Kapitel 27 Wecker

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Am nächsten Morgen stand ich gezwungenermaßen auf. Ich hatte fürchterliche Schmerzen am ganzen Körper! Ich konnte mich nur unter starken Schmerzen bewegen. Kein Wunder, bei dem was mir am gestrigen Tag alles passiert war. Ich wurde gefühlte 1000 mal gepackt und gegen irgendwelche Wände gedrückt, dass ich dabei keine Blauenflecken abbekam wäre doch ein Wunder.

Nur Ilyass passte auf, wie er mich anfasste. Er war zwar oft wütend, aber dennoch achtete er darauf mir nicht weh zu tun. Meiner Meinung nach sollte ein Mann auch so sein. Ein wahrer Mann sollte einer Frau niemals Schaden zufügen, denn unser Prophet Muhammad salalahu alayhi wa salam (arab. Frieden und Segen sein auf ihm) hat nie eine Frau geschlagen, beleidigt oder gekränkt. Ma shaa Allah. So sollte ein richtiger Mann auch sein. Die 'Männer' die ihre Frauen schlagen, sie runter machen und sie sich wertlos fühlen lassen, sind in meinen  Augen keine richtigen Männer. Stärke beweist man nicht durch Gewalt und Zorn, sondern durch Geduld und Verständnis.  Vor allem die muslimischen Männer, die draußen auf Löwe machen und zu Hause ihren Zorn an der Frau auslassen. Sie bewahrt ihre Keuschheit, bis zur Ehe, verdeckt ihren Scham und der Dank dafür sollen Faustschläge sein? Eine Frau ist einfach etwas wertvolles und kostbares, denn manche vergessen, dass sie nur durch eine Frau ,und Allah natürlich, das Licht des Lebens erblicken durften.

Ich rieb mir erstmal ordentlich die Augen und setzte mich dann aufrecht hin. Ich kramte mein Handy aus meiner Tasche und sah sofort, dass Merve und Leyla mich förmlich mit Nachrichten bombardiert hatten. Sie fagten, warum ich so sauer war, warum ich bei Ilyass war, warum ich gegangen bin etc. und ich erklärte ihnen die ganze Geschichte mit Bilal in einer Sprachnotiz. Den Teil mit Ilyass ließ ich natürlich weg, wie bei meinem Bruder. Die beiden waren noch nicht online, weshalb ich noch genug Zeit hatte mich fertig zu machen. Ich ging mit meiner Tasche aus dem Zimmer und suchte erstmal das Bad, was ich kurze Zeit später auch fand. Ich hatte in meiner Tasche so ziemlich alles, von Reisezahnbürsten, bis hin zu Staubsaugern. Ich musste es natürlich wieder übertreiben, aber etwa die halbe Drogerie schleppte ich tagtäglich mit mir rum. Ich führe meine morgentliche Routine durch. Als ich fand, dass ich unter die Leute gehen konnte, verließ ich das Bad und ging ins Gästezimmer zurück. Ich machte das Bett neu und stellte meine Tasche darunter. Danach suchte ich Ibrahim's Zimmer, was garnicht mal so leicht war, da das Haus wirklich groß war.

Als ich sein Zimmer nach gefühlten Jahren endlich fand, ging ich rein und öffnete erstmal die Gardinen, danach auch die Fenster, denn es musste dringend mal gelüftet werden. Er ächzte nur vor sich hin und zog die Decke über seinen Kopf. "Aufstehen! Es ist fast 12 Uhr!" rief ich und versuchte dabei so motivierend, wie möglich zu klingen. "Lass mich weiter schlafen!", jaulte er nur so vor sich hin, doch ich war erbarmungslos. Ich zog ihm einfach die Decke weg und rannte damit so gut es ging aus dem Zimmer, er kam mir halbverschlafen hinterher und versuchte seine Decke zurück zu bekommen. Als er ein Ende der Decke packte, fing sowas wie Tauziehen an. Wir zogen beide mit voller Kraft an der Decke, bis ich absichtlich losließ und er mit einem Ruck auf dem Boden landete. Sein Blick war einfach unbeschreiblich. Ich fing lauthals an zu lachen. Ibrahim stand sofort auf und brachte seine Decke ins Zimmer, danach ging er ins Badezimmer, aber davor flüstere er mir "das kriegst du zurück du Hexe!" ins Ohr. Ich lächelte nur vor mich hin und lief die Treppen runter und suchte nach der Küche. Meine Stiefmutter war zum Glück noch nicht wach, weshalb ich alleine Frühstück für alle vorbereitete.

Spiegelei, Rührei, Gemüse, Obst, alles was das Herz begehrte. Als Ibrahim immer noch halbverschlafen in die Küche kam, zwang ich ihn, mir zu helfen. Wir machten alles fertig und nach und nach kamen mein Vater, meine Halbschwestern und meine Stiefmutter runter. Mein Vater lobte mich für das Frühstück und wir frühstückten gemeinsam. Meine Stiefmutter betrachtete das ganze essen abwertend und guckte es die ganze Zeit krumm an. "Das Essen ist nicht vergiftet, falls du das denken solltest.", lächelte ich sie an, wobei mein Lächeln falscher war, als die Augenbrauen mancher Mädchen. Sie setzte ebenfalls ein falsches Lächeln auf und fing an richtig zu essen. Als wir alle satt waren, räumte ich den Tisch ab und meine Stiefmutter half mir dabei. Wie räumten beide in Küche auf und sie guckte mich die ganze Zeit abwertend an. "Wie kommt man eigentlich darauf, jemanden durch Eifersucht im Keller einzusperren?", fragte ich dann belustigt, während ich die Teller rein räumte. "Halt gefälligst dein freches Mundwerk!", sagte Touria dann kratzbürstig. "War doch nur eine normale Frage.", lächelte ich sie extra provokant an. Sie musste mich nicht gleich so anzicken. "Dich hätte ich direkt auf dem Scheiterhaufen verbrennen müssen!", fluchte sie dann vor sich hin. Ich dachte ihr Neffe wäre gestört, aber das lag wohl in der Familie. "Beruht auf Gegenseitigkeit meine Liebe.", sagte ich dann völlig kühl und zwang wieder ein Lächeln auf. "Hättest du nicht einfach im Heim bleiben können?", fragte sie dann provokant. "Hättest du nicht in der Mülltonne bleiben können?", waren meine letzten Worte, bevor ich dir Küche verließ und zu Ibrahim ins Zimmer ging. Ich wusste, dass ich nicht auf ihr Niveau gehen sollte, aber sie provozierte mich so sehr.

Ich blieb nur an der Tür stehen. "Soll ich dich nach Hause fahren?", fragte er. "Nur wenn es dir keine Umstände bereitet.", antwortete ich gekonnt süß. Er holte sich seine Jacke und sagte mir, ich solle meine Sachen holen. Ich verabschiedete mich von meinem Vater und meinen Halbschwestern. Sogar Touria wünschte ich noch einen schönen Tag. Als wir im Vorgarten standen, dachte ich an das letzte mal, an dem ich hier war.

"Weißt du noch, als ich das letzte Mal hier war und du mich genau hier getröstet hast?", fragte ich und schaute zu ihm rüber. "Als ich im Keller eingesperrt war.", fügte ich hinzu. Er hob eine Augenbraue hoch und schüttelte nur den Kopf! "Du halozinierst wohl, ich war doch drin und hab versucht das Geschrei zu schlichten.", sagte er dann und ich bemerkte schnell, dass er es ernst meinte. Wie ein Blitzschlag schlug es ein das Parfum aus Ilyass Badezimmer hatte ich genau an dem Tag gerochen. Er war es, der mich in der Dunkelheit umarmt hatte. Sein Herzschlag hatte ich gespürt und seinen Duft hatte ich eingeatmet.

Was sagt ihr 😄

Liebe auf Umwegen♡ أحبكWo Geschichten leben. Entdecke jetzt