3-16 Im Grasland von Linar

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Im Grasland von Linar

Silàn und A'shei kehren am frühen Nachmittag zu Ranoz und Noak zurück. Sie haben viel zu besprechen und überdenken. Dánirah rief alle Tannarí zusammen, die sie im finden konnte. Diese letzten Angehörigen des Volkes der Dämmerung sind bereit, an der Seite des Sohnes ihres ungekrönten Königs in die Schlacht zu ziehen. Silàn fürchtet, dass Tòmanis Gruppe den Tannarí auf diesem Schicksalsweg folgen wird. Denn in den Adern Dánans und einiger anderer aus dieser kleinen Gesellschaft fließt Tannablut. Tòmani selbst stammt aus Lellini und steht damit gefühlsmäßig auf der Seite der Tannarí. Er blickte Silàn ernst in die Augen, als er ihr heute morgen versicherte, sein Platz sei hier und er werde diesen Weg mit Dánan und ihrem Volk zu Ende gehen. Silàn weiß, dass sie ihren Freunden zuliebe alles daran setzen muss, diesen Krieg zu verhindern. Sie weiß auch, dass A'shei, falls sie versagen sollte, mit den letzten Überlebenden seines Volkes untergehen wird. Trotzdem bleibt er jetzt an Silàns Seite, immer bereit, sie zu unterstützen. Sie ist froh darüber, kann aber verstehen, dass er sich Sorgen um dieses beharrliche Volk von Reisenden, Jägern, Heilern, Händlern, Geschichtenerzählern und Musikern macht, von dessen Existenz er bisher kaum etwas wusste und das ihm trotzdem viel bedeutet.
Dánirahs Träume halten die letzen Tannarí zusammen. Sie sind sich sicher, dass dies ihr Weg ist und werden ihn nicht verlassen. Als Silàn die Wahrträumerin nach dem Inhalt ihrer Träume fragte, erklärte Dánirah, diese seien nicht für sie bestimmt. Mit einem Lächeln erläuterte sie dann, manche Träume dienten dazu, jemandem den Weg zu weisen, andere dazu, Mut zu machen. Aber zuletzt, beim Abschied, ergänzte sie beinahe flüsternd, sie habe von Silàn und A'shei geträumt, sie beide unter den Blüten des Mondbaums gesehen. Silàn nimmt das als Zeichen der Hoffnung. Sie blickte aber den Tannarí noch lange nach, als sie unter der Führung von Hehama und Dánirah nordwärts zogen, um sich mit dem Heer der Lelliní zu vereinigen.

Obwohl Silàn und A'shei tagsüber kaum geschlafen haben, setzen sie in der Nacht die Suche nach den Heerlagern fort. Ranoz schlägt vor, sich zu trennen, um die doppelte Fläche absuchen zu können. Sie wollen sich Ende der Nacht bei einem Höhlensystem treffen, von dem die Fledermäuse berichten. Es soll sehr groß sein und mehrere Eingänge besitzen, übersetzt Noak, die sich auch mit ihnen mühelos unterhalten kann.
Der Mond scheint in das schmale Tal, als Ranoz und Silàn nach Norden aufbrechen, während Noak und A'shei südwärts fliegen, dem Heer Pentims entgegen. Silàn spürt eine Spannung in der Magie der Nacht. Nicht sicher, ob es sich dabei um Einbildung handelt, fragt sie ihren Drachenfreund danach. Ranoz bestätigt ihr Gefühl.
«Du hast recht, Ahranan. Die Wesen der Nacht ziehen von allen Seiten in dieses Gebiet. Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Heere aufeinandertreffen. Wir müssen uns beeilen, wenn wir rechtzeitig etwas erreichen wollen.»
Silàn weiß, dass Ranoz die Situation richtig einschätzt. Wenn die Wesen der Nacht sich sammeln, werden die menschlichen Krieger bald folgen.
«Was denkst du, wo werden sie sich treffen? Ich habe das Gefühl, dass es hier in der Nähe sein wird, vielleicht etwas nördlich von uns.»
«Ja, die Wesen der Nacht suchen das Grasland von Linar auf. Dort wird wohl die Schlacht stattfinden.»
«Nicht wenn ich es verhindern kann, Ranoz. Deshalb sind wir hier.»
«Ich weiß, Ahranan. Und ich werde tun, was ich kann, um dir zu helfen. Deshalb rief ich bereits bei unserem Abflug in Silita-Suan die Hrankaedí zusammen und Noak bat ihre Verwandten aus Eshekir um Hilfe. Sie werden hoffentlich nächste Nacht hier eintreffen. Dein Heer ist unterwegs, Ahranan.»
Überrascht über diese unerwartete Information atmet Silàn etwas auf. Sie erwartete nicht, dass die Hrankaedí ihr gesammelt in einen Krieg folgen würde. Andererseits möchte sie vermeiden, dass Drachenschatten in den Kämpfen verletzt werden. Und wo wollen sich so viele Hrankaedí tagsüber verbergen? Ranoz, der wie immer ihre Gedanken auffängt, schnaubt gutmütig.
«Du machst dir zu viele Sorgen, Ahranan. Die Drachenschatten stellten schon immer die Leibgarde und Wache der Königin. Es ist unsere Aufgabe und unser Stolz, dich zu beschützen und an deiner Seite zu kämpfen. Dass die wilden Hrankaedí von Eshekir dir folgen, verdankst du Noak und deinem jungen Schattenwandler. Die Hochländer hielten sich bisher immer aus menschlichen Konflikten heraus. Aber Noak hat sich entschieden und ihr Volk wird ihr folgen. Sie wird A'shei nicht verlassen. Um Unterkunft mach dir keine Sorgen. Die Fledermäuse wissen genau, wo es Höhlen gibt, die Platz für Hunderte meiner Art bieten.»

SilànWo Geschichten leben. Entdecke jetzt