Kapitel 15

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Der Morgen bestand aus besorgten Fragen von Dylan, Celia und Brand. Immer wieder fragten sie mich, ob alles okay ist, ob es mir gut geht und immer wieder nicke ich nur. Ich sage nichts, nicke nur. Gegen Elf haben sie aufgegeben.

Gegen Zwölf habe ich mich wieder ins Bett gelegt, habe meinen Laptop genommen und habe Dani gesucht. Ich komme auf ihr altes Facebook Profil, sehe die alten Chatverläufe von uns, als wir noch beste Freundinnen waren. Ich lese die aufgeregten Nachrichten, als es passiert ist. Ich lese die ganzen Planungen, die sie schon gemacht hat und muss immer wieder den Kopf schütteln, weil es sich so gar nicht danach angehört hat. Es gab keine Unterschiede. Es ging einfach nahtlos weiter. Sie hatte sich, in der Zeit, als sie schon meine Beziehung zerstört hat, nicht ein Stück verändert. Ist einfach so geblieben, wie sie war.

Vielleicht wollte sie ihn mir wegnehmen, vielleicht wollte sie es ja so. Vielleicht wollte sie uns beide zerstören und dann für ihn der Retter in der Not sein. Die, die ihn aus seinem tiefen Loch wieder raushilft, was ich ja nicht geschafft habe. Aber niemand wusste, dass er schon längst nicht mehr in einem Loch war, sondern schon fast im Himmel und zwar mit mir. Das wusste keiner. Keiner wusste, dass ich ihm gut tat, er mir auch gut tat. Jeder dachte, es ist so eine Beziehung, die man noch mit Kindergarten vergleicht, aber es war so ernst.

Und ich, gerade ich, habe es so ernst gemeint. Ich habe nie gelogen, ihm immer gesagt, wenn ich mich unwohl gefühlt habe, sei es nur beim Umarmen. Und er hat es akzeptiert, hat mich trotzdem geliebt, wie ich bin. Er war so einer, der gut war, der sich um micht gesorgt hat, einen Fick auf das gab, was andere von ihm dachten. Er war alles für mich. Und vielleicht war ich auch manchmal alles für ihn. Ich weiß es nicht und mittlerweile bin ich mir auch gar nicht mehr so sicher, ob er das alles wirklich so ernst meinte, wie er es gesagt hat.

Er wollte mich nicht mehr. Er fand mich nicht mehr gut genug, wahrscheinlich bin ich ihm zu viel geworden. Wahrscheinlich ist ihm alles zu viel geworden. Vielleicht war ich ihm zu anstrengend. Karriere und Freundin. Vielleicht passt das nicht. Vielleicht hat das bei uns nicht geklappt. Vielleicht hätte es auch ohne, dass er berühmt geworden wär, nicht geklappt. Wahrscheinlich.

Ich klicke den Chat weg, als ich merke, wie mir schlecht wird. Ich sehe mir ihr Profilbild an, sehe ihre braunen Augen, in die Evan geguckt hat. Ihre Lippen, die er geküsst hat und ich muss mich schütteln. Ich fühle mich wie vor einem Jahr. Total fertig.

Ich scrolle weiter runter. Sie wohnt mittlerweile in Seattle. Sie wollte schon ewig dort studieren, anscheinend hat sie es wirklich wahr gemacht.

Darunter steht, dass sie mit einem gewissen Finn Klarry zusammen ist.

Ich schüttele wieder den Kopf. Ob sie ihn wieder betrügt? Ob sie ihn wieder betrügt mit Evan?

Hätte man mich das vor eineinhalb Jahren gefragt, hätte ich den jenigen gehauen, weil Evan sowas nie gemacht hätte.

Der alte Evan, mein Evan, hätte sowas nie gemacht. Denn der, den ich kannte, hat Vertrauensbrüche gehasst wie die Pest.

Der neue Evan, Danis Evan, macht sowas anscheinend öfter. Es scheint, als wäre es ihm nicht mehr wichtig, wie es anderen Leuten dabei geht.

Ich klappe noch immer etwas fassungslos den Laptop zu und rappele mich auf.

Kurz darauf habe ich meine Box angeschmissen und wanke durch das Zimmer, dass auch schon mal staubfreiere Zeiten hatte. Dabei habe ich meinen Staublappen in der Hand und wische über das Regal, über die Kommode, über den Fenstersims.

Ich staube meine Bücher ab und ordne sie nun endlich richtig ein, so, wie sie zu Hause auch waren. Ich gebe meinen Kakteen etwas Wasser und schlussendlich befinde ich mich wieder im Bett und starre aus dem Fenster. Es ist offen, weil es echt stickig geworden ist, als ich aufgeräumt habe.

Mir weht der Wind die Haare ins Gesicht und ich schließe die Augen, denke an damals zurück, wie ich hinter Evan auf dem Motorrad saß, wie er mit mir nach Kalifornien gefahren ist, Santa Monica. Danach habe ich ihn gehasst, weil mein Hintern so weh tat. Es waren schließlich geschlagene sieben Stunden bis dahin. Aber es war toll dort. Wir waren ein verlängertes Wochenende dort, haben uns in der Schule einfach krank gemeldet. Es war toll. Dort in dem Freizeitpark, auf der gigantischen Seebrücke. Ich habe es geliebt, habe Evan für seine Kurztrips geliebt.

Ich schüttele meinen Kopf, drehe mich um und steige wieder aus dem Bett. Ich fühle mich aufeinaml komplett anders. Wahrscheinlich hat mir die Luft meine Gedanken richtig zusammengepuzzelt.

Ich sehe auf die Uhr. Ein Uhr. Er müsste da sein.

Ich laufe runter, ziehe meine Schuhe an und ich stege in mein Auto.

Ich fahre circa fünfzehn Minuten und dann bin ich da. Ich sehe am Haus hinauf. Die Jalousien sind hochgezogen und das Auto steht auch in der Einfahrt.

Kurz überkommt mich das Gefühl der Reue, dass ich mir doch keine neue Jeans angezogen habe, aber ich schlucke das Gefühl runter. Er hat mich schließlich auch schon ganz ohne gesehen.

Ich steige aus und klingele.

"Hallo", meldet er sich und ich will gerade antworten, da summt die Tür schon und ich kann sie öffnen.

Langsam laufe ich die vielen Stufen hoch, wollte nicht den Aufzug nehmen, weil ich so noch früher da wäre, weil ich dann keine Denkzeit mehr hätte.

Als ich oben ankomme, sehe ich nur die offene Tür und den Schuhschrank, der in seiner Wohnung steht.

Ich trete ein, schließe die Tür hinter mir, ziehe die Schuhe aus und bleibe dann unschlüssig stehen. Es hat sich nicht viel verändert, seitdem ich das letzte Mal hier war.

Die Küche ist nicht mehr ganz sauber und um den Sessel im Wohnzimmer stehen gefühlt tausend Bierflaschen. Auf dem Tresen in der Küche stapeln sich die Pizzakartons und ich sehe durch die offene Schlafzimmertür, dass sein Schlafzimmer ebenfalls nicht mehr ganz tacko ist.

"Wer ist da?", ruft er aus dem Schlafzimmer un dich zucke ganz leicht zusammen.

Ich will gerade etwas sagen, da kommt er schon durch die Tür, stoppt kurz, als er mich sieht.

"Ist was passiert?", fragt er besorgt und blickt mich an.

Er trägt kein T-Shirt. Er trägt nur eine Jogginghose und an seinem Hals hängt eine Kette mit Armeemarken dran. Sein Tattoo fasziniert mich noch immer und mir bleiben immer noch Fragen. Warum hat er es wohl stechen lassen? Hat es eine Beduetung? Hat er sich selbst ausgedacht? Hat es mit ihm zu tun? Bereut er es? Würde er es wieder tun?

"Nein, alles gut.", presse ich hervor und reiße den Blick von seiner Brust los um ihm in sein Geischt zu blicken.

Er grinst blöd und ich muss auch grinsen.

Dann kommt er näher zu mir und als er bei mir ankommt, legt er langsam die Arme um mich. Seine Hände verschränken sich an meinem Rücken - und unter meinem T-Shirt - und er bettet seinen Kopf auf meiner Schulter. Ich lege ihm meine Arme um den Nacken, lehne meinen Kopf an seinen.

So stehen wir einige Minuten da, bis er tief durchatmet und sich von mir löst.

"Es tut mir leid.", sagt er und nimmt mein Gesicht in seine Hände.

"Mir auch."

Dann überbrücke ich die letzten Zentimeter, hebe leicht meinen Kopf und drücke meine Lippen auf seine.

Er gibt ein tiefen Laut von sich und ich muss lächeln.

Es tut gut, endlich wieder das zu machen, was ich wirklich will. Und das hier, das will ich wirklich. Ich will ihn und keinen anderen. Keinen Evan, kein nichts. Nur ihn.

"Du bist so toll, Sierra", nuschelt er zwischen unseren Küssen.

Dann schiebt er mich immer weiter Richtung Schlafzimmer, in die Richtung, aus der er kam.

Irgendwann schlugen meine Kniekehlen gegen das Bett und er schubst mich nach hinten, stützt sich kurz darauf wieder über mir ab.

Ich weiß, ich werde mich irgendwann wieder dafür hassen, aber gerade fühlt es sich verdammt gut an und ich brauche das einfach gerade.

"Du bist so schön.", seufzt er.

Ich lächele.

Wer weiß was nachher ist, sage ich mir und halte mich davon ab, mir allzu große Hoffnungen zu machen.

Carve your heart into mineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt