Kapitel 36

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Am nächsten Morgen war ich so ausgeschlafen, wie lange nicht mehr! Vielleicht war der Traum ja doch gar nicht so ne schlechte Sache. Jedenfalls war das Frühstück ziemlich entspannt, weil Evin und Jakob diesmal den Abwasch machen mussten. Ich öffnete gerade die Tür vom Gemeinschaftsraum, als Frau Dorn schon zu reden begann. Heute sollte draußen irgendein Programm stattfinden... natürlich wieder mit unseren "Partnern". Da Marie und ich uns strikt weigerten zu tauschen, weil WIR uns sonst gegenseitig vorstellen mussten, mussten wir also in einer 4er Gruppe gehen. Im Wald würden wir ja kaum etwas "anstellen". Gosh, wie ich diese Vorwürfe hasste... "Wir werden heute eine Art Parkour durch die Natur machen. Jedes Paar bekommt einen anderen Weg, den man nur zusammen schaffen kann. Ihr solltet euch also nicht trennen. Ich teile euch jetzt Karten aus, die euch helfen, sich nicht zu verlaufen."

'Wäre schon praktisch ne.'

"Wichtig ist nur, dass ihr es auch macht, denn ab 15 Uhr wird die Herberge abgeschlossen und ihr werdet bis Mitternacht nicht mehr reinkommen. Jeder Weg führt nämlich zum gleichen Ort, wo wir uns wiedertreffen werden. Ihr könnt losgehen, wann ihr wollt, ihr solltet nur spätestens um 19:30 Uhr da sein, denn dann fängt das Abend Programm an. Irgendwelche Fragen? Nein? Gut, dann seid ihr für heute "frei"."

Wenigstens hatten wir dann etwas zu tun und mussten nicht schweigend spazieren gehen. Und ein Parkour konnte doch auch ganz witzig sein, stimmt's? Abgesehen davon, dass ich mit den 3 Vollidioten losziehen musste... die übrigens gerade auf mich zu liefen. Gosh, vielleicht wird das doch nicht so geil. Schon wenn ich ihre Gesichter sah, sank meine Laune zum Erdkern und wurde verbrannt. "Ich schlage vor, wir gehen jetzt los. Je früher ich das überstanden habe, desto besser." War klar, dass Marie wieder den Ton angeben wollte. "Jetzt? Wollen wir nicht erstmal auf den Mittag warten?" Entgegnete ich. Ich ließ mich doch nicht von ihr herum kommandieren. Aber anscheinend fand nur ich die Idee gut, später loszugehen. "Also ich wäre auch für jetzt."

"Ich auch." Schlossen sich die Jungs der Schwarzhaarigen an. Na toll, Drei gegen Einen. Das hieß wohl, Sportschuhe anziehen und Rucksack packen. Schwer atmend drehte ich mich um und setzte mein Zimmer als Ziel. "Na gut, aber macht hinne."

'Wenn sie schon jetzt los wollen...'

Ich packte zwei Wasserflaschen, Brötchen, ein T-shirt (nur für den Notfall) und einen Regenschirm ein. Man weiß ja nie ne, wir waren ja nicht ständig im Schutz der Bäume... falls es regnen sollte. Obwohl sich gerade keine einzige Wolke am Himmel befand. Ganz im Gegenteil, die pralle Mittagssonne schien in voller Pracht. Daher war es schon gut, dass wir durch den Wald mussten. Die Luft war unter den Bäumen viel frischer und kühler. Kennt ihr das? Wenn ihr das Grün der Pflanzen förmlich riechen könnt? Diese Wanderung könnte so schön sein... wenn Maries nervige Stimme nicht die Vögel übertönen würde. "Ich verstehe nicht, was diese Schlampe von Lehrerin damit erreichen möchte. Niemand will hier jemanden näher kennenlernen und niemand hat Bock ein Parkour abzulegen." Wie eine Fliege die nicht aufhören möchte, dir ins Gesicht zu fliegen... "Können wir nicht einfach wieder zurück? Sie schließt sowieso nicht ab, meine Füße tun weh." Meine Fresse, sie soll ihre Kl- "Marie halt mal deine Fresse, keiner von uns kann dich noch eine weitere Sekunde aushalten!" Aaalles klar. Ich dachte Evin und "Ms Nörgel" würden sich verstehen? Hehe, gut gemacht Möchtegern Badboy, er hatte es sogar geschafft, dass die Schwarzhaarige ihr Gesicht verärgert verzog. Sonst schaute sie immer so, als würde sie nichts verstehen, was man ihr sagte. "Ich kann so viel reden, wie ich möchte, da hast du mir gar nichts zu sagen." Versuchte sie sich zu verteidigen, wobei ich nur ein verächtliches Schnauben von mir geben konnte. Naja, nicht nur. "Ja schon, aber irgendwann fragt man sich, ob dein Arsch nicht eifersüchtig wird... bei der ganzen Scheiße, die aus deinem Mund kommt." Von hinten hörte ich zwei unterdrückte Lacher. Eigentlich begab ich mich ja nur ungern auf so ein Niveau, aber irgendwann reichte es dann auch. Bei Marie war es mir egal, ob sie ausgelacht wurde. Zumal sie für die nächste Zeit nun ruhig blieb.

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Bäume, Bäume, Bäume... und ein paar Blumen. Es gab nicht mal mehr einen Trampelpfad und wir liefen jetzt bestimmt schon eine Stunde. Die drei hatten mir die Karte in die Hand gedrückt und mir die Führung überlassen. Ich glaubte wirklich, sie wollten hier sterben, vielleicht hielt ich sogar dieses Stück Papier falsch herum. "Kannst du überhaupt Karten lesen?" Hörte ich eine Stimme neben mir und schaute automatisch zur Seite, nach oben. Die Schweißperlen liefen Evin die Schläfe hinunter. Verständlich, die Sonnenstrahlen wurde immer stärker und erstickender. Es war diese typische deutsche Hitze, bei der man sich nur noch mit Wasser übergießen möchte. Selbst die Luft, die ich mir mit der Karte zufächerte, war warm. "Ihr habt mir wohl nicht zugehört... ich sagte, dass ich kein Orientierungssinn habe."

"Oh mein Gooott..." Jammerte er und zog sich sein Kragen ins Gesicht. Er wischte es sich über die Stirn und entschied sich schließlich sein Top ganz auszuziehen.

'Er will es hier unbedingt noch heißer machen, hm? Nicht, dass ich etwas dagegen hätte...'

Er schmiss es sich über seine Schulter und strich seine Haare zurecht. Ich wunderte mich selber, dass ich meine Augen nach oben gerichtet halten konnte. Mädchen sind halt doch nicht so anders als Jungs hehe. Er atmete tief ein und nahm mir die Karte weg. "Die bekommst du nicht mehr wieder! Ich wusste, dass ich von Anfang an die Führung hätte übernehmen sollen." Pff was sollte das denn? Er war doch derjenige der nichts dazu sagte, als Marie meinte, dass sie Karten nicht lesen könne. Naja... wie auch immer. Wenigstens musste ich nicht mehr so tun als wüsste ich, was ich tue. Eine Zeit lang gingen wir schweigend neben einander. Der Schatten der Bäume war zwar noch immer besser als in der verbrennenden Sonne, aber wirklich viel brachte er auch nicht mehr. Die ganze Wärme staute sich zwischen den Bäumen an und die hohe Luftfeuchtigkeit machte es auch nicht besser. Weiter zu reden, wäre also nur verschwendete Kraft gewesen. Irgendwann hatten aber Jakob und Marie wohl die Nase voll. Dabei war diese Stille so entspannend. "Ihr habt doch Beide keine Ahnung, wir haben uns verlaufen!" Fing die Fliege wieder an zu nerven. Der Große neben ihr schloss sich ihr an. "Ich schlage vor, wir gehen wieder etwas zurück und gehen einen anderen Weg. Wir sind doch völlig vom Weg abgekommen."

'No shit Sherlock.'

"Nein, das wäre nicht schlau. So könnten wir uns nur noch mehr verirren. Ich habe es fast, wir sind zwar noch nicht mal bei der Hälfte aber wir sind auf dem richtigen Weg." Sagte Evin ohne von der Karte hochzuschauen. Doch Jakob ließ nicht nach. "Komm schon man, du hast auch keine Ahnung. Marie, du hast doch auch noch eine Karte oder?" Moment, sie hatte auch noch eine Karte? Ich dachte wir mussten uns zu viert eine teilen?! Meine Fresse, dann war es ja nicht mal meine Schuld, dass wir uns verlaufen hatten. "Ja, hier." Sie drückte ihm den Wegweiser in die Hand und er schlug ihn auf. Wir blieben eine Zeit lang stehen und die Jungs überlegten beide, wie wir gehen sollten. "Ich bin noch immer dafür, dass wir zurück gehen. Es ist doch völlig klar, dass das der falsche Weg ist!" Also... nur weil sich mein Weg für mich falsch anfühlte, musste er nicht unbedingt falsch sein ja? Zwar glaubte ich selbst nicht, dass dieser richtig war, aber der Player anscheinend schon! War ich gut oder gut? "Nein, wie gesagt, wenn wir jetzt weiter gehen, würden wir nicht so lange brauchen. Zurück zu gehen wäre dumm, denn dann würden wir die Strecke doppelt laufen." Hörte sich plausibel an. Für mich. Nicht für die Vollidioten vor uns. "Dann gehen wir halt getrennte Wege." Warf Marie ein. Natürlich wollte sie mit Jakob alleine sein. "Und was ist mit der Ansage von Frau Dorn?" Schmiss ich zurück. "Denkst du, mich interessiert, was diese Fotze zu sagen hat? Komm Jakob, wir gehen deinen Weg." Und da ging dieses störende Summen. Eigentlich ganz schön so... doch jetzt waren nur noch Evin und ich da.  "Also..." Irgendjemand musste ja den ersten Schritt machen. "Wollen wir weiter gehen?"

"Ja." Antworte er nur knapp und sah wieder auf seine Karte. "Am besten gehen wir erstmal weiter gerade aus." Ich nickte nur stumm und wir liefen nebeneinander weiter. Mal ging es nach unten, mal nach oben. In einer anderen Situation wäre das sicher ein gutes Workout gewesen, aber es war inzwischen später Nachmittag. Und so wie es aussah, waren wir dem Ziel noch nicht mal nahe. Sollte ich es ihm sagen, was ich dachte? Er würde sicher nicht auf mich hören. Ach egal, sollte er doch. "Eviiin... ich glaube Jakob hatte recht. Wir sollten zurück."
"Der Junge labert und bei dir wissen wir beide, dass du kein Orientierungssinn hast." Hallo?! Also, sowas konnte er doch nich- nagut er hatte zwar recht, aber trotzdem! "Das sagt der Richtige! Du hast genauso wenig Orientierung, wie ich." Ich hörte nur ein abschätzendes Geräusch von der Seite. "Wir gehen erst eine Stunde, seit wir nur noch zu Zweit sind. Das wird noch etwas dauern, wir haben auch noch kein Parkour gesehen." Na toll... das wird noch richtig spaß machen.

It's complicated | #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt