Color

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Und da bin ich wieder.
Ich habe schon wieder einige Wochen ausgelassen und schäme mich langsam echt dafür.
Ich gehe heute für zwei Wochen in die Ferien, bin gerade in Zürich am Flughafen und habe dann jedenfalls schon wieder keine Zeit zu posten, und wenn ich doch etwas schreibe, werde ich das posten wenn ich wieder in der Schweiz bin, weil das Internet in den Hotels meistens ja nicht so der Renner ist.
Aber man weiss ja nie😉

Der Song zu diesem Kapitel ist "Color" von Finish Ticket.
Er gefällt mir sehr. Der Text passt nicht umbedingt zu der Handlung in diesem Kapitel, aber es beschreibt eigentlich wie eine Person (vielleicht merkt ihr welche) etwas Farbe in Lilys Leben bringt.
Hoffentlich gefällt euch dieses Kapitel!

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Ich öffne meine Augen. Zuerst habe ich keine Ahnung wo ich bin, aber dann kommt es mir wieder in den Sinn. Augenblicklich wird meine Stimmung getrübt. Das kann ja mal ein schöner Tag werden!
Langsam stehe ich auf und tapse in die Küche, um mir etwas Wasser zu holen. Im Augenwinkel fällt mir plötzlich etwas auf. Ein Zettel. Der gibt sich ja richtig Mühe.

Guten Morgen, Lily
Ich hoffe du hast gut geschlafen.
Es tut mir leid, dass ich dich gestern reingelegt habe, aber ich bereue es nicht.
Wenn du magst kannst du heute Nacht wieder bei mir schlafen, es wäre mir eine Ehre!
Wir sehen uns an der Strecke.
Jorge

Mit einem Lächeln lese ich die Nachricht durch, bevor ich mir dann Kleider aus meinem Koffer heraussuche.
Während ich mich anziehe denke ich über Jorges Angebot nach.
Vielleicht sollte ich es annehmen, aber nur wenn ich dieses Mal auf dem Sofa schlafen kann. Er braucht mich nicht wie eine Prinzessin zu behandeln, ich verdiene soviel Aufmerksamkeit doch überhaupt nicht.
Ich betrachte mich im Spiegel. Meine Haare fallen mir in leichten Wellen über die Schultern. Und ich sehe traurig aus. Wieso wohl. Aber ich möchte jetzt nicht daran denken, also mache ich mich auf den Weg zum Circuit.

Ich sitze in der Boxengasse unter einem Repsol Unterstand auf einem Stuhl und frage die Teammitglieder aus. Eigentlich sollte ich Poster verteilen, aber Dani hat gesagt es ist schon in Ordnung, wenn ich es einfach später noch erledige.
Ich drehe mich von den Monitoren die alle Informationen vom Motorrad wiedergeben weg und lasse meinen Blick lächelnd über alle Boxen schweifen.
Es ist so toll hier!
Von Weitem sehe ich, dass eine Repsol Honda in die Boxengasse einbiegt. Als sie näher kommt, erkenne ich die Zahl 93 darauf. Marc.
Bevor er sein Motorrad in die Box fährt, dreht er mir den Kopf zu und hebt eine Hand zum Gruss. Grinsend winke ich zurück. Unglaublich wie sehr ich all diese Menschen schon in mein Herz geschlossen habe!
Ich bin allgemein eine Person, die jemanden sehr schnell sehr mag, und das ist nicht immer gut für mich. Aber ich schätze es so sehr, wenn jemand einfach etwas Zeit für mich opfert und mir zuhört.

Die Qualifyings sind zu Ende. Vale hat sich die Pole geschnappt, hinter ihm befinden sich Jorge, Dani und Marc. Wie üblich. Und Sam, der hat Startplatz 5 für morgen. Ich wollte schon zu seiner Box gehen aber da ist mir eingefallen, dass wir ja nicht miteinander reden.
Die Sonne ist mittlerweile untergegangen in Misano. Es ist nicht mehr so erdrückend heiss wie am Nachmittag, ein milder Wind streicht über die Strecke. Die Mechaniker werten alle Daten von heute aus und bereiten die Motorräder für das Rennen vor. Ich meinerseits geniesse einfach nur die Ruhe auf dem leeren Circuit. Ich laufe mehrere Runde ab und versuche mir die Kurven zu merken. Ich bin bestimmt schon seit einer Stunde hier.
Ich gestehe mir selbst ein, dass ich mich in dem Moment vor der Übernachtung bei Jorge drücke. Meine Uhr zeigt an, dass es 22:22 Uhr ist. Ich kann mir etwas wünschen! Ich schliesse meine Augen und überlege kurz, bis ich meinen Wunsch leise ausspreche.
Mit einem traurigen Lächeln öffne ich die Augen wieder - und falle vor Schreck fast um.
Vor mir steht eine Person, deren Gesicht ich nicht ausmachen kann.
"Hallo?", sage ich verunsichert, bevor ich meinen Blick vorsichtig nach links und rechts wandern lasse, um vielleicht irgendjemanden der mir im Ernstfall helfen könnte auszumachen. Ich meine, man weiss ja nie. Aber es ist niemand in der Nähe, die Boxengasse ist weit entfernt. Die Person antwortet nicht, was mir Angst macht. Wer ist das?
Ich kann die Umrisse nicht zuordnen, da es mittlerweile richtig dunkel ist.
Also mache ich einen Schritt nach hinten, worauf die Person einen Schritt auf mich zu macht. Scheisse!
Jetzt laufe ich langsam Schritt für Schritt nach hinten, aber die Person tut es mir gleich.
"Wer sind sie?", frage ich laut.
Keine Antwort.
Scheisse, was wenn das irgend so ein Pädophiler ist??
Ich halte an und sobald der Unbekannte ebenfalls angehalten hat, renne ich los.
Ich renne so schnell wie möglich, da ich richtige Panik habe. Mein Herz pocht mir bis zum Hals.
Und auf einmal spüre ich kräftige Arme, die mich nach hinten reissen. Der Unbekannte drückt mich an seinen Körper. Ich schreie wie am Spiess, doch diese Person dreht mich zu sich und legt mir eine Hand auf den Mund. Voller Panik und mit weit aufgerissenen Augen schaue ich nach oben. Mein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von dem des Unbekannten entfernt, worauf ich immer mehr Details ausmachen kann. Ich erkenne Mund, Nase, Augen. Ich schaue in das grinsende Gesicht von Marc Arsch Marquez.
Dieser nimmt seine Hand wieder von meinem Mund und fängt laut an zu lachen.
"Verdammt, bist du blöd oder was?", schreie ich ihn an, worauf sein Lachen schlagartig verstummt.
Wütend schlage ich ihm auf die Brust und winde mich aus seinen Armen. Ich drehe mich um und laufe mit zusammengezogenen Augenbrauen von Marc weg.
"Lily, warte!", er läuft mir nach. Dieses verdammte Arschloch!
Ich werde am Handgelenk gepackt und zurückgezogen.
"Hast du mich wirklich nicht erkannt?", fragt er mich leise.
"Bist du dämlich? Es ist stockdunkel!"
Ich beginne zu zittern, die Wut lässt nach und aus irgendeinem Grund macht sich die Angst erst jetzt in mir breit. Das Adrenalin, welches mich eben noch gewärmt hat ist weg. Sosehr ich es auch versuche zu unterdrücken, Marc bemerkt meine körperliche Reaktion auf das eben passierte.
"Oh Mist, ich dachte nicht, dass ich dir so eine Angst einjagen würde! Es sollte nur ein Spass sein." Er lässt mein Handgelenk los und streicht mit seinen Händen über meine Arme, die eine angenehme Wärme auf meiner Haut zurücklassen.
"Ist dir kalt?", fragt er mich besorgt.
Ich schüttle den Kopf, aber er glaubt mir natürlich nicht, also nimmt er meine Hand und zieht mich schweigend zu der Boxengasse zurück.
Dort führt er mich durch seine Box zu seinem Motorhome.

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