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Immer wieder liefen Tränen über meine erhitzen Wangen und tropften auf den dünnen Wollpulli, denn ich seit der Flucht nicht gewechselt hatte. Meine Beine zog ich noch ein Stück an meinen Oberkörper heran und umschlang sie mit meinen Armen. Als ich meinen Kopf auf meine Knie legte, fielen meine Haare nach vorne und umhüllten mich in dem schon nur schwach erhellten Raum noch mehr mit Dunkelheit.

Mein Schluchzen durchdrang das ganze Zimmer, aber das kümmerte mich nicht. Meine Brust drückte wegen meinem unregelmäßigen und stockenden Atem immer wieder gegen meine Oberschenkel, wodurch ich noch weniger richtig atmen konnte. Meine Hände verkrampften sich an meinen Schienbeinen miteinander und zitterten dazu. Ein Beben erfuhr meinen ganzen Körper, was mein extremes Unwohlsein noch um Weiteres verstärkte.

Ich merkte, wie meine Nasen begann zu laufen und zog das Flüssige sofort wieder auf. Meinen Kopf richtete ich wieder nach oben, um zu hoffen, dass das Laufen somit aufhörte. Meine von Tränen verschwommene Sicht richtete sich auf die offene Tür an der anderen Seite des Zimmers. Sie war nur einen kleinen aber sichtlichen Spalt offen und man konnte erkennen, dass was immer hinter der Tür war, nicht beleuchtet war.

Erneut zog ich die Luft scharf ein, aber meine Nase hörte nicht auf zu laufen. Langsam glitten meine Beine von meinem Körper weg und ich legte meine freien Hände in meinen Schoss. Ich merkte wieder wie mein Herz gegen meine Brust wie wild klopfte und sich Wärme in mir immer mehr ausbreitete. Ich merkte aber auch wie ich mich langsam beruhigte. Leise schnief ich noch vor mich hin, als ich mich zum aufstehen aufraffte. Vorsichtig richtete ich mich auf und schlurfte zum bereits erhellten Badezimmer.

Angekommen machte ich mir ein bisschen Toilettenpapier ab und putze mir die Nase. Danach spülte ich es das Klo runter und tapste auf meinen nackten Füßen über die kalten Fliesen zum Spiegel und wusch mir immer noch leicht am Weinen mein Gesicht. Ich schmeckte neben dem Leitungswasser auch meine salzigen Tränen, die schon auf meiner Haut getrocknet waren zwischen meinen Lippen.

Erst traute ich mich nicht, aber als ich mich überwindete, erschreckte ich kurz vor meinem Spiegelbild. Mein müder aussehender und roter Blick wanderte mein Gesicht herunter. Dunkle tiefe Schatten hatten sich unter meine Augen gelegt und schienen von dem Leitungswasser neben dem Rest meines blassen Gesichtes unter der Deckenlampe. Meine Mimik war leer, auch wenn ich im Inneren ganz und gar nicht emotionslos war. Meine trocknen Mundwinkel wiesen keine Spur von einem Lächeln auf und meine eigentlich blauen Augen sahen grau aus. Einzelne Strähnen vielen mir ins Gesicht, die ich leicht gereizt nach hinten strich. Als ich das tat, wurde mein Hals frei und mir wurde sofort wieder übel. Mit meinem Blick auf die roten Flecken, drangen sofort wieder die Erinnerungen in meinem Kopf und ich merkte erneut wie ein Schwall Tränen über mich kam.

,,Du musst doch nicht gleich so ausrasten, Horan", schallte es undeutlich von Weitem, ,,was wäre, wenn du sie umgebracht hättest!"

,,Und wenn, wäre es auch nicht schlimm gewesen", grummelte eine irisch klingende Stimme aus der Dunkelheit.

,Oh mein Gott. Ich bin wach, nur sie bemerken es nicht! Sehen tu ich gar nichts, muss wohl noch die Augen zu haben. Bewegen sollte ich mich vielleicht lieber noch nicht, wer weiß worüber sie noch reden', sprech ich mit mir selber. Im Inneren freute ich mich, dass ich noch lebte. Anscheinend hatte Niall es nicht so weit getrieben. Ich war wohl grade aufgewacht und sie hatten es bis jetzt nicht bemerkt.

,,Dann wärst du aber der Nächste von uns der Jemanden auf dem Gewissen hätte", brüllte Louis, ,,willst du auch gesucht werden oder was?" Nein, sie waren wirklich Mörder! Ich hatte gehofft, dass sie sowas nie gemacht hatten. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, denn ich grade noch da behielt. Hätte ich ihn runtergeschluckt, dann hätten sie bemerkt, dass ich aufgewacht war. Das Kratzen und der Druck machte es aber nicht besser.

FlamesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt