Kapitel 22

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Er will auf mich zu gehen, meine Hand nehmen, aber ich weiche zurück. Ich sehe die Verzweiflung in seinen Augen, aber ich spüre nur Hass und Enttäuschung. Ich spüre die Liebe nicht mehr, die uns verbindet hat. Ich spüre diese Vertrautheit nicht mehr, es ist, als ob es gelöscht wurde. Es ist total absurd, Gefühle kann man nicht einfach so abstellen, aber in diesem Moment mache ich es ja doch.

Ich sehe ihn stumm an und schüttele dann den Kopf. Ich merke wie die Tränen hochkommen, aber ich zwinge mich dazu, mich zusammen zu reißen. Ich zwinge die Tränen zurück und senke den Kopf.

"Bitte. Sierra. Bitte, ich weiß, dass wir-"

"Es gibt kein Wir mehr, Evan.", unterbreche ich ihn und gehe durch die Tür.

Ich weiß, dass er mich geliebt hat, vielleicht sogar mehr als sich selbst. Aber wer liebt, liebt ehrlich, lügt nicht, betrügt nicht.

Ich weiß, dass ich gerade einen komplett zerstörten Evan dort lasse, aber ich weiß auch, dass ich gerade ein komplett zerstörte Sierra mit mir rumschleppe.

Plötzlich ändert sich meine Umgebung. Ich bin nicht bei Evan, nicht mehr dort im Gang. Ich stehe vor einem Haus. Dani.

Ich bekomme schreckliche Kopfschmerzen. Meine Finger klingeln automatisch, obwohl ich mich jeder Kraft dagegen wehrt. Ich will sie nicht sehen.

Sie macht auf und steht dort, ein rachesüchtiges Lächeln im Gesicht.

"Ich war besser als du.", zischt sie und kommt auf mich zu. Ich weiche zurück, kanlle aber schon bald gegen die Brandung der Veranda.

"Er fand mich besser als dich. Du warst nicht gut genug. Du bist schwach. Evan hasst schwache Menschen, hast du gesagt."

Sie spuckt mir die Worte entgegen und ich presse mich noch mehr gegen die Veranda.

"Du bist ein Nichts und Evan hat das endlich erkannt!", schreit sie.

Ich wache mit einem Schrei auf und muss mich zu einer ruhigen Atmung zwingen. Aber je mehr ich mich drauf konzentriere, desto schneller geht sie.

Ich habe schreckliche Kopfschmerzen und mein Mund ist staubtrocken. Das ganze Bett ist nass geschwitzt und ich spüre, dass meine Augen gequollen sind.

"Sierra?", fragt Danovan und ich sehe ihn an.

"Danovan.", hauche ich und werfe mich ihm in die Arme. Ich sitze fast auf ihm, aber ihm scheint es nicht auszumachen, denn er schlingt nur die Arme um mich und streicht beruhigend über den Rücken.

"Was ist passiert?"

"Albträume.", bringe ich nur hervor.

"Du auch?"

"Eigentlich hatte ich nur noch selten welche. Aber manchmal kommen sie wieder und dann sind sie besonders schlimm."

Danovan lässt mich los, hangelt nach einem neuem T-Shirt von sich selbst, zieht mir dann meins aus und das neue wieder an.

"Tschuldigung, ich habe dich wachgemacht."

"Was? Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen, man. Du bist meine Freundin. Ich will, dass es dir gut geht."

"Ich bin..", bringe ich nur heraus. Mein Atem ist noch immer zu schnell.

Das darf mich nicht mehr mitnehmen! Warum? Warum tut es immer noch so weh wie damals? Warum ist es so? Warum hat er das getan? Für ihn hat es vielleicht nur ein bisschen zerstört, aber für mich ist mein ganzes Unterbewusstsein gestört. Ich hasse, was es auch mir gemacht, wie kalt und labil ich geworden bin. Ich hasse es, dass ich die bin, die leidet und er der, der immer lieben kann, ohne Probleme.

Carve your heart into mineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt