Kapitel 52.

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Langsam öffne ich meine Augen und realisiere erst wieder wo ich eigentlich bin. Als ich mich aufsetzt und gähne erschrecke ich fast zu Tode da Michael vor der Couch steht und mich mit großen Augen ansieht. Noch immer kann man deutlich sehen dass seine Augen angeschwollen und seine Wangen rot vom vielen weinen sind.
"Sam?" Fragt er wobei seine Stimme ziemlich rau klingt.
"Morgen." Sage ich und schenke ihm ein kleines Lächeln.
"Was tust du hier?" Will er wissen und ich ziehe verwirrt die Augenbrauen zusammen.
"Das weißt du nicht mehr?"
"Äh nein, ich hab geträumt dass du da bist aber an gestern Abend kann ich mich fast gar nicht mehr erinnern."
"Du hast nicht geträumt, ich bin wirklich da." Sage ich.
"Und gehst du wieder?" Fragt er und wendet den Blick von mir ab.
"Erst einmal nicht... ich weiß nicht genau." Antworte ich ehrlich.
"Was ist mit meiner Hand passiert?" Fragt er und erst jetzt fällt mir wieder ein, dass er noch immer die Verletzung hat.
"Das weiß ich auch nicht ganz genau aber du hast mir gestern Abend gesagt dass du mit einer Flasche in der Hand hingefallen bist."
"Jetzt wo dus sagst, ich glaub ich kann mich erinnern." Sagt er und setzt sich jetzt endlich hin.
"Sollen wir uns erst einmal um deine Hand kümmern?" Frage ich und stehe von der Couch auf, wo er nun sitzt.
"Klar." Sagt er nur und so mache ich mich auf den Weg ins Bad wo ich weiß dass eine Pinzette liegt. Mit einem Handtuch und einem Desinfektionsspray komme ich wieder zurück und lege alles bis auf das Handtuch neben ihm auf der Couch ab. Ich gehe in die Küche und hole eine kleine Schüssel und mache das Handtuch nass. Im Wohnzimmer setze ich mich wieder neben ihn und er sieht mich aus seinen noch immer großen Augen an.
"Gib mir deine Hand." Sage ich und er legt sie auf meinen Schoß. Zwar erinnert mich seine Hand an dieser Stelle nur wieder an Jake doch ich versuche es einfach zu ignorieren.
"Ich will dir nicht weh tun also sag mir wenn ich zu grob bin okay?"
"Okay."
Ich nehme das nasse Handtuch und fahre erst einmal die Haut um die eigentliche Verletzung ab um das getrocknete Blut weg zu bekommen.
"Michael tut das nicht höllisch weh?" Frage ich ihn als ich mir seine Handfläche genauer ansehe.
"Um ehrlich zu sein schon aber das ist mir gerade ziemlich egal."
"Das sollte es nicht, das kann sich alles ganz leicht entzünden." Sage ich kopfschüttelnd.
"Du bist hier, im Moment ist mir alles andere egal." Ich hebe meinen Blick von seiner Hand und schaue ihm jetzt in die rot unterlaufenen Augen. Meine Mundwinkel zucken nach oben und ein Lächeln bildet sich auf meinem Gesicht das er kurz darauf erwidert.
Ich wende den Blick wieder ab und greife nach der Pinzette die neben mir liegt. Ein letztes Mal sehe ich ihn an und er nickt um mir zu zeigen dass ich weiter machen soll. Zuerst ziehe ich einige große Scherben aus seiner Haut, die dank dem getrockneten Blut nur noch schwerer zu entfernen sind, und lege sie alle nacheinander in die kleine Schüssel die neben mir steht. Immer wieder zuck er zusammen und ich kann sehen dass er sich auf die Unterlippe beißt.
"Tut mir leid." Sage ich da ich mich schlecht fühle.
"Nein schon gut, mach einfach weiter." Ich nicke und suche nach weiteren Scherben, da ich keine mehr in seiner Haut lassen will.
Gute zehn Minuten sitze ich so da und suche seine Verletzung nach den kleinen Glassplittern ab bis ich irgendwann keine mehr finden kann.
"Ich glaub ich hab alles." Sage ich und lege die Pinzette weg.
"Gott sei Dank." Erleichtert atmet er aus und ich nehme das Desinfekionsspray in die Hand. "Oh nein." Jammert er und spannt sich sichtlich an.
"Ich weiß das wird verdammt brennen aber das muss sein Mikey."
"Ich weiß, mach einfach und quäl mich nicht noch länger." Eilige schüttel ich das Spray und nehme dann die Kappe ab. Als ich es über seiner Hand platziere kneift er die Augen zusammen und ich sprühe einmal kräftig über seine Wunde.
"Fuck." Schimpft er zwischen zusammengebissenen Zähnen und öffnet wieder die Augen. Ich stehe auf und hole noch schnell eines dieser großen Pflaster. Ich ziehe die Folie ab und klebe es auf, sodass es seine komplette Handfläche abdeckt.
"Danke." Sagt er und sieht mich wieder an.
"Klar." Ich erwider kurz seinen Blick und räume dann alles was ich gebraucht habe wieder an seinen Platz bevor ich mich dann zu ihm setze.
"Michael?"
"Mhm?" Er sieht mich fragend an sodass ich weiter rede.
"Was weißt du alles noch von gestern Abend?" Stelle ich meine Frage.
"Ich glaub das Nötigste." Seufzt er.
"Und das ist was?"
"Ich weiß dass ich viel getrunken hab Sam." Sagt er und ist nicht stolz darauf, dass kann man ihm ansehen.
"Aber warum?" Mir ist es immer noch nicht klar warum er sich so sehr betrinkt, und dann auch noch alleine.
"Die Woche war ziemlich hart weißt du. Wenn ich ehrlich bin habe ich jeden Abend seid Sonntag etwas getrunken, aber so sehr betrunken wie ich gestern war, war ich bis jetzt an noch keinem Abend." Sein Blick liegt auf der Wand gegenüber von uns und seine Stimme ist so leise dass ich mich anstrengen muss ihn zu hören.
"Michael wieso tust du das denn?" Frage ich besorgt. Der Gedanke dass er sich bis jetzt jeden Abend seid ich weg bin massenweise Alkohol in sich geschüttet hat beunruhigt mich.
"Willst du eine ehrliche Antwort?" Fragt er.
"Ja." Sage ich sofort sodass er mir endlich die Wahrheit sagt.
"Der Alkohol hat den ganzen Schmerz den ich verspürt habe in den Hintergrund rücken lassen."
"Michael hätte ich gewusst dass du dich deswegen jeden Abend betrinkst dann-"
"Dann wärst du zurück gekommen? Wohl eher nicht."
"Du hast Recht, es tut mir leid." Sage ich und lasse beschämt den Kopf hängen.
"Ist schon gut." Er streckt seine Hand nach mir aus und hält dann aber inne.
"Darf ich dich anfassen?" Fragt er leise und nun sehe ich ihn mit großen Augen an.
"Michael du brauchst doch nicht-" Will ich anfangen zu sagen doch er unterbricht mich erneut.
"Ich seh was das mit Jacob dir angetan hat und ich will erst deine Einverständnis haben bevor ich dich berühre. Dass du jedes mal zusammen zuckst wenn ich auch nur deinen Arm streife macht mich fertig."
Tränen steigen in meine Augen doch ich versuche sie so gut es geht zu unterdrücken. Ich will jetzt nicht weinen und ich bin sprachlos wegen dem was er gesagt hat. Also nehme ich einfach seine Hand in meine und lege sie an meine Wange. Seine Wärme die ich die letzten Tage so vermisst habe strömt sofort durch meinen ganzen Körper und ich schließe erschöpft die Augen.
Ich kann hören wie er erleichtert aus atmet und langsam mit seinem Daumen über meine Wange fährt. Eine Träne nach der anderen verlässt meine Augen und ich habe keine Chance mehr sie aufzuhalten. Er zieht mich an sich, greift nach der Decke die noch neben mir liegt und zieht sie über uns beide.
"Schh ist schon gut." Flüstert er und ich presse mich fester an seine Brust, wo ich hemmungslos beginne zu weinen und sein Shirt sich mit meinen Tränen voll saugt.

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