Kapitel 47

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1 Woche später...

"Du bist so still, hast du etwa Angst?" Fragte der Vollidiot von Freund grinsend. Sascha hatte gut reden... er ist schon gefühlte tausend Mal geflogen, so oft wie er herumreiste. Mein Blick war stur nach draußen gerichtet. Ich musste jeden Augenblick voll auskosten, indem wir noch nicht über den Wolken schwebten. "Ich bin mir sicher, dass ich heute sterben werde."

"Ach komm, Fliegen ist heftig." Entgegnete er. Der Braunhaarige saß links von mir, während Basti rechts am Fenster war. Ich hatte den Sitz also zwischen diesen beiden Kindern.
Wirklich beruhigend war das nicht. Mein Bruder entschloss sich an unserem Gespräch teilzunehmen und unterstützte Sascha. "Er hat recht, du brauchst wirklich keine Angst zu haben." Aaw, Basti konnte ja doch ganz süß sein, so wie er mich anlächelte. Er griff nach meiner Hand, umschloss und streichelte sie. Wir schauten uns an und ich sah wie sein Lächeln langsam verschwand und er einen angewiderten Gesichtsausdruck hatte. Langsam löste er unsere verschränkten Finger. "Deine Hand ist übertrieben schwitzig..." Tja, er war eben doch einfach nur scheiße. Sorry, wenn ich Angst hatte!! "Uääh." Gab er noch von sich und wischte seine Hand an meiner Hose ab. "Du bist so ein Arschloch!" Abwehrend hob er seine Griffel und schaute wieder aus dem Fenster, als sei nichts gewesen. Meinetwegen konnte er auch Zuhause bleiben. Plötzlich ertönte die Durchsage vom Piloten. Fuck fuck fuck, es ging los. Ich hörte gar nicht mehr hin was er sagte, die wichtigsten Sachen wurden ja schon erklärt. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. Ein Arm hakte sich von links zwischen Meinen ein und ich schaute zu Sascha rüber. "Ich finde zwar schwitzige Hände genauso ekelhaft, aber ein Arm tut es auch oder?" Sagte er grinsend und streckte die Zunge raus. Toll, wie gesagt, er war echt genauso wie Basti... "Du bist auch doof." Meinte ich zwar, aber klammerte mich trotzdem an seinem Arm. Die Triebwerke wurden angeschaltet und das Flugzeug rollte los. Mein Herzschlag erhöhte die Geschwindigkeit genau so schnell, wie der fliegende Sarg und ich wurde ein bisschen in den Sitz gedrückt. Als es abhob wurde mir etwas flau im Magen und ich bezweifelte wirklich, dass wir sicher landeten. Aber nach einer Weile... ging es eigentlich.

'So schlimm ist das ja gar nicht'

Ich sah fasziniert aus dem Fenster und wir entfernten uns immer mehr vom Boden. Der Flughafen und die Häuser wurden immer kleiner, bis sie nur noch als Punkte erkennbar waren und wir uns schließlich über der Wolkendecke befanden. Ich konnte mich gar nicht dran erinnern, wie ich mich von Saschas Arm gelöst hatte. Es war gruselig, ja... aber dieses klitzekleine Kitzeln in meinen Fingern, ließ diese Höhe irgendwie schön wirken. Der Braunhaarige hatte Recht. Fliegen war toll.

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Sagte ich fliegen war toll? HAHAHA MAN WAR ICH WITZIG! Ja es könnte
schön sein, wären da nicht so manche Turbulenzen. Ich wusste ja nicht, dass sie sich so schrecklich anfühlten! Gott sei dank, dauerte der Flug danach nicht mehr lange... ich konnte nämlich nicht garantieren, mich nicht zu übergeben. Da wäre ein Mülleimer à la Noels gut gewesen... aber erstens war er ja leider nicht da und zweitens hatte ich kaum was gegessen, also konnte ich alles bei mir behalten. Trotzdem küsste ich wortwörtlich den Boden als wir dann endlich aus dem Flugzeug raus waren. "Aah, una belezza!" Ein braungebrannter, älterer Mann kam mir draußen mit offenen Armen entgegen und gab mir 3 Küsse auf meine Wange.

'Äähm, okay...'

Ich war viel zu perplex um zu reagieren, aber als er mich losließ grinste er Sascha breit an. Dann war er... sein Opa... hoffentlich? "Questa è la tua fidanzata?" Sagte er mit einem fragenden Ton, was ich natürlich alles verstand. Sascha lachte nur und legte seine Hand auf die Schulter des kleinen Mannes. "No, nonno! Questo e la sorella de Basti." Geeenau... warum gab es an meiner Schule eigentlich keinen italiensch Unterricht, sondern nur Spanisch?? Das brachte mir gerade gar nichts. Nonno schaute mich nur mit einem mitleidigen Gesicht an. "Che peccato!" Sagte er und begrüßte den Rest meiner Familie. Unauffällig stellte ich mich neben Sascha und flüsterte ihm zu. "Was hat er gesagt?" Er war genau so groß, wie Noel, bemerkte ich in dem Moment... also war Evin auch kleiner als er. Man, hatte ich lange nicht mehr an ihn gedacht... was dieser Player wohl gerade machte? Wahrscheinlich sowieso wieder Mädchen aufreißen. "Er dachte du wärst meine Freundin." Sagte der Grünäugige ohne mich anzuschauen. Pff, ich und seine Freundin?? Hah, das dachte der Opa doch selbst nicht! Abschätzend lachte ich auf. "Das wäre ja schon fast Inzest."

"Ja... ich könnt's mir auch nicht vorstellen." Meinte er und wir folgten meiner Familie. "Achja." Sasa grinste mich schmelisch an. Es konnte nur irgendwas dummes von ihm kommen. "Und er meinte du seist eine Schönheit... ich glaube er wird so langsam blind." Was sagte ich? Aus seinem Mund kam machmal nur Scheiße. Ich warf meine Haare zurück und versuchte ihn zu überholen, was mit meinen kleinen Beinen ohne zu rennen gar nicht so leicht war. "Tja, da hast du wohl Recht, er wurde eben von meiner Anmut geblendet." Ich hörte nur sein abschätziges Schnauben, zum Glück konnte ich ihn noch überholen. Nach einer weiteren Stunde im Auto war unser neues Zuhause für eine Woche endlich in Sicht. Der Bungalow von den Großeltern war einfach traumhaft! Wie konnte Sasa's Mum nur nach Deutschland ziehen und das hier alles zurücklassen?? Wer möchte schon in ein kaltes, nasses Land? Ich hätte es jedenfalls nicht gemacht! Wir waren zwar ziemlich abgeschnitten, aber dafür gab es keine Touristen und wir waren in einem kleinen Dorf. Alles schien ziemlich familiär. Als wir da waren, kam uns schon eine alte Dame entgegen und begrüßte uns genauso wie Nonno. Wahrscheinlich Saschas Großmutter. Sie bestand darauf, dass wir erstmal essen sollten und führte uns zu Tisch. Drinnen roch es schon würzig und es war genauso eingerichtet, wie ich es mir vorgestellt hatte... italienisch halt. Die Wände hatten eine Holzverkleidung und der Boden war mit Fliesen ausgelegt. Der Tisch war schon gedeckt und hatte Verschnörkelungen. Alles war kuschelig warm und gemütlich. Trotzdem... fehlte irgendwas, ich wusste aber beim besten Sinne nicht was. Als Sascha sich neben mich setzte, plusterte er sich stolz auf. "Riecht ihr das? Das sind die weltbesten Gnocchis, die ihr je essen werdet. Handgemacht von meiner Oma!"

"Willst du mir damit sagen, dass dir mein Essen nicht schmeckt??" Fragte meine Mutter empört. Natürlich mit einem nicht verkniffenen Grinsen, welches mein Nachbar erwiderte. "Was soll ich sagen, Zuhause gibt es eben noch immer das beste Essen."

"Jaja, du brauchst in meinem Restaurant nicht mehr auftauchen!" Und schon kam die Oma mit dem Friedensangebot. "Aah avete fame, vero?" Sie stellte vor uns einen Topf mit etwas kloßartigem und einen mit einer Sahnesoße und Schinken. "Sì, grazie Nonna!" Sagte Sasa und wir stimmten mit einem weiteren "Grazie." ein. Was auch immer sie gesagt hatte, das Essen schmeckte hammer! Die Gnocchis zergingen quasi im Mund und gaben der italienischen Umgebung den letzten Schliff. Selbst Mama konnte nicht glauben, wie lecker es war. Doch anscheinend war sie nicht genug abgelenkt, um nicht an Deutschland zu denken... "Schatz, ich frage mich eigentlich schon die ganze Zeit, wann du nach dem Treffen nach Hause gekommen bist? Wir hatten noch gar keine Zeit darüber zu reden." War das ihr Ernst? Ausgerechnet jetzt? Basti wusste nichts davon und das sollte er auch nicht! Genauso wie Sascha. Er kannte zwar die ganze Geschichte, aber trotzdem wollte ich das alleine bewältigen. Und wo wir nun friedlich miteinander WEIT WEG von ihm waren, musste sie das ansprechen. "Welches Treffen?" Sprang mein Bruder natürlich sofort ein. Stille. Mama und ich schauten uns an und kommunizierten mit unseren Augen. Nach fünfzig Brauen und Gesichtsverrenkungen fragte er noch mal. "Halloo? Was ist los, mit wem hast du dich denn getroffen?" Scheiße... wie sollte ich da wieder rauskommen? Es ihm ehrlich zu sagen, war wohl das Beste... ich senkte meinen Blick und schaute auf den halbleeren Teller. "Letzte Woche war ich mit Papa im Restaurant." Erneut hörte ich nur leise die Wellen aus der Ferne. Ich traute mich nicht hochzuschauen. In mir bildete sich plötzlich Schamgefühl, Schuld, als hätte ich es extra gemacht um ihn zu verletzen. "Du willst mich doch verarschen." Sagte er fast schon zu sanft und ruhig. Ich spürte seinen Blick auf mir liegen, wie es mich voller Enttäuschung durchbohrte. Er wusste doch gar nicht warum ich das getan habe! "Ich habe mich nicht mit ihm getroffen, weil ich es wollte! Er kommt noch immer zu uns nach Hause... ich musste das endgültig beenden." Meine Stimme wurde immer leiser und Basti reagierte kaum. Meine Mutter versuchte ihn zu besänftigen. "Sebastian sie..."

"'Tschuldige aber-" Ruckartig stand mein Bruder auf. "Ich habe keinen Appetit mehr." Ich schaute zu ihn hoch und sah seinen verletzten Gesichtsausdruck. Das Knallen der Tür, die er verursachte als er nach draußen stürmte, verpasste mir einen weiteren Stich im Herzen. Schon wieder herrschte Stille.

Wir konnten wohl nie die Vergangenheit hinter uns lassen...

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Hey Leutee,
tut mir unglaublich leid, dass ich nicht mehr oft aktualisiere :( Zur Zeit ist es einfach zu stressig aber ich versuche trotzdem weiterzuschreiben!

Smile~

It's complicated | #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt