühlt weil ich meiner Mutter so ähnlich sehe?", brachte ich es dann auf den Punkt.

"Was ist das denn bitte für eine Frage?" kam es wieder aus der Frau, die sich für mich schon längst ins Abseits gespielt hatte. "Du bist weder meine Mutter, noch hast du was mit der Geschichte zu tun, warum bist du nicht so <<respektvoll>> und lässt mich mit meinem Vater reden?", fragte ich denn mit einer enormen Wut im Unterton. Sie war jetzt schon total unsympathisch.

"Ja! Du warst der Grund! Ich sah in deinem Gesicht, das Gesicht deiner Mutter und musste mit der Realität klarkommen, dass sie tot war. Ich habe viele schlimme Dinge getan.", er hielt kurz inne und schaute auf den Boden. Ich sah, wie sich Tränen über seine Wangen rollten. "Es tut mir so leid. Ich bitte dich vom Herzen um Verzeihung. Ich weiß, du kannst es nicht sofort. Ich habe schlechte Dinge getan, ich schäme mich zu tiefst.", fügte er hinzu und schaute wieder zu mir hoch. Seine Augen waren knallrot und strahlten Reue aus. Es liefen ihm weiter Tränen aus den Augen und ich bemitleidete ihn für das Gefühl, was er verspürte. Reue war nichts schönes.
Ich legte meine Hand auf seine Schulter. "Ich brauche Zeit.", brachte ich über die Lippen und verließ den Raum, ohne noch ein Wort zu sagen.

Liebe auf Umwegen♡ أحبكWo Geschichten leben. Entdecke jetzt