Epilog

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"Und wie ging es dann weiter?"
"Tja, was glaubst du denn?"

Sie zuckte mit den Schultern. Ich lachte. Woher sollte sie es denn auch wissen?

"Er war überall. Überall wo ich war, war auch er. Es hatte etwas leicht unheimliches und irgendwann wollte ich kaum noch das Haus verlassen. Er stand vor der Schule, er war ständig im Altersheim, er war einfach überall.
Und immerzu suchte er meine Nähe. Und immer war ich kurz davor es zuzulassen, bis mir wieder einfiel, warum ich es nicht konnte. "

"Aber warum denn nicht?"

Ich sah sie an. Irgendwoher kam mir ihr Gesicht bekannt vor, aber ich wusste nicht woher.

"Na, ich brauchte erstmal Zeit. Ich musste verarbeiten, was geschehen war. Musste andere Männer kennenlernen, bis ich erkannte, dass er der Richtige war."

"Was? Du hattest noch andere Freunde?"

"Natürlich. Alle waren sie jung, hübsch, dynamisch und bemüht um mich, doch ich hatte alle nur mit ihm verglichen und wenn er uns irgendwo sah und ich den Schmerz in seinen Augen erkannte, war der Letzte schonwieder Geschichte."

"Du hast sie dann abserviert?"

"Ja, die meisten. Andere hatten gemerkt, dass da noch ein anderer war, für den mein Herz noch schlug, wie sie es ausdrückten, doch ich war dann immer sauer geworden, hatte sie angeschrien, dass sie doch einfach zu feige waren, um sich von mir zu trennen."

"Und was hatten sie dann gemacht? "

"Sie sahen mich meist mitleidig an und gingen fort."

"Und wann habt ihr wieder zusammengefunden? Du und J.J.?"

Ich lächelte. Ich konnte mich an den Tag noch sehr gut erinnern, fast als wäre es gestern gewesen.

"Es war ein Freitag. Ich hatte mich frisch von einem meiner damaligen Lover getrennt und kam gerade von meiner Ausbildungsstätte. Ich lief den Weg wie jeden Tag zurück nach Hause, doch dann sah ich eines der fielen Ausstellungsfenster, aber anstatt den Inhalt zu sehen, sah ich nur mein Spiegelbild und egal, wie sehr ich mich anstrengte, ich erkannte nicht, was hinter der Glasscheibe war.

Dann achtete ich endlich auf mein Spiegelbild. Ich sah eine junge Frau und dann erinnerte ich mich an den Tag im Bus, als alles angefangen hatte. Ich war nicht mehr das kleine Mädchen, das sich Tonnen Mascara aufgetragen hatte, um dem größten Arschloch, entschuldige meine wortwahl, der Schule Nachhilfe zu geben.

Es war Zeit, anzukommen und das hatte ich in diesem Augenblick erkannt und ich hasste mich für meinen ständigen Männerwechsel, wo ich den Richtigen schon längst kannte. Plötzlich hatte ich ein riesiges Loch in meiner Brust gefühlt.

J.J. war ein erfolgreicher Anwalt geworden, jedoch immer ohne Frau. Ich hatte ich gefragt, ob er mich noch nehmen würde, ob er mir vergeben könnte. Den ganzen Schmerz, den ich ihm zugefügt hatte. Ich rannte zur Kanzlei. Ein riesiges Schild hing an dem mächtigen Gebäude und zeigte mir, dass ich richtig war.

Ich ging hinein. Überall Menschen in Anzügen und ich mittendrin mit meinen schäbigen Alltagsklamotten. Ich ging zur Rezeption, wo mich eine kleine, junge, zugegebenermaßen gut aussehende Lady herablassend ansah. Ich sagte ich gleich, dass ich zu Jonathan wollte, ich war es nicht gewohnt, so von ihm zu reden.

Sie sagte einfach nur, dass das nicht gehe, da er gerade in einer wichtigen Besprechung gewesen wäre. Jung, stur und aufgewühlt wie ich war, erzählte ich ihr, dass ich seine Frau sei und es um die Kinder gehe.

Der Blick, den ich von ihr geerntet hatte, war so schockiert gewesen, dass ich mich gleich viel stärker fühlte, als seine Frau. Ich sagte ihr, sie solle mich ankündigen und ich rannte in den Fahrstuhl ohne auf ein weiteres Wort von ihr zu hören.

Im Fahrstuhl hatte ich erst mal einen der Anzug-Männer gefragt, ob sie wüssten, wo Jonathan denn wäre. Einer wusste es und er hatte Recht.
Im vierten Stock hinter der letzten Tür saß er.

Ich war einfach ohne zu klopfen in das Zimmer gerannt."

Das Mädchen machte Riesen Augen:" Und dann?"

"Zwei große Männer sahen mich mit großen Augen an. Der Eine hatte schon angesetzt, um mich vollzuschreien, als Jonathan ganz ruhig gesagt hatte:' Es tut mir leid. Darf ich vorstellen, meine Frau '

Er stand auf und ging auf mich zu 'Was gibt es denn so wichtiges Schatz?', hatte er mich gefragt. Ich war total perplex. Ich zeigte einfach nur auf die Tür und er nickte. Er hatte schnell dem aufgebrachten Mann Bescheid gesagt, dass er sofort wieder da wäre und dann hatte er mich schon wieder vor die Tür geschoben.

Vor der Tür hatte er mich abwartend angesehen. In seinen Augen war keine Regung zu erkennen gewesen. Meine Beine waren wie Wackelpudding.
Ich hatte ihn angesehen und ganz schnell gesprochen. Ich hatte ihm gesagt, dass mir alles so unendlich leid täte, dass ich so dumm war und bin, dass ich ihn so sehr vermisse wie sonst keinen und ihn liebe.

Danach war alle Härte aus seinem Blick geschmolzen und er hatte mich einfach nur geküsst. Zwei Monate darauf haben wir geheiratet. Ich war die glücklichste Frau der Welt.

Jetzt ist er seit zwei Jahren tot und ich sitze hier und vermisse ihn. Dieser Garten gibt ohne ihn einfach nicht viel her."

Eine junge Frau erschien am Eingang des Garten. Sie kam auf mich zu. Sie war mir so bekannt, doch mein Kopf blockierte die Erinnerung.
"Hallo Marie. Wir geht es dir?"
"Gut gut", antwortete ich

"Anna, komm. Wir müssen jetzt gehen."
"Na gut. Auf Wiedersehen Marie"
"Auf Wiedersehen meine Lieben"
Ich winkte ihnen nach.

Eine andere Junge Frau erschien:
"Erzählst du wieder Geschichten, Mama?"
Ich lachte: "Natürlich"

Leben Hinter GlasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt