Kapitel 6

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Wir standen vor einem alten Hochhaus mit Feuertreppen aus Stahl, die schon leicht am rosten waren. (siehe Multimedia)
Ich sah mich immernoch um, als J.J. sagte:" Also ... ich wusste nicht genau wohin wir sollten, w-weil du dich ja verlaufen hattest und...."
Den Rest des Satzes ließ er offen, rieb sich verlegen den Nacken und sah mich abwartend an.
Auf was wartete er denn? - Achso! Wahrscheinlich auf eine Reaktion von mir!

"Ja... also ich finde es hier schön. ", sagte ich wenig einfallsreich.
Erleichtert sah er mich an:"Ja? Cool, mir gefällt es hier auch. Seit ich klein bin, wollte ich schon in so einem Haus leben."
Er grinste mich an und ging vor mir die Treppe hinauf und ich folgte ihm.

Im 4. Stock hielt er an und ich musste erstmal verschnaufen, weswegen er mich auslachte und ich ihn in den Arm boxte.
Wobei ich mir aber weh tat, weil er ja aus Glas war.

Auch auf dem langen Weg hier hoch, hatte ich ständig Angst, dass das Glas unter mir brechen könnte. Daran änderte sich auch nichts, obwohl mir J.J. andauernd versicherte, dass das Glas hier 'schon ein bisschen was aushielt ' .

Die Wohnung hatte einen kleinen langen Flur, von dem man aus in Badezimmer, Küche, Wohnzimmer und das Schlafzimmer kam.
Aber es war gemütlich hier.
Alles war in hellen und freundlichen Farben gestrichen.
Auch wenn überall Zeug herum lag, das J.J. gerade versuchte irgendwie zu verstecken und wohl hoffte, dass ich es nicht mitbekam.
Ich ließ ihn in dem Glauben.

Aber trotz all dem war es immernoch eine kleine, gemütlich eingerichtete Wohnung.
Ich hätte gerne die Wand angefasst um zu fühlen ob sie auch auch aus Glas war, aber ich hielt mich zurück.
Aus Angst, dass wenn sie wirklich aus Glas war, ich sie kaputt machte.

"Also ... Ähm ... wollen wir ins ... Wohnzimmer?", fragte er leicht verunsichert.
Vielleicht war es mir ja anzusehen, dass ich Angst hatte, der Boden könnte unter mir zusammenbrechen?
Das musst du ändern! Jetzt war er schon so nett ...

Also setzte ich mein bestes lächeln auf, nickte und folgte ihm.
Im Wohnzimmer erwartete mich die selbe, zueinander passende Einrichtung wie im Flur:
Weiß gestrichene Wände, ein hellgraues Sofa und ein hellbrauner Tisch. Und unter dem ganzen lag ein franziger auch hellgrauer Teppich.

"Wie alt bist du eigentlich?"
Die Frage kam unerwartet und ich konnte ihn nur ansehen.
Seine dunklen Augen wirkten ehrlich interessiert und neugierig.
"16 und du? Warum fragst du?"
"Ich bin 18. Ach nur so"
Er grinste mich an, nahm dann überraschend meine Hand und sah mir tief in die Augen.

Was hatte er jetzt vor?

Er kam mir wieder so nah, dass ich die goldenen Sprenkel in seinen Augen erkennen konnte.

Mein Herz blieb stehen und schlug dann wieder doppelt so schnell weiter. Unwillkürlich beschleunigte sich auch meine Atmung.

Oh Gott, hoffentlich bekam er das nicht mit!

Als er mir jetzt langsam immer näher kam, spürte ich ein unerträgliche kribbeln im Bauch. Als würden gerade tausende von Ameisen meine Bauchdecke entlang krabbeln.

Mein Körper versteifte sich und ich hielt den Atem an, als er kurz vor meinem Gesicht war ...
Und dann die Richtung zu meinem Ohr änderte.
"Ich möchte etwas ausprobieren.", flüsterte er mir zu, zog mich an meiner Hand mit und lachte über meine Reaktion.

Ich könnte ihn fressen. Dieses Arschloch!

Ich ließ mich immernoch leicht verdutzt mitziehen.
Im Endeffekt fand ich mich im Bad wieder.

Was wollte er den hier ?

Er zog mich vor den Spiegel und meine Atmung beschleunigte sich wieder. Mein Herz blieb genauso wieder stehen und schlug dann noch schneller weiter. Diesmal aber aus einem ganz anderen Grund.
Ich riss die Augen auf, aber ich hatte immernoch kein Spiegelbild!

"D-Das ... d-das...", stotterte ich nur.
"Das hatte ich mir gedacht", antwortete J.J. , als wäre er ein kluger Professor und wusste die Antwort schon vor seinen Schülern.
"Aber ....", ich konnte es noch immer nicht begreifen.

"Du hast kein Spiegelbild mehr."
"Weil...?"
"Weil dein Spiegelbild nicht mehr existiert. Es hat sich selbst zerstört. Und das warum werden wir wahrscheinlich auch nie erfahren."

Ein wenig hatte ich mich wieder gefangen.
"Und warum hast du ein Spiegelbild, wenn du doch ein Spiegelbild bist ?"
"Unsere Welten ergänzen sich gegenseitig. Mein echtes Ich ist noch dort draußen und deswegen hab ich ein Spiegelbild. "
Er klang sehr zufrieden mit sich.
"Aber wie komm ich denn wieder heim?"

"Stimmt ... darüber hab ich auch schon nachgedacht. Also wenn dein Spiegelbild die Scheibe eingeschlagen hat", er blickte mich aufmerksam an," und dadurch dich in unsere Welt gelassen hat. Dann... müsstest du eigentlich auch wieder in deine zurück kommen wenn du auch eine Scheibe einschlägst"
Er klang fest überzeugt von seinem Plan aber eins hatte er anscheinend nicht mit eingeplant.

"Aber mein Spiegelbild hat sich dadurch zerstört. Was wenn ich mich auch zerstöre?"

"Hm... dann müsstest du schon längst zerstört sein"
"Und ... Wieso? "
" Na, du bist doch Schonmal durch das ' Portal ' durch und dir ist nichts passiert. Und außerdem:
No risk, no fun! "

Das sage ich auch immer, aber ... wenn ich zurückginge, dann würde ich ihn ja nie wieder sehen!

Entsetzt sah ich ihn an.
"Was ist?" , fragte er sanft und legte mir seine Hände auf die Schulter.

Konnte ich es ihm wirklich sagen?
Ach, was solls?

Also sprach ich meine Bedenken aus, wobei ich die ganze Zeit auf den Boden blickte.
Eine Weile spürte ich nur seine Blicke auf mir.

Na toll! Jetzt hasst er dich!

Doch dann zog er mich in eine lange Umarmung.
Seine Arme lagen schwer um mich und drückten mich an seinen harten Körper, denn er War immernoch aus Glas.
Doch von innen strahlte er eine solche Wärme und Sicherheit aus, dass es mir egal war und ich schlang auch meine Arme um seine Taille.

Unwillkürlich liefen mir auch ein paar Tränen über die Wange.
"Dann hat es mich gefreut deine Bekanntschaft gemacht zu haben", sagte er sanft ," und jetzt weine nicht", er löste sich von mir und wischte mir die Tränen weg. An diesen Stellen bekam ich Gänsehaut, so sanft war er. "Und wenn nicht schlägst du einfach ne' Fensterscheibe ein"

Jetzt musste ich doch wieder lachen. Er zog mich nochmal in eine Umarmung und murmelte:" Machs gut, kleines"
Wahrscheinlich sollte ich es nicht hören, doch ich tat es.

Diesmal löste ich mich von ihm, drehte mich mit einem kleinen traurigen lächeln zum Spiegel und schlug auf ihn.

Dann wurde alles schwarz und ich spürte einen starken Sog.
Das letzte was ich dachte war:
Warum hatte es mir soviel ausmacht ihn gehen zu lassen? Ich meine ich kannte ihn bestimmt erst seit 2 Stunden oder so ...

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Heey!
Hoffe euch hat das Kapitel gefallen :-) .
Ich würde mich wirklich über ein paar Kommentare freuen ;-)

Bis nächstes Jahr! Allen einen guten Rutsch ins Jahr 2016 <3

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Leben Hinter GlasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt