Kapitel 44

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Ich habe Angst davor, ihn zu verlieren. So viele haben sich verloren, weil sie durch zu viel Scheiße gegangen sind. Ganz viele haben sich nie gekriegt, obwohl sie zueinander gehörten, obwohl das Schicksal sie für einander ausgewählt haben.

In einem Buch, was ich vor einer Weile gelesen habe, ging es ein bisschen um Fantasie. Der Mann dort ist in einen Turm gegangen und war nur alle Paar Jahre wieder draußen. In der zwischenzeit war er vollkommen bewusstlos und man konnte ihn einfach nicht finden. Das ging sein ganzes Leben so.

Eines Tages traf er auf eine Frau, die ihn liebte und er sie ebenfalls. Aber er wusste, dass es keine Zukunft hat. Sie hatten ein Kind zusammen, was er nie hat aufwachsen sehen. Er war ja nur alle Paar Jahre für ein-zwei Tage in der Freiheit.

Das zeigt, dass es Leute gibt, die sich so sehr wollen, aber das Schicksal pfuscht dazwischen. Das Schicksal ist wie ein Fluch, der einen auf Schritt und Tritt verfolgt.

Manchmal treibt das Schicksal Spielchen mit den Menschen. Manchmal kommt ein Brandstifter und ein Brandopfer zusammen. So, wie in einem anderen Buch. Ihre komplette linke Körperhälfte war verbrannt, weil man sie im Haus, welches brannte, vergessen hatte, bis man ihre Schreie gehört hatte. Sie lernte einen Jungen kennen, der sie mit ihren Narben liebte, so, wie noch keiner je zuvor. Aber er hat das Feuer gelegt. Damals. Er war es, der ihr Leben kaputt gemacht hat und dann auch wieder nicht.

Manchmal frage ich mich, ob unser Leben von Anfang an geplant ist. Was, wenn es Gott wirklich gibt und er dich von oben herab beobachtet und du eigentlich nur eine seiner 7 Milliarden Puppen bist?

Manchmal ist es komisch daran zu denken, dass wir nur zu Gast auf dieser Erde sind. Wir sind eine Epoche dieser Erde, ehe sie sich irgendwann selbst zerstören wird, so, wie nach den Dinosaueriern. Was, wenn es nach uns vielleicht noch eine Epoche der Menschheit gibt? Menschen, die mehr zu schätzen wissen, was die Erde einem gibt. Vielleicht werden sie Sachen von uns finden, die ihnen etwas über uns erzählen wird. Vielleicht stehen wir in ein Paar Millionen Jahren in Geschichtsbüchern, weil wir einst zur Erde gehörten. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wer weiß schon, ob die Erde sich wieder regenriert. Wer weiß, ob sie dem allen stand hält, das alles, was es hier gibt.

"Sierra?", reißt mich Danovan aus den Gedanken.

Ich sehe verwirrt zu ihm auf.

"Du warst mit Evan Towel verlobt.", haucht er und stützt sich mir gegenüber an der Küchentheke ab.

Ich hatte ihm alles erzählt, jedes noch so winzige Detail, alles, was er wissen wollte.

Ich nicke, obwohl ich nicht stolz drauf bin. Diese Verlobung war ein jämmerlicher Versuch unsere Beziehung zu kitten und es schien zu funktionieren, naja, bis rauskam, dass er mich monatelang hintergangen hat.

"War er deswegen im Diner? Weil er wusste, dass du da bist?"

Ich nicke. "Ich denke mal schon."

Er atmet tief durch und fährt sich dann durch die Haare.

"Danovan, du darfst mich nicht so sehen.", sage ich und spüre, wie mir die Tränen kommen. Schon wieder.

Warum bin ich nicht so unglaublich stark wie die anderen? Warum kann ich nicht einfach so tun, als wäre es nichts mehr, womit ich mich beschäftigen müsste?

Danovan sieht mich an, geht dann um die Theke herum und schlingt seine Arme um mich.

Ich lasse meinen Kopf an seine Schulter sinken und merke, wie die Tränen ausbrechen.

"Ich liebe dich, Sierra."

"Ich dich auch."

Ich sehe Danovan an, dann presse ich meine Lippen hart auf seine, weil ich will, dass er weiß, dass ich ihn wirklich liebe, dass ich ihn wirklich über alles liebe und ich nicht beschreiben könnte, was ich jetzt ohne ihn machen sollte.

Carve your heart into mineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt