Kapitel 34 Liebeskummer

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Ich machte einen kurzen Zwischenstopp im Supermarkt, um mir einen Becher Ben&Jerry's Eis zu kaufen, aber als ich gerade zur Tiefkühltruhe ging, holte eine etwa 50 Jahre alte Frau den letzten Becher raus und legte ihn in Ihren Einkaufskorb. Ich guckte sie nur verdumpft an, aber sie bemerkte mich nicht. Wirklich jede Sorte war ausverkauft. Ich fluchte nur vor mich hin und anscheinend weckte ich dadurch die Aufmerksamkeit der Frau. "Wollen Sie vielleicht das Eis haben? Scheint als hätten sie es nötiger als ich", sagte die Frau dann und lächelte mich freundlich an. "Nicht nötig, Dankeschön.", log ich der Höflichkeit halber. "Hier nehmen sie es. Ich war schließlich auch mal jung.", sagte sie dann und lächelte erneut, aber diesmal mit diesem Bemitleidenswerten Blick.

"Vielen lieben Dank.", sagte ich und spürte dabei wie meine Augen wieder glasig wurden. "Liebeskummer?", fragte sie. "Kann man so sagen", antwortete ich und täuschte ein Lächeln vor. "Das geht schon wieder vorbei.", sagte sie und ging in einen anderen Gang. Ich bezahlte mein Eis und ging den restlichen Weg nach Hause. Zu hause angekommen schleppte ich mich ins Badezimmer und betrachtete mich im Spiegel. Meine Augen waren knallrot, aber mein Make-up war wenigstens nicht verschmiert oder so. Ich schminkte mich ab und zog mir anschließend eine Jogginghose und ein Top an. Meine Haare Band ich zu einem Dutt zusammen und dann ging ich auch schon in mein Zimmer. Ich ließ mich mit dem Gesicht auf mein Bett fallen und fing an in mein Kopfkissen zu weinen. Wie konnte Ilyass nur mein Milchbruder sein? Ich hatte mich zum ersten Mal in meinem Leben richtig verliebt und dann musste so eine Nachricht mein Leben erschüttern. Ich war bitterlich am weinen, obwohl wir ja nie zusammen waren oder so, aber allein die Tatsache, dass wir niemals heiraten könnten, war mir genug. Ich holte mir einen großen Löffel aus der Küche und aß mein Eis.

Meine Tränen vermischten sich manchmal sogar mit dem Eis, da ich so verletzt war. Dieses Gefühl hatte ich noch nie gefühlt. Ich dachte ich kannte alle Fassetten der Trauer, doch die, die ich gerade erlebte, war mir neu. Noch nie in meinem Leben hatte ich so viel geweint. Eine riesige Menge an Papiertaschentüchern hatte ich auch schon verbraucht. Das war wohl der sogenannte Liebeskummer, von dem ich immer behauptete, ihn nie zu bekommen. Ich sehnte mich nach Ilyass Nähe, doch es würde mich nur noch mehr verletzten. Meine ganzen Zukunftsträume mit ihm konnte ich wohl vergessen, was mich nur noch mehr zum weinen brachte. Es konnte doch nicht wirklich wahr sein, dass wir Milchgeschwister sind.

Ich fing an über unsere gemeinsamen Erlebnisse nach zu denken. Er hat mich schon getragen, er hat mich beschützt, wir waren zusammen im See, dann noch Fußball spielen. Ich habe mich, ihm zu liebe, als seine Verlobte ausgegeben. Ich musste nur noch stärker weinen, als ich darüber nach dachte. Wir würden niemals eine gemeinsame Zukunft haben. Es war wirklich hart für mich. Irgendwas in mir wollte einfach nur beten und Allah alles berichten, was ich dann auch tat.

Ich vollzog die Gebetswaschung und zog mir ein Kopftuch und ein langes Kleid an. Anschließend sprach ich meine Absicht für das Gebet und fing an zu beten. Ich blieb immer sehr lange im Sujud und ließ einfach mein Herz sprechen. Mir liefen stumme Tränen über die Wangen. Ich betete für Ilyass und sprach einige Bittgebete für ihn. Als ich mein Gebet beendete liefen mir immer noch Tränen über die Wangen. Ich vermisste Ilyass 'Hör auf dich selbst fertig zu machen♡ Der Plan von Allah ist sowieso besser für dich', meldete sich meine Innere Stimme nach gefühlten Jahren wieder. Ich setzte mich auf mein Bett und checkte Ilyass Whatsapp. Er hatte kein Profilbild und in seinem Status waren nur drei Punkte. Er kam online und innerhalb ein paar Sekunden änderte sich das 'online' in 'schreibt'. Ich war irgendwie glücklich, aber irgendwie auch nicht.
Chatverlauf:
Ilyass: Noch wach?
Amina: Ja
Ilyass: Wie geht's dir?
Amina: Alhamdulillah. dir?
Ilyass: Alhamdulillah, aber eigentlich nicht so gut. Alles ist gerade einfach schwierig. Findest du nicht auch?
Amina: Wir müssen halt damit leben.. mir gefällt es auch nicht, dass du mein Milchbruder bist...
Ilyass: Ich kann aber nicht. Ich hab echt die schlimmsten Gedanken gerade! Ich will nicht leben, wenn du meine Milchschwester bist.
Amina: Sag sowas gefälligst nicht. Bitte...
Ilyass: Amina, es geht nicht anders. Ich kann nicht mehr. Bist du zu Hause?
Amina: Ja.
Ilyass: Kannst du rüber kommen? Bitte.
Amina: Ich bin mir nicht sicher..
Ilyass: Bitte..

Ich überlegte kurz und entschied mich dann letztendlich rüber zu gehen. Ich wusch mir schnell mein Gesicht mit kaltem Wasser und hoffte darauf, dass meine Augen nicht so rot waren. Eigentlich war mir mein Aussehen egal. Ich machte mein Kopftuch fest und nahm meine Hausschlüssel. Ich ließ die Tür leise hinter mir ins Schloss fallen und ging die paar Meter zu Ilyass Haustür. Noch bevor ich klopften konnte, öffnete er die Tür.

Er guckte mich vielsagend an und sagte nur ein leises "Danke". Ich täuschte ihm ein Lächeln vor und lief in die Wohnung. Er lief einfach in sein Zimmer und ich ihm hinterher. Seine Gardinen waren zu gezogen und das komplette Zimmer war einfach nur dunkel. Wenigstens konnte er so meine roten Augen nicht sehen. Er setzte sich auf sein Bett und ich setzte mich ebenfalls hin, aber ich ließ einen gewissen Abstand zwischen uns. "Was hat deine Mutter genau gesagt?", fragte ich nach, da ich irgendwie hoffte, dass er es falsch verstanden haben könnte. "Ich hab sie über dich ausgefragt und dann meinte sie, dass deine Mutter und sie erstens Schwestern sind und zweitens, dass sie dich und Ibrahim gestillt hat.", sagte er niedergeschlagen. "Ich schwöre dir, ich will einfach nicht mehr leben.", sagte er heiser und sehr ernst. "Hör auf das zu sagen.", ermahnte ich ihn und spürte dabei, wie meine Augen glasig wurden. "Wieso? Noch nie hatte ich für irgendwen solche Gefühle, als für dich und jetzt bist du meine Milchschwester?", sagte er wütend und stand auf, um hin und her zu laufen. Er hatte mir soeben indirekt seine Gefühle gestanden, aber es fühlte sich weder aufregend noch schön an. "Für mich ist es auch nicht leicht okay? Und trotzdem sage ich nicht, dass ich kicht mehr leben will.", sagte ich dann auch wütend und stellte mich vor ihn. Ich konnte nur seine Umrisse erkennen, aber das reichte mir. "Du bist echt dumm.", sagte er und lachte ironisch auf. "Warum bin ich jetzt wieder dumm? Du bist doch so behindert und sagst so einen Dreck!", schrie ich ihn an und wollte nach ihm greifen, als er plötzlich meine beiden Arme packte. Er guckte mir ,trotz der Dunkelheit, tief in die Augen.

"Ufff Amina! Ich liebe dich verdammt noch mal! Ich liebe meine Milchschwester!", sprach er erst sehr liebevoll, wurde aber dann lauter und drehte sich von mir weg. Seine Hände ballte er zu Fäusten und fing an gegen die Wand zu schlagen, dann drehte er sich wieder zu mir. Ich nahm seine Fäuste in meine Hände und hielt sie einfach nur fest, da ich nicht wollte, dass er sich wehtut. "Ich dich doch auch.", gestand ich kleinlaut und verlor eine einzelne Träne. "Wieso musst du nur mein Milchbruder sein?", fragte ich heiser und brach in Tränen aus. Ich wandte mich von ihm ab und guckte einfach nur starr gegen die Wand.

Liebe auf Umwegen♡ أحبكWo Geschichten leben. Entdecke jetzt