f o r t y o n e

258 23 4
                                    

  Stunden vergingen. Es war immer noch so still wie am Mittag. Mein Blick wanderte über das Dächermeer von Seoul. Ich war schon seit einigen Jahren nicht mehr hier oben gewesen. Es war ein Ort, den ich mit sieben Jahren gefunden hatte. Damals hatte ich mit meiner Mutter in diesem Wohnblock gelebt. Ich hatte den Ausgang zum Dach entdeckt, als ich vor ihr geflohen war. Mit den Jahren war es für mich ein Ort zum Nachdenken geworden. Selbst als ich mich völlig eingelebt hatte in meiner Familie war dieser Ort immer noch wichtig für mich. Das letzte Mal war ich hier bevor ich Sihyoung kennenlernte. Ravi hatte ja auch nicht immer rund um die Uhr Zeit gehabt und hier war eben ein guter Platz gewesen. Ein Ort an dem ich mich sicher fühlte und vor allem hier herrschte absolute Stille.
  Sihyoung hatte mich erst davon angebracht wieder hier her zu kommen. Nicht weil er diesen Ort kannte, nein, eher weil er der erste Mensch außerhalb meiner Familie war, der mich auf Trab hielt. An Tagen wo ich nicht ins Training ging, oder Ravi weg war hatte mich Sihyoung unter Beschlag genommen.
  Leicht begann ich zu grinsen. Er war immer so aufgeweckt gewesen damals. Uns hatte nie gestört was andere dachten und sagten.
  Im Prinzip war es mir jetzt ja auch egal, wenn es dabei nicht auch noch um andere Leute ging.
  Der Klingelton meines Handys riss mich aus den Gedanken. Ravi. Schon wieder.
  Ich hatte den Verdacht, dass Hongbin nicht nur mir die verdammte Wahrheit erzählt hatte, sondern auch meinem Bruder. Zumindest rief der mich seit gut einer Stunde an. Nachdem ich nicht auf Hongbin reagiert hatte, reagierte ich erst recht nicht auf meinen Bruder. Ich wollte beide gerade weder sehen, noch hören.
  Dabei konnte Ravi ja nichts dafür. Er wollte wahrscheinlich nur mit mir reden, für mich da sein.
  Sauer warf ich einen weiteren Kieselstein, die das Dach bedeckten, über den Rand und lauschte dem lauten Schlag, den er machte, als er auf einem der Müllcontainer in der Nebengasse aufkam.
  Ich hasste mich dafür Hongbin so verletzt zu haben.
  Ich wünschte mir so sehr, dass ich das selbe fühlen könnte. Ich wollte es. Nur um ihn nicht zu verlieren.
  Seine Nähe. Seine Wärme. Sein Geruch... Sein Lächeln...
  Wieder schmiss ich einen Stein nach unten. Der Aufprall riss mich wieder komplett ins hier und jetzt.
  Wieder klingelte mein Handy. Ravi.
  Dieses Mal legte ich direkt auf. Was mir einen weiteren Anruf einhandelte. Sauer ließ ich mich zurückfallen in die kalten Steine. Mittlerweile war es dunkel. Aber es störte mich nicht. Genauso wenig wie die Kälte. Sie war da. Ja, aber alles andere war mir egal.
  Mein Handy klingelte wieder. Wieder legte ich auf. Ich brauchte nicht mal zu lesen wer es war. Der Klingelton sagte es mir schon.
  Ich starrte hoch an den Himmel und versuchte an etwas anderes zu denken.
  Ich zuckte zusammen, als auf einmal ein völlig anderes Lied ertönte. Ich richtete mich auf und starrte auf das Display.
  "Haben sie jetzt schon dich dazu gebracht mich anzurufen, ja? Sind wir echt so weit schon?", murrte ich sauer.
"Wer hat wen dazu gebracht dich anzurufen?", Leo klang verwirrt.
  Wenn Leo verwirrt war...?
  "June-ah? Bist du noch dran?"
"Ja. Sorry, Oppa...", ich schüttelte meinen Kopf, dann ließ ich mich wieder zurückfallen. "Warum rufst du an?"
"Ist eigentlich völlig sinnlos dich das ausgerechnet heute zu fragen, aber egal. Ich bin gerade im Studio. Hab deine Texte und alles hier im Raum gefunden... Wenn du willst, dann könntest du noch daran arbeiten. Wolltest du doch sowieso am Montag, oder?"
"Stimmt schon...", ich nickte.
"Ich weiß. Du hast anderes vor mit Hongbin. War nur eine Idee. Ravi hat ja keine Lust heute..."
  Ich begann zu schluchzen. Was ich heute Mittag nicht raus war kam jetzt auf einen Schlag. Von jetzt auf nachher heulte ich wie ein kleines hilfloses Kind.
  "June-ah? Was ist passiert?"
"Tut mir so leid, Oppa. Schlechter Augenblick..."
"Wo bist du?"
"Aussicht auf Seoul genießen", brachte ich nur brüchig hervor.
"June, ich meine es ernst."
  Ich sah mich hilflos um. Mein Blick war verschleiert. Die Kälte die schon die ganze Zeit herrschte traf mich wie ein Schlag. Die Einsamkeit um mich herum erdrückte mich.
  "June?"
"Lässt du mich in einer Viertelstunde rein?", meine Stimme zitterte.
"Sag mir wo du bist, June."
"Ich bin in einer Viertelstunde da. Schon okay, Oppa..."
"Okay. Wenn du eine Minute zu spät bist such ich dich."
"Versuch das mal", ich wischte mir die letzten Tränen weg. "Bis gleich, Leo Oppa..."
  Ich legte einfach auf. Mit zitternden Knien stand ich schließlich auf. Blind stolperte ich zur Tür und lief die Treppe nach unten bis zu dem Stockwerk in dem ich den Lift nehmen konnte.
  Wie ich den restlichen Weg fand wusste ich nicht. Es war einfach in meinem Kopf. Vor den Augen hatte ich noch ganz andere Bilder. Ich nahm nichts anderes richtig war. Alles war wie durch einen Filter, der die Welt schwarz-weiß und unscharf machte.
  Erst als ich das bekannte Gebäude sah riss es mich in das Hier und Jetzt zurück. Von weitem konnte ich schon Leo sehen. Ich lief einfach weiter. Auf der Hälfte meines Weges rannte ich fast gegen ihn. Ich hatte nicht realisiert, dass er mir entgegen gelaufen war. Ohne ein Wort sah ich zu ihm auf.
  "Ich frag nicht", meinte er leise.
  Ich nickte nur leicht. Für diese drei Worte war ich ihm mehr als nur dankbar. Ich musste nicht reden. Leo hielt mir seine Hand hin. Ich nahm sie entgegen und ließ mich von ihm mit mach drinnen ziehen.
  Ausgerechnet Leo.
  Ich hatte nichts gegen ihn. Ich mochte ihn genauso wie Ken, Hyuk und N, aber er war dennoch der Letzte an den ich gedacht hätte wenn mich jemand gefragt hätte zu wem ich in so einer Situation gehen würde.
  "Wie lange bist du schon draußen?"
"Keine Ahnung? Seit heute Morgen...", ich zog meine Jacke aus als wir in den Übungsraum liefen.
"Warte kurz", Leo huschte wieder aus dem Zimmer.
  Ernsthaft. Wenn Leo ein Tier wäre, dann wäre er eine Katze. Definitiv.
  Ich schmiss meine Jacke auf den Sofa und schüttelte den Kopf bei diesem Gedanken. Weil es auch nichts besseres gab über das ich mir Gedanken machen sollte.
  Sauer mit mir selber ließ ich mich auf den Sofa fallen. Minuten vergingen. Schließlich kam Leo wieder ins Zimmer und hielt mir eine Tasse hin.
  "Ich hab die halbe Küche hier durchsucht um das zu finden", meinte er knapp.
  Ich sah zu ihm auf.
  "Danke, Oppa." Ich lächelte amüsiert.
  Er zuckte mit den Schultern und setzte sich ans Klavier. Ich presste meine Lippen aufeinander und starrte auf die Heiße Schokolade. Die Tasse war eigentlich viel zu heiß für meine kalten Hände, aber ich brauchte das jetzt. Außerdem hörte ich Leo zu.
  "Ist das mein Song?", fragte ich nach einer Weile.
"Du weißt, dass der wirklich gut ist?"
  Ich sah zu ihm.
  "Danke, Oppa", nuschelte ich und nippte an meiner Tasse.
  Er lächelte nur leicht. Ich wich seinem Blick aus und zog meine Beine enger an mich. Ich war fertig mit mir und dieser Welt heute. Erschöpft nahm ich einen weiteren Schluck von der Tasse. Ich sah erst wieder auf, als sich Leo neben mir auf den Sofa fallen ließ. Fragend warf ich ihm einen Blick zu, aber er sah mich nicht an.
  Nach einer Weile stellte ich die Tasse auf den kleinen Tisch neben dem Sofa. Als ich mich umdrehte zog mich Leo in eine Umarmung. Ich war überrascht, aber unternahm nichts dagegen.
  "Du bist immer noch wie ein Eiszapfen, June-ah", meinte Leo trocken, als er meine Hände in seine nahm.
"Was erwartest du? Ich saß den ganzen Mittag auf einem Dach und hab nicht mal bemerkt, dass es so kalt war", ich lehnte mich an ihn und starrte an die Decke.
"Macht total viel Sinn. Das muss ich dir schon lassen."
"Sei nicht so gemein zu mir Leo Oppa", beschwerte ich mich.
"Haha."
  Ich schnitt eine Grimasse und sah zu ihm.
  "Willst du nicht lieber nach Hause ins Bett?"
"Ganz ehrlich?" Meine Stimme begann wieder zu zittern. "Nein."
"Okay", Leo nickte nur leicht.
"Und du bist auch gar nicht neugierig?"
"June, wenn es mich was angehen würde oder du darüber reden wolltest, dann würdest du es tun. So seh ich das ganze."
"Ich will darüber reden. Ich weiß nur nicht wie...", ich lehnte mich wieder an ihn.
"Versuch es, wenn du es willst", Leo hielt mich fester.
"Mein bester Freund hat sich in mich verliebt. Ich fühle nicht das selbe, und deshalb will er erstmal gar nichts mehr mit mir zu tun haben. So sieht es aus...", ich holte langsam tief Luft um nicht wieder zu heulen.
"Vielleicht ist es dann besser so? Ich meine jedes Mal wenn ich euch beide gesehen hab, dann war es klar was los war. Es hätte genauso gut dich erwischen können..."
  Ich sagte nichts darauf. Er hatte ja recht.
  "June..."
"Ich hätte es auch sein sollen. Das ist nicht fair okay?"
  Jetzt schwieg Leo. Ich sah zu ihm auf, aber da war nur wieder dieser Gesichtsausdruck den ich nicht lesen konnte.
  "Leo? Alles okay?"
"Ja, klar", er nickte nur leicht.
  Ich war mir allerdings nicht so sicher dabei. Irgendetwas verschwieg er mir doch.
  "Leo..."
  Mein Handy klingelte wieder. Sauer zog ich es aus meiner Hosentasche und legte auf. Leo sah mich überrascht an.
  "Gehen wir?", fragte ich leise.
"Wenn du willst."
  Ich nickte nur. Irgendwann musste ich ja.

Hey meine liebsten Kekse 💕
Erstmal ein RIESEN DANKE dafür:

Ich bin fast tot umgefallen.
Ich hoffe euch gefällt dieses Kapitel und ich hoffe wirklich ich schaffe es in der nächsten Woche etwas hochzuladen... X.x meh.
Vielen Dank für eure Votes, Comments und Reads. :3

Habt ein schönes Wochenende! Hoffentlich bis morgen. 💕
xoxo eure Luna 💕

Error (VIXX)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt