Kapitel 44: Wühlmaus

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Mein Herz raste, als ich den ersten Fuß auf das Fensterbrett setzte, mich abdrückte und den Zweiten mitzog. Ich verlor das Gleichgewicht und wäre fast vornüber ins Klo gekippt, hätte Miles nicht gerade noch so meine Kapuze geschnappt und zurückgezogen.

Ich atmete auf. Das war das erste Mal, das ich etwas richtig Verbotenes tat. Also wenn man davon absah, dass ich mich als Journalistin getarnt, 3 Menschen ihre Träume zerstört und einen auf ewig taub gemacht hatte.

Aber diese Sachen waren sicher gewesen. Ich würde mich nicht mehr so leicht rausreden können, wenn man mich erstmal in einem fremden Haus erwischte.

Mit einem sicheren Sprung hüpfte ich am Klo vorbei und landete auf dem rosa Flauschteppich. Miles kam mir einige Sekunden später hinterher und lächelte mich aufmunternd an.

„Hey, ab jetzt ist alles leicht", versuchte er mich aufzumuntern, aber viel half das nicht. Ich hatte verdammt viel Angst. Allein schon vor Duke. Dazu lag noch der bekannte Geruch von Josie mit einer Spur von Wodka in der Luft und ich fühlte mich gleich unwohl. Aber ich tat das für einen guten Zweck, erinnerte ich mich immer wieder selbst. Für ein besseres Leben von Diane Baxter.

Ich drückte die Türklinke herunter und wir betraten den Flur, der so hell erleuchtet war, dass wir beide erstmal eine Runde blinzeln mussten, um überhaupt was zu sehen. In seiner Rage hatte Duke anscheinend nicht einmal die Lichter ausgeschaltet.

Ich zog an der Haustür und seufzte. „Die war nicht einmal abgeschlossen." Miles lachte nur, griff sich einen Schlüssel von der Wand und schob ihn in die Tür. Dann drehte er ihn dreimal herum.

„Nur zur Sicherheit", zwinkerte er mir zu und deutete dann auf die Tür, die sich links von uns befand. „Arbeitszimmer?" Ich nickte und wir gingen darauf zu und öffneten ebenfalls die Tür.



Alles war ordentlich. Kein Blatt lag auf dem Tisch. Nichts, was irgendwie darauf hinwies, dass hier jemand arbeitete. Arbeitete Duke überhaupt? Vielleicht ja als Wein-Koster. Für diesen Witz hätte ich mir am liebsten selbst eine geknallt, aber ich hielt mich zurück, damit mich Miles nicht noch für komplett verrückt hielt, wenn er dies nicht längst tat.

„Gut, wo könnte hier ein Ausweis sein?", fragte er laut in den Raum hinein und sah sich um, darauf bedacht, bloß keine Spuren zu hinterlassen.

Ich ging zielsicher auf den Schreibtisch zu und begann, eine seiner Schubladen zu durchwühlen. Es war ernüchternd. Nur Papierkram. Ich schmiss ein Stück Papier in die Luft und stöhnte leicht auf. „Das packen wir nie, bis er heimkommt."
Miles reagierte gar nicht, er saß mit dem Rücken zu mir und durchwühlte den großen Apothekerschrank mit gefühlten 1000 Schubladen.

Ich lauschte, ob die Haustür schon geöffnet wurde. Die Vorstellung, das Miles und ich ein Ganzes waren und ich seine Ohren war, war tragisch und romantisch zugleich und so nahm ich den Job sehr ernst. Es ging hier schließlich auch irgendwie um unser Leben.

Der Raum war kalt eingerichtet. Keine Bilder, keine Lebenszeichen. Hier musste sich hauptsächlich Duke aufhalten. Diane hätte sowas nicht ausgehalten. Der Rest des Hauses war voll von Bildern, die mindestens einmal, wohl bei einem von Dukes Anfällen, zersprungen waren. Aber sie waren da und sie machten das Leben deutlich ertragbarer für die Familie, wie mir schien.

Konnte man so etwas als Familie bezeichnen? Konnte man das als Leben bezeichnen?

Rechnungen über Rechnungen, Quittungen für verschiedenste Produkte, Hypotheken und mehr Dinge, die ich nicht verstehen konnte, zog ich nacheinander heraus.

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