Kapitel 47: Ritzer und Schlitzer

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Einen Moment lang schien die Zeit stillzustehen, während der Ton der schreienden Menschen in der Kirche immer noch durch das gesamte Gebäude hallte und wohl auch von den nächsten drei Straßen gehört wurde.

Es dauerte eine Weile, bis ich es schaffte, meinen Kopf wieder ins Reine zu bekommen und einigermaßen logisch zu denken: Daniel war tot. Mausetot. Er war nie und nimmer in der Lage, aus einem Sarg zu springen.

Ich öffnete meine Augen, die ich bis jetzt zusammengepresst hatte. Meine verschwommene Sicht klärte sich nach und nach und ich erkannte, wer hier wild nach Luft schnappend vor mir war.

Ich wand mich aus Milenes Händen, die sie panisch um meinen Arm gegriffen hatte und kam langsam auf ihn zu. Er wirkte erschöpft und kaputt. Er nahm die ganze Situation gar nicht richtig war.

Er schrie. Und atmete. Es war ein wilder Mix aus beidem, der mich jedes Mal zusammenzucken ließ, wenn ein lautes Geräusch seinem Mund entglitt.

„Elijah...", schnaufte ich auf. Mein Herz konnte sich immer noch nicht beruhigen und ich fühlte den Boden nicht, über den ich lief. Als würde ich schweben.

Er antwortete nicht, sondern sank zitternd auf den Boden. Tränen rannen über sein Gesicht und er vergrub den Kopf im roten Kirchenteppich. Nun hallte nur sein Schluchzen durch den Raum.

Mein Blick fiel auf den Sarg, der nun offen stand. Sein Arm hing heraus. Der Arm, in dem ich so oft gelegen und mich gefragt hatte, ob ich tatsächlich glücklich war und ob ich das wollte. Der Arm, der Miles geschlagen hatte. Und der Arm, der jeden Football fing, der ihm zugepasst wurde.

„W-w-w-w....", schluchzte das Häuchen Elend, das Elijah gerade war und bekam sich nicht ein, um ein Wort zu bilden. Er rollte sich zitternd hin und her und wiederholte immer wieder denselben Buchstaben. Niemand tat etwas, alle waren zu geschockt, um zu reagieren.

Milene war die erste, die sich zusammenraffte und sie kniete langsam und vorsichtig neben ihm nieder und legte schützend eine Hand auf seinen gekrümmten Rücken.

Er zuckte zusammen. Tränen stoppten nicht und immer wieder dieser Buchstabe. „W-w-w-w..."

„WIESO?", vervollständigte Chloe das Wort, das er wohl die ganze Zeit hatte sagen wollen und stürmte auf uns zu. Sie gab Milene einen leichten Stoß, sodass diese das Gleichgewicht verlor und unsanft auf ihren Hintern plumpste.

Ich sah sie nur perplex an. „Wieso?"

„Wieso tust du Elijah das an, Alicia?", knurrte sie. In ihren Augen hatten sich Tränen gebildet. Sie schien sich tatsächlich sicher zu sein, dass ich das war. „Er hat dir nichts getan! Er kann nicht mal was besser als du! Und trotzdem musst du ihn kaputtmachen!"

Ich stolperte überrascht zurück. Sie schob das nicht wirklich mir in die Schuhe, oder?

Ich war nicht in der Lage etwas zu sagen. Ich wusste ja nicht einmal, was hier vor sich ging. Wie hätte ich in der Lage sein können, die ganze Situation zu verstehen?

„Du spinnst! Warum sollte Alicia was damit zu tun haben?", fauchte Savannah, die sich schützend vor mich gestellt hatte, sie erbost an. Wenn man etwas nicht tun sollte, dann war es wohl, Savannah zu verärgern. Sie war knallhart. „Klar, sie hat die Kraft ihn auszuknocken und in einen Sarg zu sperren! Das macht sie als Hobby!"

„Sie verbrennt auch Menschen die Hände!" Sie hielt ihre bandagierten Hände in die Luft, damit auch die ganze Kirche es mitbekam, was hier los war. Die Leute wisperten sich geschockt Dinge zu, die ich lieber nicht verstehen wollte. „Oder schüttet ihnen Säure ins Glas!" Dillon tauchte neben ihr auf und nickte der Menge zu.

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