Kapitel 9

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Nachdem die Türen sich geschlossen und der Wagen losgefahren war muss ich wohl eingeschlafen sein, denn als ich die Augen aufschlug, lag ich in einem weißen Raum, der ziemlich komisch roch.

Krankenhaus

Ich war noch nie wirklich in einem Krankenhaus gewesen, doch ich hatte schon öfter Leute besucht.
Magda zum Beispiel wurden die Mandeln entnommen.
Und Krankenhäuser rochen immer so. Nach Desinfektion, Krankheit und alles war furchtbar steril.
Ich hasste es.

Langsam drehte ich den Kopf beiseite. Vielleicht hatte ich ja ein Fenster?
Doch ich bekam nur Magda neben mir zu sehen. Und neben ihr, an meinem heiß ersehnten Fenster, saß Mom und schaute etwas erschöpft hinaus.

Als sie kurz wieder in den Raum schaute streiften ihre Augen mich kurz und ich wollte schon erleichtert aufatmen, dass sie nicht entdeckt hatte, dass ich wach war.
Doch da hörte ich ihre Stimme:
"Marie Schatz. Bist du wach Mäuschen? "

Wie ich ihre blöden Spitznamen für uns verabscheute...
"Nein ... ich wollte nur kurz nochmal 'Bye' sagen bevor ich sterbe", erwiderte ich nur trocken.
"Das ist nicht lustig Marie!" , schimpfte sie, aber dann, "Oder hast du so starke Schmerzen? Soll ich den lieben Herrn Doktor holen?"
Die sprach immer noch mit mir, als wäre ich 3 und hätte angst vor dem Arzt.

Oder sie hatte es? Wer weiß?

"Nein Mom. Mir geht's gut. Und ich bin auch keine 3 mehr."
"Dann hör auf so scherze zu machen! Ich hatte furchtbare Angst um euch. Schon wegen eures Vaters...
Sowas ist nicht lustig!"
"Ist ja gut..."
Dad war vor 14 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.  Ich war erst 2 und konnte mich kaum noch an ihn erinnern...

Und Magda erst recht nicht ... Mom war gerade mit ihr schwanger gewesen.

"Der Arzt meinte du hättest eine leichte Gehirnerschütterung,  aber er wollte..."
"Wann darf ich heim?"
Meine Mutter seufzte genervt.
"Wie ich schon sagen wollte, will er dich noch 1-2 Tage zur Beobachtung hierbehalten...."

Den Rest bekam ich nicht mehr mit, denn meine Gedanken schweiften Unwillkürlich zu J.J. :
Seine dunkelbraunen, treuherzige Augen und sein dazu passender Wuschelkopf ....
Und die Locke, die ihm immer widerspenstig in die Stirn fiel...
Ich seufzte .... und ich hatte mal geglaubt, die Hohlbirne Jay wäre hübsch. Nein, J.J. sah um Welten besser aus...
Ich wollte zu ihm.
Ich wollte J.J. sehen, sowie ein Raucher nach einer Zigarette süchtig war, war ich anscheinend süchtig nach ihm geworden.

"Kommt nicht infrage", unterbrach ich meine Mutter mitten in ihrer seltsamen Erzählung.
"Was meinst du?", fragte sie perplex.

"Mir geht es bestens. Ich erfreue mich bester Gesundheit und ich möchte nicht länger hier bleiben."
Meine Mutter seufzte noch einmal laut und verdrehte die Augen: "Marie..."
Wie zum Beweis drehte ich mich, streckte meine fülligen Beine über den Bettrand und stellte mich auf die Füße.
Zu Anfang noch etwas wacklig,  was aber bestimmt von dem vielen liegen kam, denn ansonsten stand ich wirklich gut und ich hatte auch keine Schmerzen mehr.

Gerade wollte ich mich triumphierend zu meiner Mutter drehen, als mein Gehirn mir die Frage,  die ich momentan gar nicht hören wollte, an den Schädel ballerte:
Warum bist du nicht zu J.J. gekommen?

Ich ignorierte meinen Kopf, auch wenn es mir jetzt nicht mehr so gut ging, und drehte mich trotzdem zu meiner Mutter. Welche mich immer noch genervt ansah.
"Marie, das sind Verletzungen,  von denen du gar nichts weist...."

In diesem Moment kam gerade der Arzt ins Zimmer, der nicht schlecht aussah, und rief fröhlich: "Guten Morgen! "
Dann schenkte er meiner Mutter ein nettes Lächeln,  was einen teil weißer Zahnreihen entblößte und wandte sich an mich: "Marie! Du bist ja schon wach! Hervorragend."
Warum nannte er mich beim Namen? Dürfen Ärzte das? Ohne mein Einverständnis?
Das fiel ihm anscheinend auch gerade auf. "Oh tut mir leid. Ist es okay, wenn ich dich so anspreche oder willst du lieber Frau Glaser genannt werden? Weißt du... äh.... Sie.... Wissen Sie, Ihre Mutter ...."

Mein Gott, der laberte ja wie ein Wasserfall!  Wenn ich nicht gleich was sage, hab ich niemals eine Chance.

"Ich will heim" , unterbrach ich ihn also.
Er starrte mich leicht verdutzt an und Mom schrie:"Marie! Seit wann bist du denn so unhöflich?!"
Sie lächelte ihn entschuldigend und schüchtern an .

Wow,  warte mal! Meine Mom war nie schüchtern...
Oh-oh  ...

Jetzt sah ich mir den lieben Herrn Doktor aber auch mal etwas genauer an:
Wie ich schonmal bemerkt habe, sah er nicht schlecht aus.
Er hatte grün-blaue Augen, hellbraune Haare, die an der Seite etwas kürzer waren als oben auf dem Kopf.
Eine gerade Nase und der Mund bestand aus einer vollen Unterlippe mit schmaler Oberlippe.
Hohe Wangenknochen und einen markanten Kiefer.
Auch hatte er einen drei-tage Bart und normalerweise müsste es leicht ungepflegt wirken, aber es sah perfekt aus.

Gar nicht gut...

Also nicht, dass ich es meiner Mom nicht gönnte glücklich zu sein.
Aber was passiert dann mit uns?
Sollen wir den Kerl dann 'Papa' nennen oder was? No way! 
Niemand konnte Papa ersetzen. 
Aber vielleicht wollte er das ja gar nicht.
Vielleicht wollte er einfach... ach was weiß ich! Eine neue beste Freundin? 

Jetzt sei nicht so egoistisch! 
Und außerdem: vielleicht will sie ja gar nichts von ihm?
Ja genau. Vielleicht hatte ich mir das gerade auch nur eingebildet.

"Schätzchen,  alles in Ordnung?  Willst du dich nicht lieber wieder setzen? "
Mom riss mich aus meinen Gedanken. "Nein, ich will jetzt heim!"
Ich weiß auch nicht warum ich gerade so zickig wurde, aber es wurde mir gerade alles zuviel.
Ich wollte zu J.J. und die Frage warum ich nicht zu ihm gekommen war, quälte mich immer noch.  Zudem war es noch zu früh für einen neuen Mann für meine Mom. Und Magda schlief immer noch. Ging es ihr gut? Vielleicht hätte ich mal fragen sollen. Aber es war mir egal gewesen und jetzt war es zu spät.
"Also. Rein theoretisch geht es dir ja gut, und anscheinend auch praktisch, also wenn du wirklich so dringend nach hause willst... vielleicht ja zu deinem Freund...", meldete sich der Arzt jetzt wieder, aber Mom unterbrach ihn:"Sie hat keinen Freund"
Es klang schon fast resigniert und gelangweilt, sodass ich schonwieder wütend wurde:"Davon hast du doch gar keine Ahnung!" Und außerdem: was interessiert es diesen dämlichen Arzt, ob ich einen Freund hatte?

Später erinnerte ich mich nicht mehr sehr genau daran, was dann geschah, aber meine Sicht wurde verschwommen, Mom und der Arzt sahen mich verdutzt an und ich nahm einfach meine Klamotten und stürmte aus dem Raum. Ich wollte nur noch Luft, freien Raum für mich allein.

Als ich aus dem Raum gestürmt war, war das letzte, das ich hörte, wie der Arzt sagte:"Pubertät..."

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Heey,
Sorry, dass es so lang gedauert hat, aber ich hatte ein paar Problemchen mit meinem Handy...

Ich hoffe, dass das Kapitel euch gefällt, auch wenn es diesmal nicht wirklich spannend ist.

Danke fürs Lesen♥

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P.S.: Was meint ihr? Wird das was mit der Mutter und dem Arzt? ;-)

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