Kapitel 13

105 5 0
                                    


Es ist arschkalt hier draußen, aber ich habe es drinnen einfach nicht mehr ausgehalten.
Ich habe eine ganze Woche nichts von ihm gehört, ihn kein einziges Mal gesehen und dann stand er vorhin einfach vor der Tür, die ich -wer auch sonst?- auch noch aufmachen musste.
Er hat mich angegrinst und ich hätte ihm am liebsten sein Grinsen aus dem Gesicht geprügelt. Aber ich habe einfach die Tür losgelassen, habe die Augen verdreht und habe ihn da stehen gelassen.
Aufjedenfall sind die Wände hier relativ dünn und man hört einfach jedes Lachen. Immer wenn sie lachen, sinkt meine Laune noch mehr, sodass ich nach einer Stunde aufgebe und mich auf die Treppen vor dem Haus gesetzt habe.
Ich weiß, es ist Dave ein Dorn im Auge, aber ich glaube ich bin ihm allgemein ein Dorn im Auge.
In der letzten Wochen haben wir nicht mehr als nötig miteinander geredet und mittlerweile wird mir immer mehr bewusst, dass es bestimmt nur Celia war, die ihn gebeten hat, netter zu sein, der Familie zu Liebe.
Aber das, was er zu mir sagte, war auch nicht alles unbedingt nett.
Wahrscheinlich kann er einfach nicht mit Mädchen. Ich habe keine Ahnung, wirklich nicht.
Das einzige, was besser geworden ist, ist, dass Yves netter ist. Ich bin zwar nicht wirklich netter zu ihm, aber er hat mit seinen Beleidigungen aufgehört und hat mich - denke ich - jetzt endlich angenommen.

Ich wecke mich selbst aus meinen Gedanken, als mir auffällt, dass ich meine Kippen aus meiner Jackentasche gekramt habe.
Ich habe eigentlich nie wirklich geraucht, nur, wenn es mir wirklich scheiße ging und ich grade nichts anderes hatte. Aber in dieser Woche habe mich wieder meine Lucky Strikes gekauft, habe seitdem schon zwei Packungen leer.
Ich bin nicht stolz drauf, aber ich weiß auch gar nicht mehr, was ich überhaupt von mir selbst denken soll.
Ich seufze und zünde mir meine Zigarette an, wobei meine Hand schon leicht zittert, aber ich ignoriere es und ziehe kräftig dran, ehe ich dann den ganzen Rauch durch die Nase wieder ausatme.
Ich beobachte den Qualm, wie er hochsteigt und in den dunklen Himmel irgendwann unsichtbar wird.

Plötzlich geht die Tür auf und ich zucke zusammen.
Ich blicke zur Tür und sehe dort Danovan stehen, sein Handy in der Hand, das grell leuchtet.
Er sieht sich nicht um, sieht mich nicht, wie ich weiter unten auf der Treppe sitze und mich gegen das Geländer presse.

Ich höre das Vibrieren seines Handys und ein aufgebrachte Stimme, die spricht, als er rangeht.
"Beruhig dich.", sagt er sanft und ich schüttele den Kopf.
Ich sollte nicht lauschen.
Ich sollte weggehen, in ein Paar Minuten wieder kommen und einfach so tun, als würde ich gerade erst kommen. Aber ich bleibe sitzen, lausche der aufgebrachten Stimme, die förmlich in sein Telefon schreit.
"Gib sie mir mal.", sagt er und dann ertönt ein ohrenbetäubendes Rauschen, weswegen er sich das Handy möglichst weit weg vom Ohr hält.
"Hey, meine Süße. Wie geht es dir?", spricht er leise und einfühlsam in sein Handy.
Ich erwische mich dabei, wie ich mir wünsche, sowas gerne an dem Morgen bei ihm gehört zu haben.
"Es ist alles gut, meine Kleine. Beruhige dich. Ich komme morgen zu dir und dann reden wir, okay?"
Er macht eine Pause.
"Versprochen. Ich komme morgen."
Dann legt er auf und ich atme erleichtert auf. Er steht noch kurz da und schaut in die dunkle Nacht hinein.
"Macht's Spaß andere zu stalken?"
Ich will den Kopf rumreißen, aber ich lasse es sein.
"Macht's Spaß andere auszunutzen?", schieße ich zurück und stehe auf.
Ich gehe die Treppen hoch, drücke die Zigarette an dem Geländer aus und schnippe sie dann weg.
"Du rauchst?", fragt er und zieht die Brauen zusammen.
"Ich tu nur so, Danovan.", keife ich.
Er sieht mich mit einem unergründlichen Blick an und ich will an ihm vorbei gehen, aber er versperrt mir den Weg.
"Was?", knurre ich.
"Was ist dein Problem?"
Ich sehe ihn an und muss fast Lachen.
"Mein Problem? Wohl er dein Problem! Wer weiß denn hier nicht, was er will und veranstaltet hier so ein Hin und Her?"
Er sieht mich an, kommt mir näher und näher, aber dieses Mal bleibe ich konzentriert und lasse ihn nicht an mich ran.
"Überleg dir was du willst, verdammt."
"Ich weiß es schon längst.", sagt er und ich verdrehe die Augen, weil ich die Antwort schon regelrecht riechen kann.
"Spars dir.", meine ich, als er gerade Luft holt um seine Antwort preiszugeben.
"Wollen wir nicht mal reden? Ich meine, da gibt es schon so eine Kleinigkeit, die zwischen uns ist, oder?"
"Bist du bekifft?", frage ich ihn und starre ihn an.
"Nein. Okay, vielleicht ein bisschen, aber nicht doll."
"Sag mal, was treibt ihr eigentlich immer bei Yves? Du hast doch viel mehr Platz!"
"Ich finds toll, dass du das so genau weißt."
Ich verdrehe die Augen und will ihm meinen Arm entziehen, aber er hält mit seiner ganzen Kraft dagegen an.
"Ich hasse dich. Ich hasse dich so.", murmele ich vor mich hin und sehe auf den Boden.
Er lässt mich los und ich schlüpfe an ihm vorbei ins Haus.
"Sierra?"
Ich drehe mich nicht noch einmal um.
"Du hasst mich nicht. Könntest du nie."
Ich atme schwer aus und schlucke die Erkenntnis runter, dass er wahrscheinlich sogar Recht hat.

"Doch, könnte ich.", sage ich trotzdem, auch, wenn ich weiß, dass es wahrscheinlich gar nicht stimmt. Ich werde vor ihm nicht zugeben, dass er mir vielleicht doch ein wenig mehr bedeutet, als irgendwer anders. Er soll nicht denken, dass er sowas besonderes für mich ist. Es würde seinen Stolz noch mehr puschen und meinen noch mehr sinken lassen.

Als ich auf der Hälfte der Treppe war, höre ich die Haustür, wie sie krachend ins Schloss fällt. Ich merke wie ich zögere, aber ich zwinge mich dazu weiterzugehen und schließe kurz die Augen.

Es dauert nicht lange, da bin ich wieder in meinem Bett, meinen Laptop auf dem Schoß und google Evan.

Ich weiß nicht, wieso ich das mache. Ich weiß nur eins; ich brauche dringend jemanden, dem ich vertrauen kann und dem ich zuhören kann, wenn ich nicht reden will.

Ich überlege kurz zu Dylan rüber zu gehen, aber da ist wahrscheinlich noch Jen, die schon seit geschlagenen Stunden hier ist.

Sie ist hübsch, so ein Mädchen, bei dem man sich wünscht, man würde selbst auch so aussehen. Sie hat wunderschöne braune lange Haare und blaue Augen. Ich finde das ist eine sehr interessante Mischung. Sie ist dünn und kann problemlos diese weißen Jeans tragen, die ich sogar hübsch finde, obwohl sie nicht einmal schwarz sind. Aber ich glaube ich würde da drin aussehen wie ein Elefant.

Als ich das nächste Mal bewusst auf meinen Bildschirm sehe, sehe ich, dass ich irgendein Interview gestartet habe, dass von gestern stammt. Wie anstrengend es sein muss, jeden Tag so ein beschissenes Interview führen zu müssen.

Ich schüttele den Kopf und seufze, als meine Hände automatisch das Video starten.
Ich beobachte ihn, seine Gestik, sein Lächeln, dass in der ersten Minute schon vollständig verschwunden ist. Ich frage mich, was passiert ist, dass es ihm so geht.
Im nächsten Moment hasse ich mich dafür, weil ich sauer sein sollte.
Ich sollte toben vor Wut, wenn ich ihn sehe, stattdessen tut er mir leid.
Irgendwas stimmt mit meinem Kopf nicht, irgendwas ist gerade ziemlich durcheinander und ich habe keine Ahnung was. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Mal wieder nicht.
Ich habe keine Ahnung, was ich fühlen soll, was ich denken soll. Da ist so viel, dass mich so verdammt stört, aber ich weiß nicht, wie ich es mir selbst Recht machen soll.

Plötzlich klopft es an der Badezimmertür und ehe ich mich versehe, steht Yves in meinem Zimmer.
"Hörst du den?", fragt er abwertend und zeigt auf meinen Laptop.
"Was? Nein, ich-...Ich- Mir war nur langweilig."
Er nickt und ich klappe den Laptop mit Herzrasen zu.
"Der ist auch wirklich beknackt. Klar, der kann singen, aber mehr auch nicht."
Ich zucke mit den Schultern und sehe auf meine Bettdecke hinab.
Er kann so viel mehr, Yves.
So viel mehr.
Aber ich bleibe ruhig. So wie immer.
"Eigentlich wollt ich dich fragen, ob du mich deckst, wenn Dave oder Mum nach mir fragen?"
Ich muss wohl ziemlich fragend geguckt, denn er erklärt es noch genauer.
"Ich muss nochmal weg, aber wir haben 'ne Abmachung, dass ich nach Eins nicht mehr aus dem Haus gehe."
"Wieso?"
"Keine Ahnung."
Er zuckt mit den Schultern.
"Ok, von mir erfahren sie nichts."
Er nickt mir zu und rauscht dann durch meine Zimmertür nach draußen in den Flur.
Er lässt die Tür offen stehen und augenblicklich höre ich Jens Lachen, das sogleich in ein Quiken übergeht.
Danach ist Dylans Lachen zu hören.
Ich seufze und packe meinen Laptop weg.

Ich hoffe er liebt nicht so stark, wie ich. Ich hoffe er liebt nicht zu schnell zu viel. Ich hoffe, dass es bei ihm gut ausgeht.

Carve your heart into mineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt