35.

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„Mom?!" schreie ich gegen den Geschrei und den lauten Geräuschen in den Hof. Mein Dad rast an mir vorbei mit meinen kleinen Bruder in den Armen. „Dad, wo ist Mom?!" rufe ich ihm nach.

Mein Dad reist schnell die Wagentür auf, schnallt meinen Bruder in den Kindersitz und schlägt die Tür wieder zu. Die Anspannung und Angst in seinem Gesicht ist nicht zu übersehen. Schweißperlen fließen über seine Schläfe. „Komm, wir müssen fahren!" schreit er mir zu.

Bevor ich zu ihm renne, drehe ich mich um. Meine Mom kommt hektisch zu mir. „Los, wir müssen hier weg."

„Was ist hier los? Was habt ihr alle?!" fragt mein kleiner Bruder. Er hat sich aus den Sitz geschnallt und steht hinter der Wagentür.

„Adam, sofort ins Auto!" schreit meine Mutter. „May, mein Schatz, komm schnell!" Sie befördert Adam hektisch in den Wagen. Was ist hier los? Wieso sind alle Leute so voller Aufregung? Unsere Nachbarn packen Taschen und schmeißen sie in deren Autos und fahren so schnell wie sie nur können davon.

Fly läuft an mir vorbei zur Straße. „Fly!" rufe ich ihr nach. Doch sie hört nicht auf mich. Panik bricht über mich hinaus. Was soll ich tun, sie laufen lassen oder ihr hinterher?

„May, verdammt, jetzt komm!" ruft mein Vater aus den Fenster.

„Ich kann nicht! Ich muss Fly finden!" Meine Beine rennen wie von selbst los. „Wartet auf mich, bitte. Ich komme wieder, versprochen." schreie ich ihnen zu.

„Bitte, mach schnell. Wir warten."

Ich sehe Fly die Straße hinunter rennen. Klar, vielleicht könnte ich sie nicht mehr einholen, aber ich will sie nicht zurücklassen. Das lasse ich nicht zu. Also laufe ich so schnell über die Straße, wie ich nur kann. Autos hechten an mir rasend schnell vorbei, alle Menschen laufen nur in eine Richtung. Genau in die Gegengesetze Richtung, die ich renne. Immer wieder stoße ich jemand an, aber interessiere mich nicht länger dafür, sondern bin nur darauf fixiert dieses schimmernde, weiße Tier zu packen.

Bald schon ist die Straße wie ausgestorben. Niemand mehr ist hier, Häuser leer, Straßen leer und nirgendwo höre ich auch nur einen Ton.

„Fly?" rufe ich nach ihr. Stickige heiße Luft umhüllt mich. Meine Haut glüht vor Hitze, mir bricht der unnötige Schweiß aus. „Fly?" rufe ich noch einmal. Da! Da war was! Ein Schatten nur. „Fly ..." sage ich leise und gehe auf eine Wiese. Bleibe stehen und sehe mich um.

Meine Ohren lauschen der Stille. Kaum wage ich es selbst zu Atmen. Doch dann höre ich etwas ganz komisches. Eine Art hecheln, keuchen, ächzen und seufzen. Mein Blick schweift über die Wiese. Ungewöhnlich für einen Wolf solche Laute von sich zu geben.

Ich trauen meinen Augen nicht. Nein, das geht nicht. Das ist unmöglich. So etwas gibt es nur in Filmen, aus Horror Filmen. Ein Mann kommt mit trägen Schritt auf mich zu, das eine rechte Bein nachziehend. Die Hälfte seines Gesichtes ist weg, einfach weg. Blut schimmert in der Sonne. Ein Arm streckt er nach mir aus.

Die Angst packt mich an den Schultern, lässt meine Füße in den Boden hinein wachsen, sodass ich nicht mehr fliehen kann. Meine Augen weiten sich das es schon weh tut.

„Du bist nicht echt." flüstere ich leise. „Meine Fantasie dreht mit mir durch."

Etwas weißes rast von hinten auf den Mann zu. Fliegt mit eleganten Sprung auf den Rücken des Mannes. Der Kerl kippt nach vorn und Fly beißt ihn in den Nacken. Blut quillt durch ihre weißen Zähne und es verteilt sich um ihre Schnauze. Wir starren uns an, der Mann ist tot.

„Oh mein Gott, Fly." Ich gehe auf sie zu und knie mich vor sie. „Hau nie wieder ab, versprich es mir." Meine Hand streicht über ihr weiches Fell. Wir beide laufen zurück nach Hause, was mich dort erwartet hätte ich niemals für möglich gehalten.

Mit offenen Mund und dem Schock im Gesicht, betrachte ich den Hof. Vollkommen leer. Nichts. Das Auto, meine Eltern, mein Bruder weg, einfach weg.

„May, scheiße."

Ich öffne meine Augen einen Spalt nur. Mein lockerer Körper wird auf Arme genommen. Ein aufgeregter Harry rennt mit mir davon. Die Luft fliegt mir ins Gesicht, was so angenehm ist das ich mir wünsche es könnte die ganze Zeit so weiter gehen. Mein heißer Kopf brummt, besonders an einer Stelle, rechts. Ich kann mich kaum daran erinnern was passiert ist. Was ich weiß, ist das Stay mich zu Daryl bringen wollte und sie mich dann angeschrien hat wegen irgendetwas.

Keine Ahnung was das ist. Das mit ihr. Warum hat sie mich denn angeschrien? Angestrengt denke ich darüber nach, was nicht gut ist, denn damit kriege ich nur noch mehr Kopfschmerzen.

„Oh Gott, dein Kopf." flüstert Harry. Ich habe nicht bemerkt das er angehalten hat. Etwas macht Bling! Stay hat mich wegen Harry angeschrien. Jetzt weiß ich es.

Behutsam streichelt Harry über meine Wangen. „May," haucht er. Sein heißer Atem schweift um meine Wangen. „May, bitte wach auf."

Zwingend tue ich ihm den gefallen und sehe nur kurz in seine grünen Augen. Sie sehen düster aus als sonst. Dunkler. Danach schließe ich die Augen wieder und bin in meiner eigenen dunklen Welt.

„Ich muss dich zu Daryl bringen." Er rennt wieder los. Mein körper wird bei jeden Schritt etwas in die Luft befördert. „Bitte," sagt Harry keuchend. „Sieh mich an." Wieder sehe ich ihn an. Angestrengt starrt er nach vorne. „Halte durch, okay?"

Ich realisiere meinen ganzen Körper. Meine Atmung ist laut und schwer.

„Daryl!!" schreit Harry, als wir bei dem Wohnwagen ankommen. Er reißt die Tür auf und ruft: „Daryl, schnell!"

Daryl wirft einen Blick auf mich und steht sofort auf. Er sucht nach den Krankenkoffer, weist Harry an mich auf das Bett zu legen.

„Ihr Kopf." wimmert Harry auf. Ich schließe meine Augen wieder, lasse die beiden reden. Genieße die tiefen Stimmen und lasse sie auf mich wirken. Ein kleines stechen macht sich kurz in meinen Oberarm breit.

„Was machst du da?" frage ich einfach. Durch einen kleinen Spalt spähe ich zu Daryl der mir eine Spritze verpasst hat. Harry setzt sich neben mich. Seine kühle Hand gleitet unter meine.

„Ich muss mir ihren Kopf ansehen." meint Daryl und steigt zu mir herüber. Behutsam dreht er mich auf den Bauch. Die Wunde muss ziemlich schlimm aussehen, so wie Daryl die Luft zwischen seinen Zähnen zischen lässt.

„So schlimm?" flüstere ich.

„Du musst mir die Sachen hinhalten, Harry." befehlt Daryl ihm. Besteck trifft aufeinander, eine kleine Flasche wird geschüttelt. Kühles nasses Zeug berührt sanft die Wunde stelle, kein brennen aber ein schreckliches Gefühl baut sich in mir auf. Wie auch immer, während Daryl mich behandelt versuche ich einfach daran zu denken wieso Stay mich wegen Harry angeschrien hat. Hm ... Vielleicht weil wir miteinander geredet haben, oder weil sie Eifersüchtig war.

„Wir müssen sie in ruhe lassen." Höre ich eine raue Stimme.

„Ich bleibe. Ich will sie nicht alleine lassen."

CONSIDER ME ALIVE || h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt