Kapitel 38 Wahrheit

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Es vergingen Stunden, doch ich rief nicht an. Ich starrte auf mein Handy. Ich konnte nicht über meinen Schatten springen und anrufen. Ich traute mich einfach nicht, der Realität ins Auge zu sehen. Stattdessen dachte ich über das Angebot meines Vaters nach. Ich wohnte zwar erst seit ein paar Monaten mit Leyla und Merve zusammen, aber vielleicht wäre es eine gute Idee zu meinem Vater zu ziehen. Da hätte ich genug Platz und wäre auch weit genug voll Ilyass entfernt. Ich würde ihn nicht mehr täglich sehen, was mich wirklich sehr entlasten würde. Ich entschloss mich dazu , mit Leyla und Merve darüber zu sprechen, doch Leyla kam mir zuvor. Sie rief mich in ihr Zimmer. Ich bemerkte garnicht, dass sie und Merve aufgestanden sind.

Ich ging also in ihr Zimmer und beide warteten dort vielsagend auf mich. Ihre Blicke waren einfach unbeschreiblich. "Wir müssen dir etwas wichtiges sagen.", fing Merve an. "Unser Vermieter braucht diese Wohnung dringend und hat uns deshalb gekündigt." Sie hielt mir einen Brief hin. Ich nahm ihn an und las was drinne stand. "Für uns ist das jetzt nicht so schlimm, da wie vor hatten zurück zu unseren Familien zu ziehen. Es ist nicht so gut, wenn Mädchen schon alleine irgendwo wohnen, also ohne Eltern oder Mann, aber was willst du jetzt machen?", fragte Leyla. "Mein Vater hat mir angeboten zu ihm zu ziehen, weil er auch nicht möchte, dass ich hier alleine wohne. Darüber wollte ich eigentlich auch gerade mit euch reden, Subhanallah." Wir würden schon Anfang nächsten Monats ausziehen, aber für mich war das kein Problem, da ich nicht sonderlich viel hatte.

Wir redeten etwas, bis ich dann einfach in mein Zimmer ging und wieder nach dachte. Letztenendes rief ich dann doch Ilyass Mutter bzw. meine Milchmutter bzw. meine Tante an.
Ich sprachen sehr lange miteinander und sie lud mich dann für Nachmittag ein. Sie versicherte mir, zu meinem Glück, dass sie alleine sein würde.

Ich war wirklich sehr aufgeregt, die Person zu sehen, die mich gestillt hat, die gesehen hat, wie ich groß geworden bin. Ich war einfach nur extrem aufgeregt die Wahrheit zu kennen. Ich zog mich um und packte meine Tasche, anschließend verabschiedete ich mich von Merve und Leyla und ging zu meinem Auto. Ich gab die Adresse in mein Navi ein und fuhr dann sofort los. Eigentlich hätte ich das Navi garnicht gebraucht, da ich die Gegend auch so kannte. Ich bog in die Straße ein und suchte nach der besagten Hausnummer. Bis ich dann vor einem relativ großen Haus stand. 'Wo sind die typischen Ausländer hin?!, meldete sich mein Innerestimme wieder. Sie sprach zum ersten mal meine Gedanken aus. Ich hätte auch erwartet, dass wenigstens sie in einer 3 Zimmer Wohnung leben und um die 7 Personen oder so sind, aber war doch nicht so. Ich parkte mein Auto und klingelte leicht zitternd. Eine etwas mollige Frau öffnete und zog mich sofort in eine herzliche Umarmung. Ihr Gesicht kam mir von Anfang an schon sehr vertraut vor. Sie sah meinem Mutter etwas ähnlich, da sie ja auch Schwestern waren. Wir gingen also ins Haus und setzten uns ins Wihnzimmer, wo Kaffee und Gebäck schon auf dem Tisch stand. Wir setzten uns hin und fingen einfach an zu reden. Wir redeten echt über alles mögliche, bis ich zu dem Punkt kam, etwas über Ilyass zu fragen.

Ich wollte eigentlich nur wissen, warum er nicht in diesem Haus mit seinen Geschwistern und Eltern wohnt, Platz war dort ja genug. "Meine Amina, das ist eine sehr lange Geschichte", sagte sie und hielt kurz inne. "Bitte, ich möchte es wirklich gerne wissen.", bettelte ich sie dann an. Sie atmete laut ein und wieder aus.

"Wo soll ich da nur anfangen... Also früher als Ilyass Vater noch etwa 26 Jahre alt war, musste er eine Frau heiraten. Sie war wirklich sehr jung und bekam auch früh ein Kind, also Ilyass. Die Frau war völlig überfordert und entschied sich einfach dazu abzuhauen, da es eine engagierte Ehe war und sie eigentlich garnicht heiraten wollte. Ilyass Vater war sehr zornig darüber. Sie kam zwar nach einem Monat oder so zurück, aber er wollte so eine Frau nicht länger bei sich haben. Die beiden ließen sich scheiden und Ilyass Vater bekam das alleinige Sorgerecht für Ilyass. Als Ilyass etwa ein Jahr alt war, lernten sein Vater und ich uns kennen. Ich zog neu in die Stadt und wollte mich mit einer Bekannten vor der Moschee treffen, doch ich hatte keine Ahnung wo die war. Also fragte ich die nächste Person und das war dann halt Ilyass Vater. Er brachte mich bis zur Moschee und danach sahen wir uns regelmäßig in der Stadt. Es war immer nur Schicksal, dass wir auf einander trafen. Er hielt damals um meine Hand an und wir heirateten auch kurz darauf. Es war mir relativ egal, dass er schon ein Kind hatte, denn ich liebte Ilyass wirklich! Nach 4 Jahren etwa kamen du und Ibrahim zur Welt und meine große Schwester verließ die Welt. Ich hab ihr versprochen euch beide zu stillen, aber ich hatte damals nicht genug für mein Kind und euch beide. Ich hab damals Ibrahim gestillt und dir die Flasche gegeben, weil Ibrahim der schwächere Zwilling war.", sagte sie, doch ich unterbrach sie dabei. "Ich dachte ich bin auch deine Milchtochter? Ilyass hat es mir so gesagt." Sie schüttelte den Kopf. "Er ließ mich nicht mal ausreden. Er hatte damals wegen die und Ibrahim gefragt und ich erklärte ihm, dass deine Mutter meine Schwester ist und das Ibrahim mein Milchsohn ist, aber dann verließ er sofort das Haus und stürmte wütend davon. Er wollte garnicht zu hören, denn eigentlich wollte ich ihm auch endlich erzählen, dass er nicht mein leiblicher Sohn ist.", erklärte sie dann ausführlich. "Er weiß nicht, dass du nicht seine Mutter bist?", fragte ich geschockt und guckte sie völlig starr an. Sie schüttelte langsam und niedergeschlagen den Kopf. "WAS?!!!!" kam dann eine mir sehr bekannte Stimme zu Wort.

Liebe auf Umwegen♡ أحبكWo Geschichten leben. Entdecke jetzt