Talisha
Der große Drachenschatten gleitet in ungewohnter Höhe über das Land, dicht gefolgt von einem etwas kleineren seiner Art. Mit kräftigen Flügelschlägen treiben sie sich voran, nutzen geschickt thermische Strömungen, wo sie vorhanden sind. Dies ist bereits die dritte Nacht ihrer Reise quer über das Reich. Ranoz schnaubt ungeduldig, seiner Meinung nach kommen sie zu langsam voran. Aber er weiß, dass Noak nicht schneller fliegen kann. Sie ist zwar leichter und wendiger, ihre Flügel sind aber kleiner. Außerdem ist sie solche Gewaltflüge nicht gewohnt. Vielleicht hätte er sie in Eshekir zurücklassen sollen. In ihm nagt das unbestimmte Gefühl, dass seine Ahranan sich in großer Gefahr befindet. Seit er vor drei Tagen im Morgengrauen ihren Ruf empfing, macht er sich unaufhörlich Sorgen. Silàn befindet sich nicht mehr in Atara in Sicherheit, sondern irgendwo weiter nördlich. Offensichtlich ist sie unterwegs, denn ihr zweiter Ruf, in der vorletzten Nacht, erreichte ihn bereits aus Inoira. Besorgt blickt er sich nach Noak um. Sie sind erst seit kurzem wieder unterwegs, nach einem unruhigen Tag in einem Versteck im Sumpfland des Haon. Ranoz hasst diese Gegend, aber er lässt sich durch nichts von der direkten Route zu Silàn ablenken. Eigentlich hielt sich Noak bis jetzt ganz gut und behinderte ihn kaum. Als sie darauf bestand, ihn zu begleiten, bezweifelte er ihre Fähigkeit, den Flug durchzuhalten. Allerdings sieht sie inzwischen aus, als wäre sie am Ende ihrer Kräfte. Der Tag auf einer kleinen Insel in einem Schilfdickicht war nicht erholsam. Zum Schutz gegen die Sonne hatten sie sich mit Schlamm und totem Schilf zugedeckt. Aber das war kein Vergleich zu einer kühlen Schlafhöhle im Gebirge. Ganz abgesehen vom ständigen Summen der Insekten und Quaken der Frösche vertragen die Hrankaedí die hohe Luftfeuchtigkeit des Sumpflandes nicht. Noaks Flügelschlag wirkt müde, als koste es sie eine gewaltige Anstrengung, überhaupt die Muskeln zu bewegen. Ranoz verlangsamt das Tempo, damit sie ihn einholen kann. Noak blinzelt ihn mit goldenen Drachenaugen erschöpft an.
«Ich bin am Ende meiner Kraft, Ranoz. Ich muss langsamer fliegen, sonst schaffe ich es nicht. Wie weit bis zur Ahranan?»
Ranoz überlegt. Er weiß, wieviel es seine stolze Gefährtin kostet, ihre Schwäche einzugestehen.
«Wenn wir das Tempo durchhalten, erreichen wir sie vielleicht in der zweiten Hälfte der Nacht.»
«Du machst dir Sorgen, Ranoz. Flieg voraus. Ich werde folgen. Ich kann nicht so schnell fliegen wie du, aber lange, das kann ich schaffen.»
Ranoz nickt. Mit seiner Flügelspitze berührt er kurz und beinahe zärtlich jene seiner Begleiterin. Seine Gedanken streifen flüchtig die ihren. Sie spiegeln seine Besorgnis, sowohl um Silàn, wie um Noak. Dann zieht er beide Flügel kräftig durch und schießt mit größerer Geschwindigkeit davon. Noak kennt das Muster seiner Gedanken und kann ihm folgen, solange er sich nicht vor ihr verschließt. Ranoz blickt kurz zurück, bevor er den Blick nach vorne richtet. Silàn befindet sich in unmittelbarer Gefahr.
~ ~ ~
A'shei lächelt Hamain zu, die den Freunden einschenkt. Er nahm mit ihr und Fjenis das Abendessen ein bevor die anderen eintrafen. Es ist gut, wieder in dieser Runde zusammenzusitzen. Fjenis hebt seinen Becher, um auf seine Rückkehr anzustoßen. Raill und Steim schließen sich an. Hamain setzt sich neben Fjenis, der einen Arm um ihre Schultern legt. Sie erzählten A'shei heute Nachmittag, dass sie bald heiraten werden. Er freut sich für die beiden, denkt aber jedesmal, wenn er sie zusammen sieht, an Silàn. Wo sie wohl jetzt steckt? Ob sie in Sicherheit ist? Das Treffen mit Femolai findet erst in zehn Tagen statt, bis dahin sollte ihr eigentlich nichts passieren. Er hofft inständig, dass Ranoz inzwischen bei ihr ist. Fjenis' Stimme weckt ihn aus seinen Gedanken.
«Warum so nachdenklich? Wir sind heute hier, um zu feiern! Komm schon, erzähl uns endlich, was du alles erlebt hast!»
A'shei nimmt einen Schluck des vergorenen Safts und stellt fest, dass er den Geschmack gar nicht mehr so schrecklich findet. Dann blickt er sich ernst in der Runde um.
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Silàn
FantasyBettina öffnet unwissentlich das Tor zur Welt ihrer Mutter, die sie nie gekannt hat. Noch ahnt sie nicht, was sie damit auslöst. Während der nette Junge A'shei ihr den Weg in eine Welt voller Magie und Geheimnisse weist, hat die Magierin Femolai sic...