Kapitel 31: Küchenmesser

10 0 0
                                    


Ohne nachzudenken gab ich unserer Haustür einen Schubs: Sie schwang sofort auf, sie war schon geöffnet worden. Die Wut stieg in mir hoch und ich fühlte mich kurz davor zu explodieren.

„MILES MCABOTT!", schrie ich, dass das Haus gefühlt anfing zu wackeln und auch Milene, die direkt hinter mir war, erstmal auf Abstand ging. „ICH WERDE DIR PERSÖNLICH ALLE KNOCHEN BRECHEN UND FALSCH WIEDER EINSETZEN, DU FEIGE, TAUBE NUSS!!!"

Durch mein Geschrei wurde Kelly, die noch im Wohnzimmer auf der Couch lag wach und setzte sich schnell auf. Ein Küchenmesser fiel von ihrer Brust und landete klappernd auf dem Boden. Kelly sah es erschrocken an, dann mich und Milene.

Ich seufzte erleichtert auf. Ich wusste, er würde ihr nichts tun, aber den anderen vertraute ich nicht so ganz. Ich krallte mir das Messer und ging damit zum Küchentresen, wo ich beinahe über den schlummernden Damon gefallen wäre. Würde er nicht mehr aufwachen, konnten diese kranken Schweine etwas erleben.

Ich steckte das Messer aggressiv zurück in den Kasten und knurrte undeutliche Drohungen an jeden der vier.

„Also das ist dann doch um einiges interessanter als Josie...", meldete sich Milene, die immer noch perplex in der Mitte des Raumes stand und abwechselnd zu Kelly und mir sah. „Ich dachte, du und Miles..."

Ich schüttelte heftig den Kopf. „Das war einmal. Jetzt kann er sich auf was gefasst machen", fauchte ich.

„Sollten wir nicht das Haus absuchen?" Sie wirkte tatsächlich besorgt. Ihr stand die Angst ins Gesicht geschrieben.

„Das würden die sich nicht trauen", antwortete ich und versuchte, sicher zu klingen, obwohl ich in dem Moment genau dasselbe dachte. Was, wenn sie sich in irgendeinem Schrank versteckten und nur darauf warteten, bis ich mal alleine war? Auf meiner Haut bildete sich eine Gänsehaut und ich versuchte, diese mit Schüttelbewegungen loszuwerden. Klappte nicht, dafür erntete ich verwirrte Blicke der beiden anderen.

„Was ist denn überhaupt los?" Kelly rieb sich verschlafen die Augen. Ihr schien noch nicht klar zu sein, dass das kein Traum war. Sie ließ sich zurück aufs Sofa sinken und starrte den dunklen Bildschirm des Fernsehers an.

„Ach, nicht so wichtig", nuschelte ich und sah dann Milene an. „Vielleicht sollten wir wirklich mal nachsehen."

Und wieder gab ich meiner Angst nach. Gut gemacht.

Miles würde bezahlen. Dieses Mal hatte ich tatsächlich nichts mehr zu verlieren.



Er öffnete die Tür mit einem Blick, der mir verriet, dass ihm klar war, dass ich auftauchen würde. Seine Augen spiegelten puren Hass wieder, der mich zuerst traf. Aber dann wurde ich mir Bewusst, dass ich genauso empfand.

Ich lächelte ihn liebevoll an. „Ich will das Trikot."
Er zog die Augenbrauen hoch. Dann drehte er sich um und ging ins Haus. Er schien zu erwarten, dass ich ihm folgte, also tat ich das, auch wenn es sich seltsam anfühlte, die Räumlichkeiten hier zu betreten.

Ich lächelte seiner Großmutter, die mit Strickzeug auf der Couch saß, freundlich zu und sie zwinkerte zurück. Dann verschwanden wir die Treppe hoch und direkt in sein Zimmer.

Nachdem ich das Zimmer betreten hatte, schloss er die Tür. Ich blieb mitten im Zimmer mit verschränkten Armen stehen und blickte ihn bitterböse an.

Er machte sich nichts daraus, sondern ging auf sein Bett zu, schnappte das Trikot und warf es mir zu. „War's das?"

Ich schmunzelte. „Wenn du damit uns meinst, dann ja." Er biss sich auf die Lippe. „Aber was die Sache mit Kelly angeht..." Ich konnte es nicht mehr zurückhalten, stürmte mit Tränen in den Augen auf ihn zu und begann, ihm mit beiden Fäusten auf die Brust zu hämmern. Die ersten Schläge machten ihm nichts aus, er stand bewegungslos da und ertrug es mit Stolz.

Dann gab er nach. Und schnappte meine Handgelenke. Mit einer galanten Drehung drehte er uns beiden und schubse mich rückwärts auf sein Bett.

Als ich auf der weichen Matratze landete und er sich über mich beugte, wäre ich fast schwach geworden. Aber ich fing mich wieder, riss eine meiner Hände los und zog sie ihm mit einem Knall über die Wange.

Er zuckte, bewegte sich aber nicht von mir herunter. Tränen kullerten in einer Straße meine Wange hinunter. „Wie konntest du?? Wir haben sie gerettet, sie ist doch sowas wie unser..." Fast hätte ich Kind gesagt. Stattdessen presste ich meine Lippen aneinander und ging seinem undurchdringlichen Blick aus dem Weg.

Seine Hand legte sich auf meine Wange und drückte mein Gesicht wieder in die Position, sodass ich ihn ansehen musste. „Das fragst gerade du. Was hast du denn getan?"

Ich kniff die Augen zusammen. Ich wollte ihn nicht sehen. „Ich hasse dich, Miles."

„Beruht auf Gegenseitigkeit." Ein Schluchzen entfuhr meinem Mund. „Du hast dich in große Gefahr gebracht. Du bist so dumm."

Sein Kopf sank neben meinen. Er sagte nichts mehr. Ich auch nicht, sondern schluchzte nur noch. Er konnte es spüren, wie mein Brustkorb dann aufzuckte. Seine Hand fuhr sanft auf meine.

Eine Weile lang lagen wir so da, unbewegt, ruhig. Irgendwann drückte ich ihn nach oben. „Du bist so dumm", sagte er wieder.

Verletzt sah ich ihn an. „Aus uns hätte so viel werden können."

„Aber du bist dumm", wiederholte aus und ich biss mir verärgert auf die Lippe.

„Und du? Du sagst was über Daniel und hängst dann selbst an Chloes Lippen." Meine Tränen wollten gar nicht mehr aufhören.

„Ich will dich beschützen."

„Klar, das kann man leicht sagen. Aber das reicht nicht aus, wenn man jemanden lie..." Ich presste die Lippen aufeinander. „Es reicht eben nicht."

„Ich will dich beschützen, immer. Ich will bei dir sein. Ich will dich küssen. Ich..." Weiter kam er nicht. Ich richtete mich auf und legte meine Lippen fordernd auf seine. Er drückte mich wieder herunter, während er den Kuss energisch erwiderte.

Dann schreckte er hoch. „Nein. Hör auf."

Ich richtete mich auf und strich mir durch die verwuschelten Haare. „Schon verstanden."

Er schüttelte den Kopf. „Nein, du verstehst es eben nicht."

Böse blitzte ich ihn an. „Dann eben nicht." Ich gab ihm einen Schubs, schnappte mir dann das Trikot und rannte aus dem Raum.

Er kam mir nicht nach.

Ich zählte genau bis 10, während ich neben seiner Zimmertür stand und wartete, bis er rauskäme. Er tat es nicht und so schloss ich meine Augen, zählte erneut bis 10 und drehte mich wieder hinein.

Er saß unbewegt aus dem Bett und blaffte die Wand an.

Ich tippte ihn an die Schulter und er zuckte erschrocken zurück. „Ich dachte, du bist..."

Mein Finger, der sich zärtlich auf seine Lippen legte, brachte ihn zum Schweigen. Vorsichtig näherte ich mich mit meinem Gesicht seinem und legte meine Lippen schließlich zärtlich auf seine.

Als ich mich langsam wieder von mir löste, erkannte ich triumphierend, wie er seine Augen wieder öffnete und mich mit verwirrtem Blick ansah.

„Ich liebe dich, Miles." Ich achtete darauf, dass er auch jede einzelne Lippenbewegung von mir gut lesen konnte. Dann grinste ich, als er rot wurde. „Und du solltest vielleicht auf Stream.net gehen, da läuft was, was dich interessieren könnte."

Er sagte nichts, riss nur die Augen auf und stürzte zu seinem Laptop, während ich mich schmunzelnd umdrehte und langsam das Haus verließ, das ich nun wohl nie wieder betreten würde.

Draußen war es frisch, aber nicht kalt. Irgendwie tat die Luft mir gut, befreite meinen Kopf von Miles.

Ich ging auf den Mercedes zu und stieg so schnell ein, wie ich konnte.

„Hier, dein Trikot." Ich streckte es Chad hin, der es breit grinsend entgegennahm.

„Wurd auch mal Zeit", meinte er. „Und jetzt ab zum Spielplatz?"

Ich nickte nur. Der Motor startete und wir fuhren los.

Weg von Miles.


GoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt