Good Vs. Bad

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Ich stieß mich gedankenverloren von der Tür und wäre dabei fast über Luhan gestolpert, der mir schnurrend um die Beine strich.

"Na du Süßer?", sagte ich und bemerkte  dabei, dass ich immer noch dümmlich vor mich her grinste. Echt jetzt? Ich seufzte einmal leise, bevor ich mich schulterzuckend bückte und den schwarzen Kater auf meinen Arm hob. Kurz vergrub ich mein Gesicht in dem schwarzen Fell, dann ging ich ins Wohnzimmer und setzte ihn auf die Couch.
Ich besah mir das Chaos um mich herum. Kissen und Decken lagen überall verstreut und von ihren Bezügen getrennt, die Couch war verschoben und die Spielsachen von Luhan auf dem Teppich verteilt. Nochmal seufzte ich und machte mich ans Werk. Nicht ohne mich vorher noch einmal zu fragen, wie zur Hölle das Wohnzimmer so aussehen konnte und ich bei der Veranstaltung dieser Unordnung schlafen hatte können.

Ich hatte die Kissen und Decken verräumt, die Bezüge in die Wäsche gesteckt und war gerade dabei, die Matratzen aufzuräumen, da fiel mir etwas ins Auge, was hier nicht hingehörte. Unter der Matratze, auf der Jin und Yoongi geschlafen hatten, lag zerrissenes Papier. Zuerst dachte ich mir nichts dabei und wollte es schon wegwerfen, als ich unbewusst einen Blick darauf warf und bemerkte, dass dort handgeschriebene Worte standen, viele wieder durchgestrichen, andere doppelt oder dreifach nachgefahren und wieder andere mit Rot hervorgehoben. Die Handschrift war mir unbekannt, aber ich hatte eine Vermutung, wem dieses Blatt gehörte.

Ich sammelte die Stücke ein und brachte sie in mein Zimmer, wo ich sie säuberlich auf dem Schreibtisch ausbreitete. Es waren an die vierzig Teile und ich machte mich daran, sie richtig zusammenzusetzen. Während ich versuchte, die Puzzleteile passend zu machen, dachte ich stirnrunzelnd über die letzten zwei Wochen nach.


"Warum denn so kritisch? Läuft doch alles super!" Überrascht blickte ich auf und starrte auf die Gestalt auf meiner Fensterbank. Dort saß, die Beine überkreuzt und mit dem Rücken gegen den Fensterrahmen gelehnt, ein Mädchen. Ein blondes Mädchen mit schwarzer Jeans und einem weißen Pulli auf dem vorne mit großen, schwarzen Lettern 'Whatever' stand. Außerdem ragten oben aus ihrem wirren Blondschopf kleine, spitze Hörner und ich glaubte sogar hinter ihr einen kurzen Blick auf einen roten, in einer Spitze endenden Schwanz zu erhaschen.

"Das nennst du super?" Diesmal kam die Stimme von meinem Bett. Dort saß noch ein Mädchen, ganz in schwarz gekleidet, und starrte ungläubig zu ihr. Über den kurzen Haaren des Mädchens schwebte fast nicht sichtbar ein goldener Ring. Der widersprach allerdings der restlichen Aufmachung , nicht nur den tiefschwarzen Klamotten, sondern auch den silbernen Ringen an den Fingern und den vielen Ohrsteckern. Doch bevor ich mir über diesen seltsamen Kontrast weiter Gedanken machen konnte, redete sie erhitzt weiter.
"Das ist doch nicht normal für ein siebzehnjähriges Mädchen. Sie kommt in ein neues Land und die ersten Menschen, die sie dort trifft, sind berühmte K-Pop Idols. Das ist unrealistisch."
"Also ich nenne das Glück. Und dann hat sie auch noch gleich einen Trost über ihr verletztes Herz gefunden. Jimin ist doch wirklich ein süßer Typ, oder?", konterte Blondie.
"Nochmal , unrealistisch! Wer verliebt sich denn bitte in einer Zeitspanne von zwei Wochen und kommt dann auch noch zusammen?!"

"Entschuldigung, ich will euren Streit ja nicht unterbrechen, aber irgendwie läuft da was falsch, oder?", mischte ich mich jetzt in das Gespräch ein und deutete auf die fragenden Blicke der beiden hin auf ihren "Kopfschmuck". Beide fassten sich synchron an die Hörner, beziehungsweise den Heiligenschein, und stöhnten unisono.

"Schon wieder?! Ich hab dir doch gesagt, du sollst dein Zeug aufräumen, das ist schon das vierte Mal in diesem Monat." Emo-Engel-, pardon, -teufelchen nahm den Ring in die Hand und warf ihn unachtsam dem echten Engelchen zu. Diese verdrehte nur die Augen, nahm die Hörner ab, die sich als Haarreif herausstellten, und lies sie mit einem Fingerschnipsen durch die Luft zu Teufelchen zischen. Auch der Schwanz  verschwand und tauchte hinter Emo wieder auf.

"Danke, nett von dir", meinte sie sarkastisch.
"Können wir uns jetzt bitte wieder wichtigeren Dingen zuwenden? Ihrem Leben zum Beispiel?", schnappte Blondie und deutete auf mich.
"Darf ich, bevor ihr euch in mein Leben einmischt, vielleicht eure Namen erfahren?", warf ich vorsichtig ein. Ich wollte auf keinen Fall den Zorn meiner zwei Lebensberater auf mich ziehen.
"Luz, mit weichem 's', kommt von Luzifer", sagte Teufelchen kurz angebunden, "Nicht, dass es dich irgendwie kümmert."
"Ignorier' sie einfach, sie ist immer so. Liegt an ihrem Vater. Ich bin Gabby. Nach meinem eigenen Vater, Gabriel." Engelchen, Gabby, blinzelte mich freundlich an.
"Nett euch kennen zu lernen, bitte, macht doch weiter." Ich bedeutete ihnen, nach einer kurzen Verbeugung, mit ihrer Diskussion fortzufahren. Gabby nickte mir kurz zu und wandte sich dann wieder direkt Luz zu.
"Du hast doch keine Ahnung, das ist das Schicksal, die beiden gehören zusammen! Schau doch, wie glücklich sie ist."
"Das wird sich noch ändern, vertrau mir. Das hält nicht lange. Denk doch mal nach, sowas hält nie." Luz schaute verachtend durch den Raum. "Ich würde vorschlagen, sie bricht jetzt alles ab, dann erspart sie sich den späteren Schmerz."

Bisher verfolgte ich die Konversation ja noch mit einem amüsierten Lächeln, doch jetzt fühlte ich mich persönlich angegriffen. "Darf ich vielleicht auch mal was dazu sagen?"
"Klappe, es geht zwar nur um dich, aber egal." Luz peitschte genervt mit dem Schwanz in der Luft.
"Du bist so gemein, ich weiß gar nicht, warum ich mich noch mit dir abgebe." Schmollend verkreuzte Gabby ihre Arme.
"Ach komm, du liebst mich."
Gabby streckte ihr die Zunge raus. "Du bist immer so negativ."
"Das ist nicht negativ, das ist realistisch. Begreif es doch. Zuerst trifft sie eine berühmte Boy-Group und freundet sich mit ihren an. Dann wohnt sie in einer wunderschönen Wohnung und hat ein Haustier, dass ihr zugelaufen ist und zufälligerweise keine Besitzer hat. Sie findet gleich beim ersten Versuch einen Job, der auch noch gut bezahlt wird und zu guter Letzt hat sie jetzt einen berühmten Idol als Freund. Ist das nicht ein bisschen zu viel des Guten?" Mit hochgezogenen Augenbrauen und selbstgefälligen Blick lehnte sie sich zurück und sah abwartend zu Gabby.

"Das ist Schicksal", meinte diese schwach und sackte leicht in sich zusammen, "Das darfst du nicht kaputt machen."
"Du weißt, dass ich recht hab." Luz zuckte nur mit den Schultern und verschwand dann in einer Rauchwolke.
"Du darfst sie nicht so ernst nehmen." Entschuldigend blickte Gabby mich an, bevor auch sie in einem hellen Lichtstrahl unterging.

Ein leises Klingeln lies mich hochschrecken. Verwirrt blickte ich von den Papierstücken hoch und sah mich verwirrt um. Das Bett war fein säuberlich gemacht und hatte nicht die geringste Eindruckstelle und auch das Kissen auf dem Fensterbrett lag ordentlich auf seinem Platz.
Sollte ich mir Sorgen machen? Ich hatte schließlich gerade ziemlich realistischen Besuch meiner zwei Kopfstimmen und hatte, wie ich nach einem Blick auf den Tisch vor mir feststellte, es gleichzeitig geschafft, das Puzzle zu beenden.

Ach was, sowas war bestimmt nochmal, jeder hatte immer wieder mal innere Konflikte. Doch ich hatte irgendwie ein ungutes Gefühl bei der Sache, das war vielleicht wirklich zu viel Glück für mich. Das Leben stellte einem nicht so viel Positives auf einmal zur Verfügung, ohne etwas zurückzuverlangen. Aber vielleicht hatte Fortuna auch mal ein Einsehen mit mir.

Im Nachhinein hätte ich mir denken müssen, dass das einfach nicht drin war für mich.


Ich musste mich anstrengen, die Worte entziffern zu können. Nicht nur wegen der fehlenden Übung sondern auch der regelrechten Sauklaue, die der Schreiber hier hatte. Doch schließlich stellte sich meine anfängliche Vermutung als richtig heraus. Es waren Lyrics. Und sie waren gut. Vielleicht fehlte mir das musikalische Verständnis dafür, aber selbst ich erkannte, dass das gut war. Obwohl keine Musik unterlegt war, dachte ich schon fast die Melodie hören zu können, und fragte mich, warum zur Hölle Yoongi das zerrissen hatte.

Vorsichtig hob ich Luhan, der ungeduldig um meine Beine strich, auf meinen Schoß und begann dann die einzelnen Stücke sorgfältig zusammenzukleben.
Stumm starrte ich auf das reparierte Blatt Papier und strich dem schwarzen Kater gedankenverloren durch das weiche Fell. Dieser schnurrte zufrieden und schloss die Augen.
"Meinst du, ich sollte es ihm zurückgeben?", fragte ich leise, "Er muss ja einen Grund gehabt haben, es zu zerreißen, oder?"
Luhan gab ein zustimmenden Laut - zumindest klang es so - von sich , bevor er seinen Kopf in meiner Bauchgrube versteckte und endgültig einschlief.
"Du hast es gut, du musst dir über sowas keine Gedanken machen." Leise seufzte ich.
Ich nahm mir, nach längerem hin und her überlegen, vor, dass ich erst nächste Woche zu den Jungs gehen würde. Jimin hatte mir ja schon mitgeteilt, dass ihr Manager nicht erfreut über meine Existenz in ihrem Leben war, und nach Yoongis Aktion hatte sich das vermutlich noch verschlimmert. Ich sollte vielleicht etwas Zeit verstreichen lassen, um die Wogen zu glätten.

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Can this be my new life?  [ BTS/Suga - FF ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt