Kapitel 51: Alicia - Neu verföhnt

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Er bewegte sich ein kleines Stück auf uns zu, ohne sie auch nur einmal aus den Augen zu lassen. Sein ganzer Körper zitterte und erschwerte ihm jegliche Bewegungen. Er war blass geworden und blinzelte immer wieder, als könnte sie plötzlich wieder verschwinden.

Ich konnte nicht deuten, ob er nur überrascht war, sie zu sehen, und das positiv, oder tatsächlich zu Tode erschrocken.

Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich Miles und seiner Marica eines Tages begegnen würde, ob er dann auch so aussah. Ein Stich in meinem Herzen brachte mich dazu, diesen Gedanken schnell aus meinem zu gedröhnten Kopf zu vertreiben und mich auf Natascha und ihn zu konzentrieren.

Der dröhnende Bass hätte sein schlagendes Herz sein können, jedoch auch das von Natascha. Ihr Puls raste und ihr Gesicht errötete sich leicht, während sie ihm bei jeder Bewegung folgte.

Natascha torkelte einige Schritte zurück, aber ich hielt sie bei mir, fest in meinem Griff. Sie durfte jetzt nicht weglaufen, sonst würde sie es bereuen.

Er ging einige Schritte auf sie zu, wurde immer schneller und sicherer in seinem Gang und baute sich innerhalb von Sekunden vor uns auf. Sein Gesicht war unsicher, schüchtern, als wüsste er nicht, was er tun sollte.

Und verständlicherweise tat er das auch nicht.

„Natascha...", schluckte er und seine Stimme klang erstickt, als würde er mit einem Seil erdrosselt werden. Nataschas Blick zumute wollte sie das nur zu gerne tun. Ein kalter Schauer zog mir durch den Körper und ein komisches Gefühl machte sich in mir breit. Sie waren da.

Aber sie sagte nichts. Sie schwieg und blickte ihm mit ihren eisblauen Augen direkt in die Seele, sodass er noch stärker zitterte als zuvor.

Und dann bewegte sich ihre Hand blitzschnell und zog durch sein Gesicht. Ein lautes Klatschen ließ mich zusammenzucken und sein Kopf kippte leicht zur Seite.

Seine Lippe zitterte und er visierte mit undefinierbarem Gesichtsausdruck den Boden an, bevor seinen Kopf langsam wieder anhob und uns anschaute.

„Du kleine..."

Bevor er weiterreden konnte, schnappte sie meine Hand und rannte mit mir los. Es war, als wüsste sie nicht, wo sie überhaupt hinwollte, Hauptsache weg von Dillon, der uns immer noch hinterher sah, aber sich kein Stück bewegte.

Wir kämpften uns durch torkelnde Menschenmassen und immer wieder schrie jemand aufgebracht auf, aber wir hielten nicht an, sondern rannten immer weiter.

Natascha fand eine Treppe und zog mich hinterher. Es war ein Wunder, dass wir sie bewältigten, ohne hinzufallen und uns den Hals zu brechen, wenn man bedachte, in was für einem Zustand wir uns befanden.

Die erste Tür, die sie fand, riss sie auch auf und es war bei unserem Glück ein Badezimmer, das wir abschließen konnten. Gemeinsam setzten wir uns in die alte Badewanne und sie versteckte ihren Kopf hinter den Knien, aber ich konnte sie nur zu gut schluchzen hören.

Ich legte beruhigend einen Arm um sie und streichelte ihre Schulter. „Das nenn ich mal eine Konfrontation."

„Du weißt nicht, wie lange ich das schon tun wollte", lachte sie auf und sah mich an. Ihr Make-Up war durch das Wasser aus ihren Augen leicht verlaufen, aber sie sah dennoch ziemlich hübsch aus. Sie schniefte erneut und lehnte ihren Kopf an meine Schulter. „Wieso ist er so scheiße? Wieso hat er mich nie besucht, wenn er mich doch liebt? Wieso müssen Jungs so sein? Wieso musste ich krank werden? Und..." Sie spielte am Hahn herum, der alt und verrostet war und den ich nicht einmal im Traum hätte berühren wollen, und drehte ihn auf, woraufhin Wasser sich zwischen uns breitmachte und wir beide erschrocken aufsprangen. „Wieso zur Hölle funktioniert hier das Wasser, wenn das Haus doch leerstehend ist?", schnaufte sie auf und sprang mit mir aus der Wanne. Wir schlitterten leicht über den Boden, halfen einander aber dabei, unser Gleichgewicht zu halten.

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