13.

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„Nein." sagt er. Von der Seite schaue ich ihn an. Er sieht ganz genau nach oben. Er kann doch gar nicht sehen, was da steht. „Es ist kein Kind." Sein Kopf dreht sich in meine Richtung. Meine linke Schulter drückt gegen Zayns rechte Schulter, seine Finger streifen meine Hand. Er strahlt Wärme aus. Ich muss zugeben, ich bin heilfroh, dass er da ist. Unsere Atem mischen sich miteinander. Kurz bin ich total neben der Spur, aber mich reißen Schritte aus diesen Bann.

Schnell schauen meine Augen auf die Treppe. Ein kleiner nackter Fuß tritt auf die erste obere Stufe. Der zweite setzt ab. Dieser jemand bleibt stehen. Wieder höre ich ein leises wimmern, und als Zayn mich zurück ziehen will, ertönt ein laut und deutliches Atmen. Zayn greift meine Hand und zieht mich zurück.

„Stopp!" sage ich leise zu ihm. Meine Hand reiße ich zu mir. Vielleicht weint dieses kleine Kind und atmet deswegen so schwer. „Hab keine Angst, wir tun dir nichts."

Der Fuß tritt auf die nächste Stufe. Dünne Schienbeine kommen zum Vorschein. „Helft mir ..." wimmert diese zarte und ängstliche Stimme.

„Wir werden dir helfen, wenn du runter kommst." sage ich beruhigend nach oben. Die Füße treten die nächsten Stufen schneller runter. Ein hell blaues, zerfetztes und dreckiges Kleid sehen meine Augen. Komm schon ...

Die nächste Stufe sagt mir, dass es ein kleines Mädchen ist. Blonde kurze Haare umrahmen ihr hübsches Gesicht, doch sehe ich noch etwas anderes. Ihre hell verweinten Augen sind blutunterlaufen. Ihre kleinen Finger fassen einen kaputten Teddy in den Händen, die um Gottes Willen mit sehr viel Blut verschmiert sind.

Ich knie mich hin, damit ich auf ihrer Höhe bin. Sie schaut uns an, als wären Zayn und ich ihre allerletzte Hoffnung. „Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Wir helfen dir," spreche ich aus. Die Kleine nickt ganz vorsichtig, als ob sie wüsste, das ihre Bewegung etwas schlimmes anrichten könnte.

Zayn packt sich meine Schulter. „May, ihr Unterarm ..." flüstert er in mein Ohr. Ich erhasche mir einen Blick auf ihre dünnen Unterarme. Auf ihren rechten ist eine klaffende und tiefe Wunde zu sehen. Das Blut ist schon längst getrocknet. Ich schlucke den dicken Kloß in meinen Hals herunter. Kaum kann ich reden: „Ähm ... Wir ... Wer ..." Ich zeige von der Kleinen auf den Unterarm. „Wer hat das getan?"

Ihre hellen unschuldigen Augen schauen auf die schlimme Wunde. „Etwas komisches ..." Ihre Unterlippe zittert vor Verzweiflung.

Ich runzle die Stirn. „Kannst du sagen, wie es aussah?"

„Es hatte ... grünliche Haut ... Ganz komische Augen ..."

„Okay ... Ähm ..." Ich richte mich wieder und drehe mich zu Zayn um.

„May, sie ist infiziert ..." flüstert er mir zu.

Ich nicke. „Wir können sie aber nicht alleine lassen ..." Meine Finger knacken, während ich an jeden einzelnen ziehe.

Zayns Finger fassen mein Kinn, damit ich ihn in die Augen sehe. „Wir müssen sie töten. Willst du etwa auch einer von denen sein?"

„Sie ist ein Kind!" sage ich etwas lauter. Unwillkürlich strömen mir die Tränen über die Wangen. Der Gedanken das ein ungefähr sechs Jahre altes Mädchen erschossen wird, ist bis jetzt mit das schlimmste, woran ich nur denken kann. Wir können so ein kleines Mädchen einfach nicht ... erschießen.

„Ich weiß, aber wenn es ein Erwachsener wäre, müssten wir ihn auch töten. Sieh weg, während ich es mache ..." Sein Zeigefinger streicht vorsichtig über meine Wange, damit die Tränen verschwinden.

„Wie kannst du das nur tun?" frage ich ihn leise.

„Es ist unser bestes ... Rede es dir ein und du wirst merken, dass alles besser klappt." Er geht an mir vorbei zu dem Mädchen. Genau vor ihr kniet er sich hin, nimmt ihre Hand. „Du hast einen schönen Teddy." sagt er und lächelt dem Mädchen zu. Schwach erwidert sie es. Ihre Hand umfasst den Teddy doller. „Würdest du für ein paar Minuten deine Augen schließen?"

CONSIDER ME ALIVE || h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt