Zehn

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Durch ein lautes klirren, erwecke ich aus meinem Schlaf.
Es war einer der schlimmsten Nächte meines Lebens, dabei hatte ich bereits einige davon, das mag also etwas heißen.
Ich wurde immer wieder wach und mein ganzer Körper schmerzt, aufgrund der vielen Wunden, die mir zugefügt wurden.

Immer wieder habe ich geträumt, wie ich sterbe würde und ich bin immer wieder kurz vor meinem Tod erwacht.
Es waren schreckliche Albträume, die mich diese Nacht nicht verlassen wollten.
Ich war in ihnen gefangen und ich fand keinen Ausweg.

Meine Blase drückt schmerzhaft, ich würde es nicht mehr lange zurückhalten können.
In diesem kleinem Kerker gab es kein Klo, somit könnte ich nur meine Blase entleeren, wenn ich mir ins Höschen machen würde oder auf den Boden machen würde.
Der alleinige Gedanke ekelt mich an.

Es blieb mir nichts anderes übrig, als anzuhalten, am besten bis zu meiner Hinrichtung.
Ich müsse nur bis zu meinem Tod aushalten, was nur eine Frage der Zeit ist.
Bald würden sie mich hinrichten und eine Menschenmenge, mehr oder weniger Menschen, würden dabei zusehen und sich über mein Leid erfreuen.

Eine grausame Tortur, die ziemlich verachtend und würdelos ist.
Es ist wie in einem Theaterstück, in welchem ich die Hauptrolle spiele und wenn da Stück beendet ist, wird die Menge applaudieren.

Die Schritte einer Person kommen mir zu Ohren, es kann nur eine Wache sein.
Anstatt ein Lebenszeichen von mir zu geben, bleibe ich, wie Tod, auf dem Boden liegen.
Etwas anderes bleib mir auch nicht übrig, denn ich spüre kaum meinen eigenen Körper, alles schmerzt.
Ich bin so erschöpft und müde.

Die Wache schließt die Tür auf, anschließend öffnet sie diese und kommt mit festen Schritten auf mich zu.
Sie wirft mich, wie einen nassen Sack, über die Schulter und verlässt somit mit mir, den Kerker.
Meine Arme und Beine hängen, genauso wie mein Körper, schlapp herunter und meine Augen sind geschlossen, denn ich habe keine Kraft, um sie aufzuhalten.

In meinem Körper steigt die Panik und ein intensives Kribbeln breitet sich aus.
Ich werde gleich wirklich sterben und das vor ziemlich vielen Werwölfen.
Die Wache geht nicht wirklich vorsichtig mit mir um und mein Kopf prallt vermehrt gegen wahllose Wände.

So fühlt es sich also an, kurz vor dem Tod zu stehen.
In meinem Kopf dreht sich alles und mir ist nicht mehr bewusst, wo oben und wo unten ist.
Es ist, als würde sich die Welt um mich herum bewegen, aber in mir herrscht eine schmerzhafte Stille.

Oben angekommen, öffne ich vorsichtig meine Augen.
Ich möchte wissen, was hier vor sich geht, meine Neugierde ist einfach zu stark.
Mir ist es lieber alles mitzubekommen, als wenn ich dies nichts tuen würde.
Meine letzten Minuten sollte ich noch miterleben, sterben könnte ich gleich.

Er läuft noch einen langen Gang entlang, bis er an einer großen Tür angekommen ist und diese mit Schwung öffnet.
Sofort nehme ich ein lauten Stimmengewirr wahr, was darauf hindeutet, dass sich bereits alle versammelt haben.
Sie warten nur auf mich, auf den Ehrengast.

Ich spüre ihre ekligen Blicke auf mir und ein unbehagliches Gefühl steigt in mir auf.
Ich will nicht hier unter den vielen Werwölfen sein, aber bald bin ich wieder bei meiner Familie.
Es ist zwar nicht der schönste Tod, geköpft zu werden, aber mir war bewusst, wenn ich das alles hier tue, dass ich dann einen schlimmen Tod haben werde.

Nun ist es soweit und meine Vorstellungen werden zur Realität.
Nur leider ist die Realität beinah grausamer, als ich es mir hätte vorstellen können.
Ich werde von der Wache, die mich über seine Schulter geworfen hatte, unsanft auf einen Tisch abgelegt.

Mein Blick gleitet über die Menge.
Viele verhasste und wütende Blicke liegen auf mir.
Mir würde es nicht anders gehen, deshalb kann ich ihre Blicke nachvollziehen, meine Blicke sollten ihnen gleich kommen.
Es könnte der Mörder meines Bruders hier sein, denn es kann jeder sein.

Würde ich nicht gleich geköpft werden, würden wahrscheinlich eine Menge von ihnen auf mich zukommen und mich zerfleischen.
Das wäre bestimmt schrecklich.
Ich schließe die Augen und lasse meine Körper von der Sonne bestrahlen.
Die Wärme nimmt mir etwas von der Kälte, welche mich von ihnen umschlingt.

Ich hole einmal tief Luft und atme wieder aus. Es könnte mein letzter Atemzug sein.
Gleich ist es vorbei und ich werde von meinem Leid befreit.
Ich schlucke das Gefühl herunter, zu ertrinken und werde mich tapfer meinem Ende stellen.

Plötzlich spüre ich etwas nasses in meinem Gesicht.
Verwirrt von der Nässe, öffne ich meine Augen. "Blicke dem Tot ins Gesicht" spricht ein alter Mann, während in seiner Stimme etwas mysteriöses liegt.

Rote Tropfen fallen von meinem Gesicht, auf den Boden hinab.
Das nasse in meinem Gesicht ist Blut, welches der alte Mann auf mich hinab träufelt.
Ich will gar nicht erst wissen, wessen Blut dies ist.

Verekelt verzieh ich mein Gesicht, aber behalte meine Augen offen.
Gleich wird alles vorbei sein, spreche ich mir selbst Mut zu.
Es ist alles okay, wiederhole ich in Gedanken.

"Wir haben uns hier versammelt, um ein Menschenmädchen zu köpfen. Sie hat einige von uns auf dem Gewissen, was wir natürlich nicht dulden.
Sie ist einer der letzten Menschen, somit haben wir es bald geschafft.
In naher Zukunft werden wir ihre Sorte ausgelöscht haben.
Ich freue mich Sie alle hier zu begrüßen und dass sie diesen feierwürdigen Anlass mit uns vollbringen" spricht der Mann, der bereits gestern mit mir gesprochen hat und scheinbar hier etwas zusagen hat.

Die Menge fängt an zu schreien und zu applaudieren.
Aus der Menge ertönen Sätze wie, bringt sie endlich um oder ab mit dem Kopf.
Sie sind sich alle einige und können es kaum abwarten.

Ein ziemlich muskulöser und großer Mann kommt mit einem gigantischen Messer auf mich zu, dabei hat er ein mörderisches Lächeln auf den Lippen.
Er fährt das Messer mit seiner Hand nach und nähert sich mir immer mehr.
Für ihn scheint es eine Ehre zu sein, mein Leben zu beenden.

Er hat das glücklos gezogen und darf mich enthaupten.
Es scheint sein Glückstag zu sein, freut mich für ihn, nicht.
Der Mann steht nun vor mir und in seiner Hand hält er fest das Messer.

"Mit dem Kopf ab" schreit die Menge nun synchron.
Der Mann, der zuvor seine Rede gehalten hat, nickt dem Mann mit dem Schwert zu und dieser erhebt es mit einem Lächeln.
Die Menge schreit und jubelt.
Es ist soweit, alles nimmt ein Ende.

Ich schließe meine Augen und bereite mich innerlich auf den darauffolgenden Moment vor, soweit es mir möglich ist.
Ich entspanne meine Glieder und atme tief aus dem Mund aus.

MoonriseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt