Kapitel 28: Brieffreunde

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Flüstern und Gekicher hallte durch unseren Schulflur, als ich mit selbstgefälligem Lächeln auf meine Freundinnen, die einen der vielen Zettel, die an der Wand klebten, in der Hand hielten und ihn verwirrt ansahen, zuschlenderte. Sie waren so gebannt, dass sie nicht mal aufsahen, als ich mich zu ihnen stellte.

Ich musste zugeben, sie waren echt gut geworden. Ein Bild von Chloe und Miles, die sich innig küssten, war in der Mitte der DinA4-Blätter abgebildet, darüber Freakshow und darunter noch einmal: Wer sowas Abstoßendes sehen will, heute Abend Stream des Videos auf Streamer.net.

Darunter der Account, den Chad und ich extra angelegt hatten.

„Ich komme mir vor, wie dein Josie-Ersatz", hatte er noch gemault, dann aber irgendwie doch Spaß an der Sache gefunden und fleißig geholfen. Wahrscheinlich weil er inzwischen die Nase von Chloe genauso voll hatte wie ich.

Es war Zeit geworden, etwas zu tun.

Und nun hingen sie in der ganzen Schule verteil. Jeder wusste Bescheid. Jeder lachte. Jeder würde das Video sehen wollen. Und jeder, der es sehen wollte, der würde es sehen, dafür sorgten wir schon.

Entsetzt sah Savannah mich an. In ihren zittrigen Händen hielt sie das Blatt fest gedrückt. „Ich dachte zuerst, Josie wäre zurück."

„Ja, das ist ihre Handschrift." Eliza ließ das Blatt sinken. „Aber wenn nicht sie, dann eben du."

Ich nickte stolz. „Ich will es nicht ausbauen. Einigen wir uns einfach darauf, dass sie es verdient hat."

„Sie schon", stimmte Tessa mir zu und drehte dann das Blatt um. „Aber hat Miles nicht schon genug gelitten?"

Savannah sah mich nur strafend an. Ich wusste, woran sie dachte. Sie dachte, wir bräuchten ihn bei unserer Suche nach Josie unbedingt. Zumindest im Hintergrund.

„Sagen wir, ich habe meine Gründe." Ich wollte es nicht ausbauen. Auch Savannah konnte ich nicht sagen, was zwischen mir und Miles vorgefallen war. Es war demütigend.

Ein entsetzter Schrei gellte durch die Schülermenge und es war nicht schwer zu erraten, von wem der wohl kam. Noch bevor ich sie orten konnte, stürmte Chloe mit einem der Zettel wütend auf mich zu.

„Hayes!", schrie sie mit hasserfüllter Stimme. „Das gibt Rache! Glaub mir, ich werde dich mit eigenen Händen erledigen!"

Ich lächelte sie nur mit einem engelsgleichen Gesicht an. „Ich weiß nicht, wie du das meinst."

Statt noch etwas zu sagen, schrie sie nur noch einmal und rannte dann an mir vorbei zur Tür, die ins Freie führte, die sie laut zuschlagen ließ.

Nach wenigen Sekunden tauchte auch Miles aus der Schülermenge auf. Die Leute pfiffen ihm Dinge nach, aber ihnen wurde auch irgendwann bewusst, dass er sie nicht wahrnahm. Er sah mir mit seinen leeren Augen nur ausdruckslos an und kam dann auf mich zu.

Ich schluckte, als er direkt vor mir stand. Ich verspürte den Drang, ihm um den Hals zu fallen und musste diesen stark unterdrücken.

Er seufzte. Dann hielt er einen Zettel in die Luft, den ich nicht kannte. Er zerriss ihn in vier Teile und stürmte dann an mir vorbei.

Ich drehte mich noch nach ihm um, aber er war schon außer Sichtweite.

Savannah hatte sich inzwischen gebückt und die Teile aufgehoben, die sie vorsichtig zusammenfügte und las.

„Oh mein Gott", stieß sie aus und schnappte nach Luft. Dann sah sie zu mir. „Das ist ein Liebesbrief. An....dich."

Hörbar rang ich nach Luft und riss ihn ihr aus der Hand. „Was? Da musst du dich verlesen haben! Das kann gar nicht sein!"

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