Kapitel 35

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Und dann begannen wir eine Einheit zu werden. Ich weiß nicht woher plötzlich oder warum oder wie, aber es machte immer mehr Spaß mit ihm zu reden und zusammenzuarbeiten.

Ich hatte sogar das Gefühl, dass es ihm genau so ging, denn irgendwie kam es mir so vor, als hätte er plötzlich mehr Spaß. Mit den Menschen hier, der Arbeit mit ihnen und mir.

Manchmal kam sogar Maya mit. Sie fand es ungerecht, dass ich soviel Zeit in diesem Heim und mit J.J. verbrachte.
Und außerdem war sie neugierig auf ihn.
Und zu dritt hatten wir fast noch mehr Spaß. Sogar die alten Menschen freuten sich, wenn wir zu dritt waren, denn zu dritt hatte man mehr verrückte Ideen, was man machen könnte, und das machte ihnen auch Spaß, wir waren das Interessanteste in ihrem sonst so langweiligen Alltag.

Und wenn es mal nichts zu tun gab, saßen wir in dem kleinen Rosengarten, mit und ohne Maya und ich muss sogar leider zugeben, dass es ohne sie noch schöner war.

Und so verflossen die Tage. Ich war so glücklich, ich glaubte dass ich in meinem Leben noch nie so viel gelacht hatte. Hätte ich alle Tage mit einer Farbe beschreiben sollen, wäre es knallbunt gewesen.

Naja, bis heute. Denn vorhin hat J.J. eine SMS bekommen und musste jetzt ganz plötzlich weg. Das war noch nie vorgekommen.
"Was ist denn los? Ist irgendwas passiert? "
"Nein, nein... alles ok", sagte er wie in Trance, als würde er es selbst nicht einmal richtig wahrnehmen.

"Du kommst hier zurecht?", er ließ mit keine Zeit zu antworten,"gut, ich muss dann, Tschü"

Irgendwas stimmt hier nicht ... aber ich sollte mich wohl lieber nicht einmischen...

Ich sah zu, wie er durch die große Eingangshalle lief und dann durch das schöne Tor verschwand.
Ich seufzte.
Gerade wollte ich wieder der Arbeit nachgehen, als ich eine Stimme hörte:" Was machst du denn da?"

Es war Frau Klingen, eine alte Dame, die zur Zeit manchmal nicht recht wusste, wo sie war, oder wer wir alle sind, aber im Grunde war sie immer sehr lieb.

"Ich arbeite, Frau Klingen. Und was machen sie hier? Sollten Sie nicht beim Bingo sein?"
"Ach, Paperlapapp, das interessiert doch keinen. Wieso tust du das?"
"Was denn? Arbeiten? Ich helfe meiner Mutter ein wenig"
"Nein! Das meine ich doch nicht! Warum stehst du hier, wenn er geht?"
"Weil er etwas Privates zu tun hat"
"Paperlapapp! Da ist irgendwas faul! Was bist du für eine Freundin, wenn dich nicht interessiert, was er tut?"

Ich wurde leicht rot und sah verlegen zu Boden, weil sie dachte dass ich seine Freundin war.
"Frau Klingen-"
"Nein! Nichts da! Du gehst ihm jetzt nach. In meinen Auftrag. Ich will schließlich auch wissen, was der tut"

Ich überlegte kurz, eigentlich wollte ich ja auch gerne wissen, was er tut, was ich nicht wissen darf. Es war falsch und gegen mein Gewissen, aber schließlich siegte die Neugier.
Also machte ich mich auf den Weg, natürlich erst als ich Frau Klingen zurück zum Bingo gebracht hatte.

Schließlich stand ich auf der Straße und konnte ihn nur noch ganz klein erkennen, wie er eilig die Straße entlang ging. Unauffällig folgte ich.

Die Straßen wurden zu Gassen und die Gassen immer kleiner und dunkler und langsam wurde es mir auch echt unheimlich, weil es sich wie Nacht anfühlte, obwohl wir erst 15:00 Uhr hatten.
Irgendwann ging er dann in ein kleines, runtergekommenes, leicht verstecktes, altes Gebäude, welches locker in einem Horrorfilm hätte mitspielen können.

Ich wartete 5 Minuten vor der Tür nur um sicherzugehen,  dass er nicht wusste, dass ich da war.
Im Endeffekt war es dann nur Eine Minute, vielleicht auch zwei.
Die Stufen aus Holz knarzten als ich sie hinaufstieg.

Im Inneren schlug mir laute ätzende Musik entgegen und überall war stinkender Rauch. Es war schwer etwas zu erkennen, doch mit der Zeit wurde es besser. Die Wände waren aus altem Holz und der Boden knarrte bei jedem Schritt. Zudem lag dort überall Dreck und andere Dinge von denen ich nicht wissen will, was es war.

Am hinteren Ende stand auch eine Art Tresen, eine Art Bar. Hinter der Theke stand eine junge Frau mit langen lockigen Haaren und tiefem Ausschnitt. Sie zeigte wohl gerne viel Herz, denn leider, musste man sagen, sah man ihr das an. Und eigentlich hielt ich nichts von Vorurteilen.

Es waren auch überall Stehtische verteilt,  an denen ein paar übel aussehende Kerle ihr Getränk oder was auch immer genossen. 
Es waren nicht viele und doch spürte ich ihre Blicke auf mir liegen.
Wo war ich hier gelandet?

Leicht beunruhigt ging ich auf den Tresen zu. Die Frau schien mir noch am nüchternsten. Ich hatte J.J. nämlich aus den Augen verloren und wollte nach ihm fragen. Dämliche Idee eigentlich, aber ich wollte auch nicht weiter wie ein Trottel hier rum stehen und im Endeffekt doch wieder gehen.

"Na Schätzchen? Haste' dich verlaufen? Ich kann dir ja ein bisschen helfen...", klang es aus einer hinteren Ecke, worauf der Kerl anfing zu lachen. Ein Lachen wie Rasierklingen in meinen Ohren. Vor Ekel schüttelte sich mein Körper, doch ich ignorierte ihn.

"Hallo. Entschuldigung?"
Die Kellnerin würdigte mich nur mit einem müden Blick uns sagte lediglich:" Ich verkaufe nicht an Minderjährige und bin auch nicht privat zu buchen"

"Äh", ein nervöses Lachen entkroch meiner Kehle,"also eigentlich suche ich einen großen Kerl mit wuschligen, braunen Haaren und Augen"

"Er hat wuschlige Augen? So einen kenn ich nicht"

"Ähm... Nein, er hat nur braune Augen. Die sind nicht wuschlig. Ich suche J.J."

"Wen?"

"J.J."

"Kenn ich nich"

"Jetzt stell dich nicht so dumm Channy!  Sie sucht Jonathan!", erklang es wieder aus einer der dunklen Ecken.

"Aah...", ihre Augen begannen zu leuchten wie die einer Katze, welche ihre Beute beobachtet,"und wer bist du , wenn ich Bitte fragen darf?"

"Äh...-"

"Äh also, kenn ich nicht"
Sir lehnte sich über den Tresen und war nur noch etwa 5 cm von meinem Gesicht entfernt.

"War er hier? Können Sie mir sagen, wo er ist?"

"Vielleicht, was bekomm' ich denn dafür?"

"Er ist in den Keller Kleine! Channy man! Die süße Maus ist bestimmt noch nicht 18!", erklang es wieder einmal aus der Ecke, doch die Stimme klang als würde sie näher kommen.

"Oder doch?", flüsterte jemand ganz leise in meinen Nacken und mir zog sich vor Angst der Magen zusammen.

"Haha", lachte ich nervös, "noch nicht ganz, aber danke", ich hoffte meine stimme zitterte nicht und kroch schnell weg von den beiden.

Ich hielt nach einer Treppe nach unten Ausschau und fand eine. Langsam ging ich darauf zu.
"Die andere Kleine, außer du willst hier nicht mehr raus. Die würden dich da unten glatt behalten. Oder Channy? ", dabei lachte er wieder dieses widerwärtige lachen.

Ich schluckte und ging auf die andere Seite. Dort unten empfing mich Dunkelheit. Ich sah noch einmal zurück. Der Typ und "Channy", wie er er sie nannte, sahen mich noch an. Ich wollte diese Blicke nicht deuten und ging die Treppe nach unten. Das Herz raste mir bis zum Hals.

Leben Hinter GlasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt