Kapitel 29 Anmache

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*Ilyass Sicht**

"Also.. Ich weiß nicht, wie ich das sagen kann. Ehmm.. Es ist mir echt sehr unangenehm zu fragen...-" fing ich an, doch es fiel mir wirklich sehr schwer so etwas zu fragen. "Sag es einfach, muss dir nicht peinlich sein.", sagte sie dann mit ihrer lieblichen Stimme, aber ganz ohne Gefühle, als würde sie versuchen mir gegenüber keine Gefühle mehr zu zeigen. "Es ist mir trotzdem unangenehm. Also... betest du?", fragte ich erstmal und bereute es kurz danach, was war das für eine dumme Frage. Sie nickte einfach nur und ich konnte erkennen wie ihre Mundwinkel leicht nach oben wanderten.

"Meine eigentliche Frage war, kannst du es mir vielleicht wieder beibringen? Ich hab es wirklich oft versucht, selbst zu lernen, aber ich kann nur lernen, wenn jemand es mir live beibringt. Ich hab lange nicht mehr gebetet und die einzelnen Schritten vergessen, ein paar Suren kann ich aber noch.", erklärte ich dann und blickte dabei zu Boden. Sie lächelte diesmal richtig und antwortete sie dann"Ja, das kann ich gerne machen." Sie holte aus ihrer Tasche ein kleines Buch raus, was mich stark an ihr Tagebuch erinnerte. Sie schlug die ersten Seiten auf und sagte dann zu mir "Hier" und zeigte auf die entsprechenden Seiten. Ich rückte ein Stück näher an sie, damit ich es besser lesen konnte, aber ich achtete darauf, dass ich sie nicht berührte. Ich hatte sie schon viel zu oft berührt. Ich guckte in das Buch und las alles vor mich hin. Sie hatte eine sehr ordentliche und gut lesbare Schrift.

Ich wiederholte alles einige Male, bis als ich das Gefühl hatte, dass ich es einigermaßen in meinem Gehirn hatte, holte ich dann einen Gebetsteppich aus dem Schrank und legte ihn auf den Boden. Ich machte das Gebet vor, wie ich es gelernt hatte und fragte bei den einzelnen Schritten, ob dies richtig sei. Als ich mich in den Ruku bückte, war mein Rücken wohl nicht gerade, denn Amina sagte: "Dein Rücken muss gerade sein." Ich bückte mich noch etwas mehr und fragte dann: "So?" Sie stand in der Zwischenzeit auf und kam zu mir. Sie drückte meinen Oberkörper mit all ihrer Kraft nach unten, damit mein Rücken gerade war, doch es war ein Fehler, denn ich verlor das Gleichgewicht und wir beide fielen auf den Boden. Sie fiel genau auf meinen Rücken, was ihren Sturz wahrscheinlich um einiges abfederte. Sie stand sofort von mir auf und guckte mich belustigt und gleichzeitig auch beschämt an.

"Genau so gerade muss dein Rücken sein.", sagte sie dann grinsend und guckte mir dabei zu, wie ich vom Boden aufstand. Ich lachte einfach nur kurz auf und stellte mich wieder hin. Ich machte weiter und bückte mich diesmal anscheinend gerade, denn Amina hatte nichts zu verbessern. Ich vollendete alles und es war richtig. Ich war sichtlich überrascht, da ich dachte es wäre keine lange Zeitspanne in der sie mir das Gebet beibrachte, doch es waren fast drei Stunden, im denen wir alles wiederholten und sie mir wieder beibrachte, was ich vergessen hatte. Als ich es endgültig gelernt hatte, war ich wunschlos glücklich und bedankte mich einige Male. "Gern geschehen.", sagt sie immer wieder sehr bescheiden.

Wir redeten etwas über den Islam und so, bis wir von einem stürmischen Klopfen gestört wurden. Wir gingen beide zur Tür und ich öffnete sie dann auch. Vor uns standen Aminas Mitbewohnerinen. "Tut uns leid, wenn wir euch gestört haben, aber wir wollten Amina abholen. Bilal und mein Bruder sind nämlich gegangen.", erklärte dann eine der beiden. "Warte ich hol dir deine Tasche.", sagte ich dann zu Amina und streifte an ihr vorbei, um in mein Zimmer zu gehen. Ich packte dort ihr Buch in die Tasche und ging auch wieder zurück zur Tür. Ich übergab ihr die Tasche und sie bedankte sich total verlegen. Ich verabschiedet mich von ihr und sie und ihre Freundinnen verschwand auch schon hinter deren Wohnungstür. Ich ging sofort in mein Badezimmer und verrichtete die Gebete, die ich an dem Tag verpasst hatte. Es war so ein unbeschreibliches Gefühl. Das hatte mir all die Jahre gefehlt. Ich wollte mich auch demnächst wieder in der Moschee blicken lassen, in shaa Allah. Als ich fertig war, legte ich mich auf mein Bett und dachte nach.

'Gib's doch zu! Du hast die ganze Zeit an Amina gedacht.', kam mein Inneres-Ich mit der Wahrheit zu Wort. Es stimmte. Ich dachte an Amina, wie sie mir das Gebet beibrachte, wie sie meine Aussprache verbesserte, wie sie auf mich fiel. Das Mädchen war echt etwas besonderes. Es tat mir leid, dass sie so ein schweres Leben hatte.  Ich stand von meinem Bett auf und packte meine Sporttasche. Ich hatte vor ins Boxstudio zu gehen und auf andere Gedanken zu kommen. Zum Glück hatte auch jeden Sonntag geöffnet. Ich suchte meine Sachen zusammen und verließ meine Wohnung. Ich hatte keine Lust zu fahren also entschied ich mich zu laufen. Das Studio war zu Fuß vielleicht 15 Minuten von mir entfernt. Dort angekommen zog ich mich um und ging eine ordentliche Runde auf dem Laufband joggen. Ich versuchte auf andere Gedanken zu kommen, aber Amina schwirrte mir die ganze Zeit Kopf herum. Ich hatte eigentlich schon genug Geld für eine Hochzeit, nur wusste ich noch nicht mal, ob sie mich überhaupt wollte. Ich wusste auch nicht, ob ich ihr genug bieten könnte. Eine eigene Wohnung hatte ich schon, das war vielleicht ein Vorteil. Ich erwischte mich erneut dabei, wie ich nur an sie dachte und versuchte dies zu unterlassen.

Nach etwa einer halben Stunde joggen ging ich zu den Sandsäcken, um zu boxen. Ich holte meine Bandagen aus meiner Tasche und wickelte sie mir erstmal ordentlich um die Hände. Ich wollte heute keine Handschuhe benutzen. Ich stellte mir bei jedem Schlag vor, dass der Sandsack Bilal war, der wieder irgendwas mit Amina machen wollte. Amina war immer noch in meinem Kopf! Ich ging zum Boxen, um sie zu vergessen, aber selbst dort dachte ich an sie. Ich war sauer auf mich selbst, dass ich meine Gedanken nicht kontrollieren konnte. Ich ließ meine ganze Wut und Kraft an dem Sandsack aus. Als ich völlig erschöpft und verschwitzt war, nahm ich einen großen Schluck Wasser und ließ mich auf einer Bank nieder. Ich wischte mir mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn und atmete schwer. Ich entschied mich nach dem harten Training nach Hause zu gehen und zog mich nach der Dusche wieder um. Ich verließ das Studio und machte mich auf den Heimweg, bis mich eine junge Frau, die wirklich leicht bekleidet war, ansprach. Ihr Make up sah genau so schlimm aus, wie ihr Outfit und ihre Haare sahen auch sehr mitgenommen aus.

"Entschuldigung. Das ist eigentlich garnicht meine Art, aber kannst du mir vielleicht deine Nummer geben? Du siehst echt total gut aus und groß und breit bist du auch.", sagte sie zu mir. "Nein.", antwortete ich darauf und wollte weiter gehen, als sie mich aufhielt. "Warum denn nicht?", fragte sie schon richtig lächerlich. "Ich bin schon vergeben.", log ich. In dem Moment stellte ich mir vor, dass ich mit Amina verlobt wäre. "Sie muss ja nichts davon erfahren.", sagte sie und versuchte mir an den Oberarm zu packen, doch ich ließ es erst garnicht dazu kommen. "Sie ist eine richtige Frau. Was will ich dann noch von dir? Du bettelst ja darum, dass ich dir meine Nummer gebe, dass ist richtig armselig. Das würde Sie zum Beispiel nicht tun! Und jetzt schönen Abend noch.", sagte ich dann strikt und lief an ihr vorbei.  'Was ist bloß mit dir los? Hör auf Amina als Dein, zu bezeichnen! Du bist in sie verliebt, ist ja alles schön und gut, aber du weißt nicht ob es auf Gegenseitigkeit beruht!', meldete sich mein Inneres-Ich wieder und es hatte verdammt noch mal Recht.

Liebe auf Umwegen♡ أحبكWo Geschichten leben. Entdecke jetzt