Kapitel 5

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Immer wieder warf ich ihm von der Seite Blicke zu.
Wieso hatte es sich so angefühlt, als wäre er aus Glas?
Ich konnte nicht wirklich in einer Glasscheibe sein. Oder doch?
Ich hatte immer darüber nachgedacht, aber das war doch nur Träumerei...

"Was denkst du?" , mit dieser Frage riss mich J.J. aus meinen Gedanken.
"Hä? Was meinst du?"
Ein kleines Lächeln schlich sich auf sein Gesicht.
"Du starrst mich die ganze Zeit schon an", er lachte, "jetzt fehlt nur noch, dass du anfängst zu sabbern"

Beleidigt sah ich weg.
Er hatte mich erwischt

"Hey jetzt sei doch nicht beleidigt. Das war als Scherz gemeint. "
Als ich ihm einen kurzen Blick zuwarf, sah ich, dass er einen zuckersüßen Schmollmund gezogen hatte und mich aus braunen Kulleraugen treuherzig anblickte.
Unwillkürlich fing ich an zu lachen. Es sah einfach zu komisch aus wenn ein fast 1,90 Meter großer, muskulöser Typ so eine Grimasse zog.
Er stimmte in mein Lachen mit ein.

Darauf folgte betretende Stille. Ich kaute auf meiner Unterlippe und überlegte fieberhaft was ich sagen könnte. Gerade liefen wir eine dunkle Gasse entlang, die nur von ein paar Straßenlaternen beleuchtet war.

Ich hätte riesige Angst haben müssen. Aber J.J.'s Anwesenheit neben mir beruhigte mich. Wieder sah ich zu ihm hoch. Ich wollte wirklich etwas sagen, aber mir fiel absolut nicht ein, was.
Als J.J. die Stille brach:
"Wie kommst du eigentlich hierher?"

Ich konnte ihn nur perplex anstarren, während er mich neugierig mit seinen Augen musterte. Hatte ich das nicht schon erklärt?
" Ich hab mich verlaufen und..."
"Nein ich meine wie kommst du hier her?" , unterbrach er mich.

Ich starrte ihn noch verdutzter an.
Was meinte er mit 'hier'?
J.J. fing an leise zu lachen.
Inzwischen waren wir stehen geblieben und er stand mir gegenüber.
Er schaute in den dunklem mit kleinen Lichtern besetzten Himmel.

"Du weißt schon. Hier her eben. In diese Welt. Dir muss doch etwas komisch vorkommen oder?"

In dieser Welt. In dieser Welt . In dieser Welt. In dieserWelt....
Die Worte spukten in meinem Kopf herum.

J.J. sah mich nur stumm an. Er wollte mir Zeit lassen. Mich die richtige Antwort selbst finden lassen.

"I-Ich hatte so eine... Ahnung"
"Du hattest so eine Ahnung?"
"Ich dachte es wäre nur Träumerei"
"Nur Träumerei. Wie süß."

Hatte er das gerade wirklich gesagt? Das dass süß war? Ich musste mich verhört haben.

"Also du meinst ...", fing ich leise an. Doch meine Worte schallten durch die stille Nacht als hätte ich sie geschrien.
"Also du meinst ...", fing ich wieder an.
Er sah mich immer noch an. Er wollte dass ich mir die Antwort selbst gab.

"Du meinst also... dass wir uns in einer Glasscheibe befinden und hier alles aus Glas ist?", vollendete ich meinen Satz unsicher und sah ihm in die Augen. Er war so nah, dass ich goldene Sprenkel in seinen Schokobraunen Augen erkennen konnte.

Er nickte langsam.
"Wir nennen es Spiegelwelt"
"Spie-Spiegelwelt? "
Er nickte wieder.
"Ja... aber die Frage ist, wie du hierher kommst."

Ich ignorierte seine Frage.
"Aber wie - woher - warum ..?" , begann ich stockend.

Wie konnte so etwas sein? Leben hinter Glas?
Woher weiß er von meiner Welt? Wir wissen doch auch nichts von ihrer Welt.
Und warum war ich hier?

" Wie ist so etwas möglich?
Woher weißt du von meiner Welt?
Und warum bin ich hier?", stellte ich meine Fragen nun laut.

J.J. fing wieder an zu gehen.
Schnell folgte ich ihm.
"Wie das möglich ist, weiß ich auch nicht. Wir sind einfach da. Wir sind eure Spiegelbilder. Aber wenn du zum Beispiel in den Spiegel siehst, dann siehst du nicht dein Spiegelbild, was es hier gerade tut. Du siehst es zwar im Spiegel oder in Glasscheiben, aber es könnte genauso schlafen. Sagen wir, es ist einfach da, damit du ein Spiegelbild hast.
Aber das hier ist genauso ein Paralleluniversum. Dein 'Spiegelbild' ist ,wenn du in der echten Welt nett bist, hier böse. Und mein 'echtes' Ich ist in der Welt draußen wahrscheinlich ziemlich fies, wenn ich das so sagen darf" , dabei grinste er schelmisch , " woher ich von deiner Welt weiß. Keine Ahnung. Wir wissen einfach von euch. Das weiß ich schon seit ich denken kann. Warum ihr nicht von uns wisst? Vielleicht weil ihr zu blöd seid?", er lachte , "Außer natürlich ein paar Ausnahmen, wie dich zum Beispiel, wenn du schon von uns geahnt hast.
Und warum du hier bist, wollte ich ja von dir wissen."

"Naja ... also ...", fing ich an.
Sollte ich es ihm wirklich sagen? Dass ich Angst vor meinem Spiegelbild hatte, geflohen bin und es dann eine Scheibe eingeschlagen hat und ich dann plötzlich hier war?
Würde er mich auslachen? Ich meine, wer hatte denn schon Angst vor seinem Spiegelbild?
Was hatte ich den zu verlieren?
-Deine große Liebe!
Kam das gerade wirklich von mir?
Ach egal : No risk, no fun!

Also erzählte ich es ihm. Alles von der Busfahrt bis zu dem Moment, als ich in dieser Welt wieder aufwachte.

Er hörte mir die ganze zeit aufmerksam zu und unterbrach mich kein einziges mal.
Manchmal musterte er mich auch geistesabwesend und ich wurde rot unter seinen blicken ,doch ich erzählte immer weiter.

"Okay gut ... darüber hatte ich auch schon mal nachgedacht ... "
Jetzt war ich verwirrt:
"Was meinst du damit?"
"Achso entschuldige. Ich hab weiter gedacht.
Also mir kam wie gesagt schon einmal die Idee, dass wenn wir genau dasselbe tun wie unser echtes Ich, wir so mit ihnen ... Äh ... euch Kontakt aufnehmen können"
"Aha?" Ich verstand kein Wort, aber wenn er es sagt ...
"Und warum hat mein Spiegelbild die Scheibe eingeschlagen? "

"Keine Ahnung. Aus purer Boshaften? ", überlegte J.J. , " so da wären wir"
"Hä? Wo?" Wir waren die ganze Zeit irgendwohin gelaufen. Und ich war so beschäftigt damit gewesen J.J. anzustarren und über das ganze hier nachzudenken, dass ich vergessen hatte überhaupt zu fragen wohin wir gingen.
"Bei mir Zuhause"

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