Kapitel 12: Engel und Teufel

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Seine Stimme füllte den Raum, in den Augen von einigen bildeten sich Tränen. Er sang wundervoll, wie ein Engel. Die Stimme war ihm wohl als Geschenk mitgegeben worden, so sagten es zumindest die Religionslehrer.

Um ehrlich zu sein, ich mochte Dillon nie sonderlich.

Seit er mit Josie zusammen war, nahm er sie mir weg. Er versuchte, mich aus ihrem Leben herauszudrücken. Er hasste mich. Warum auch immer. Und nun hasste ich ihn auch.

Laut meiner Mutter kam man in diesem Land zu leicht an alles Mögliche dran und an diese Worte erinnerte ich mich, als ich gerade dabei war, die säurige, durchsichtige Putzlösung zu kaufen. Sie hatte Recht. Ein bisschen Geld und jeder konnte hier machen, was er wollte.

Probehalber kippte ich es in ein Glas Wasser. Null Reaktion. Man sah nichts und es würde auch nur ein Schluck reichen.

Der Abend vor dem großen Konzert. Ich lag in meinem Bett und starrte die Decke an. Wollte ich so etwa wirklich tun? Morgen war seine Chance zum Durchbruch. Josie wäre an seiner Seite und würde Geige spielen.

Ich wäre hinter der Bühne und würde ihm sein Getränk bringen.

Josie würde mich hassen. Er würde mich hassen. Die ganze Welt würde mich hassen.

Nein, das könnte ich nicht tun.

Als ich gerade dabei war, alles wegzuschütten, klingelte mein Handy. Josie.

Bevor ich mich mit meinem Namen melden konnte, begann sie schon zu reden wie ein Wasserfall.

„Wie konnte er nur? Ich hab ihn so geliebt! Und was macht Dillon? Er macht mit dieser kleinen Schlampe rum! Natascha! Das Glatzenmonster! Dabei ist sie nicht mal hübsch." Sie weinte. So sehr. „Und er hat davor nicht einmal Schluss gemacht. Das ist so erniedrigend. Wie kann er mir so etwas antun?"

Ein Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht aus und ich hörte auf, die Brühe wegzuschütten. „Ich hätte da eine Idee, wie wir dich rächen können."

Es war nach seinem zweiten Lied. Er wollte gerade „It's a wonderful world" anstimmen, beschloss wohl aber doch, davor noch etwas zu trinken. Er trank das ganze Glas ohne abzusetzen. Und dann begann er zu würgen. Vor allen Leuten. Und alle scharrten sich besorgt um den wild schreienden Dillon, sodass niemand bemerkte, wie Josie die Geige absetzte und das Säurewasserglas gegen ein normales tauschte und dann zu mir verschwand.

Er würde niemals mehr singen. Das war die Diagnose. Seine Stimmbänder waren völlig verätzt, er konnte sich glücklich schätzen, noch einigermaßen reden zu können.

Sein Traum vom großen Superstar war wohl geplatzt.



Ich drückte Savannah eine Hand auf den Mund, obwohl ich selbst am Liebsten geschrien hätte. So laut ich konnte.

Aus Wut, Verzweiflung, Enttäuschung und Trauer. Die Lautstärke dieses Schreies wäre unerträglich gewesen.

Der alte Holzschrank in dem wir uns befanden schien jeden Moment zusammenzubrechen und wir hofften inständig, er würde nicht zusammenbrechen. Es käme ungelegen, rauszufallen, während Chad gerade noch vor der Tür stand und versuchte, die kochende Chloe zu beruhigen.

Durch den kleinen Spalt konnte ich die beiden gut beobachten, wagte es aber nicht, mich für eine bessere Sicht zu bewegen. Zu groß war die Angst, der Schrank könnte nachgeben. Savannah war in einer ungemütlich wirkenden Position ein Stück unter mir. Ihr rechtes Bein stützte sich vorsichtig an der Schrankwand ab, während ihre linke Hand auf dem Boden des Schrankes, zwischen meinem rechten Fuß und der Schrankwand, versuchte, den gesamten Körper zu halten. Ihre rechte Hand lag zitternd auf meiner Schulter und ich hatte Angst, sie könnte das Gleichgewicht verlieren und mit mir nach vorne kippen. Das wäre ungünstig.

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